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Gericht: Verwaltungsgericht Berlin

Entscheidungsdatum: 29.11.2006

Aktenzeichen: 1 A 162.05

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract:
Nachdem der Musik- und Notenverlag C.F. Peters aus Frankfurt/Main im Jahr 2004 einen Dauerleihvertrag mit der Stadtbibliothek Leipzig gekündigt hatte, ließ er mehrere wertvolle Materialien vom Auktionshaus Christie’s nach Berlin verbringen. Als daraufhin die Berliner Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur ein Verfahren zur Eintragung von 206 Medieneinheiten aus der Musikbibliothek Peters in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ nach dem Kulturgutschutzgesetz eingeleitet hat, geht der Verlag vor Gericht. Seine Klage wurde in zwei von drei Punkten abgewiesen.

weitere Informationen:
Meldung „Entscheidung zum Kulturschutzgesetz“, kostenlose-urteile.de vom 02.12.2006

Tenor:

Der Bescheid der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur vom 14. Februar 2006 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten werden dem Beklagten zu 6/10 und den Klägern als Gesamtschuldner zu 4/10 auferlegt. Etwaige außergerichtliche Kosten des Beklagten werden den Klägern zu 4/10 auferlegt. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 2. bis 4. werden dem Beklagten zu 2/3 auferlegt.

Im Übrigen tragen die Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten selbst.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Jeder Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger – Verlag C.F.Peters GmbH & Co KG Frankfurt am Main und mehrere Einzelpersonen – wenden sich gegen die Anwendung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (Kulturgutschutzgesetz – KuSchG -) auf Werke und Dokumente, die aus der Musikbibliothek Peters in Leipzig nach Berlin verbracht wurden.

Die Musikbibliothek Peters ist eine wissenschaftliche Spezialbibliothek. Sie bestand vor der Verbringung der streitgegenständlichen 206 Materialien nach Berlin aus 23.965 Einheiten. Neben musikwissenschaftlichen Standardwerken, Fachzeitschriften aus mehreren Jahrhunderten, wissenschaftlich-kritischen Editionen älterer Musik, Gesamtausgaben und Sondersammlungen gehören zu ihrem Bestand seltene Handschriften und Erstausgaben bedeutender Komponisten und Musiker, Briefe bedeutender musikalischer Persönlichkeiten und Notenausgaben mit handschriftlichen Eintragungen großer Meister. Der in Leipzig verbliebene überwiegende Bestand befindet sich dort in der Stadtbücherei.

Grundstock der Bibliothek war die 1861 gegründete und 1891 in Konkurs geratene Musik-Leihanstalt von Alfred Dörffel, die Max Abraham, alleiniger Inhaber des Verlages C.F.Peters, 1891 kaufte und in enger Kooperation mit der Stadt Leipzig als Musikbibliothek Peters weiterführte. Max Abraham verfügte testamentarisch – allerdings nicht formwirksam – die Errichtung einer unselbständigen Stiftung zum Erhalt der Musikbibliothek, die von der Stadt treuhänderisch verwaltet werden sollte. Im Falle der Auflösung oder des Wegzuges des Verlages sollten das Grundstück mit der Bibliothek sowie das Recht zum Behalt der Zinserträge aus der Stiftung auf die Stadt übergehen. Alleinerbe des im Jahr 1900 verstorbenen Max Abraham war sein Neffe Henri Hinrichsen, der in Anerkennung des Willens des Erblassers mit der Stadt Leipzig eine an der testamentarischen Verfügung orientierte notarielle Vereinbarung traf.

Seit den 30er Jahren war Hans-Joachim Hinrichsen, ein Sohn Henri Hinrichsens, Mitinhaber des nun als OHG organisierten Musikverlages. Die Nationalsozialisten verhängten gegen Henri Hinrichsen und seinen Sohn 1938 ein Berufsverbot und stellten den Musikverlag unter nationalsozialistische Treuhänderschaft, unter welcher der Verlag 1939 verkauft wurde. Zu den übertragenen Vermögenswerten gehörte laut Kaufvertrag auch die Musikbibliothek Peters samt Grundstück und Gebäude. Hans-Joachim Hinrichsen verstarb 1940 unverheiratet und ohne Nachkommen im Internierungslager Perpignan. Sein Vater Henri Hinrichsen wurde 1942 in Auschwitz ermordet.

Die überlebenden Kinder Henri Hinrichsens verzichteten 1947/1948 zugunsten des in die USA emigrierten Sohnes Walther Hinrichsen auf ihr Erbe nach Henri Hinrichsen. 1950 wurde die Edition Peters nach nur kurzzeitiger Rückgabe an Walter Hinrichsen unter Treuhänderschaft der Bezirksleitung der SED gestellt und später als VEB Edition Peters fortgeführt.

Der Bestand der Musikbibliothek Peters wurde 1954 vom Verlag der Stadt Leipzig übergeben und aus dem angestammten Sitz in der Königstraße Nr. 26 in die Musikbibliothek der Stadt Leipzig verbracht.

Im Juli 1990 entstand nach § 11 des Gesetzes zur Privatisierung und Reorganisation des volkseigenen Vermögens (TreuhG) durch Umwandlung des VEB Edition Peters die Edition Peters GmbH mit der Treuhandanstalt als Alleingesellschafterin. Mit Restitutionsbescheid des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 1. September 1993 wurden sämtliche Geschäftsanteile dieser Edition Peters GmbH (i.L.) auf Evelyn Hinrichsen als Alleinerbin nach Walther Hinrichsen übertragen. Diese brachte ihre Anteile in den Frankfurter C.F. Peters Verlag, die Klägerin zu 1., ein. Die Stadt Leipzig zog in der Folgezeit in Zweifel, dass die Musikbibliothek Peters zu dem mit Bescheid vom 1. September 1993 restituierten Vermögenswerten zählte, schloss aber dessen ungeachtet 1998 mit dem Ziel, die Musikbibliothek ohne zeitliche Begrenzung in Leipzig zu halten, mit der Klägerin zu 1. einen Dauerleihvertrag. Einen weiteren Leihvertrag schloss die Klägerin zu 1. im Jahr 2003 mit dem Bach-Archiv-Leipzig, in dem sich einzelne Materialien aus dem Bestand der Musikbibliothek Peters befanden. Mit Schreiben vom 28. April 2004 bestätigte das Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Klägervertretern, dass mit dem Restitutionsbescheid vom 1. September 1993 auch die Musikbibliothek an Frau Evelyn Hinrichsen rückübertragen worden sei und schloss sich damit der gleich lautenden Auffassung des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen in einem an die Stadt Leipzig gerichteten Schreiben vom 28. Dezember 2000 an.

Im Sommer 2004 kündigte die Klägerin zu 1. (teilweise) den 1998 geschlossenen Dauerleihvertrag und ließ 199 Materialien von Mitarbeitern von Christies Deutschland nach Berlin bringen. Ebenso kündigte sie den mit dem Bach-Archiv geschlossenen Leihvertrag. Die dort befindlichen Werke Bachs wurden an die Klägervertreter herausgegeben und ebenfalls nach Berlin verbracht. Jedenfalls seit August/September 2005 befinden sich die streitgegenständlichen Dokumente bei der Hasenkamp Internationale Transporte GmbH in Berlin.

Mit Schreiben vom 26. August 2004 teilte die damalige Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur, von den zuständigen sächsischen Behörden über die Einleitung des Verfahrens zur Eintragung der Musikbibliothek Peters in das sächsische Landesverzeichnis in Kenntnis gesetzt, den Klägervertretern mit, dass das Verfahren zur Eintragung der nach Berlin verbrachten Stücke der Musikbibliothek Peters in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ nach dem Kulturgutschutzgesetz eingeleitet werde und gab Gelegenheit zur Stellungnahme. Dem Schreiben, das die sieben aus dem Bach-Archiv Leipzig ausgehändigten Werke namentlich benannte, war als Anlage 1 eine Auflistung der aus der Stadtbibliothek Leipzig übergebenen 199 Exemplare beigefügt. Zur Begründung wird in dem Schreiben u.a. ausgeführt, die in der Anlage 1 aufgeführten Objekte bildeten gemeinsam mit den Bach-Materialien das Herzstück der ehemaligen Musikbibliothek Peters. Die aus zahlreichen Autographen, Erstdrucken und frühen Abschriften bestehende Sammlung biete einen repräsentativen Zimelien-Querschnitt durch die europäische und speziell deutsche Musikgeschichte, dessen Bedeutung weit über die Stadt Leipzig hinausreiche. Die Musikbibliothek Peters habe in den 20er und 30er Jahren ihren internationalen Ruf durch diese Handschriften begründet und vielfach auf ihre einen Zeitraum von 500 Jahren umspannende Sammlung hingewiesen.

Die Klägervertreter erhoben unter Hinweis auf die Geschichte der Familie Hinrichsen Bedenken gegen die Vorgehensweise der Senatsverwaltung. Die überlebenden Mitglieder der Familie Hinrichsen stünden mittlerweile in hohem Alter und seien dringend auf den verkehrswertgerechten Erlös der Gegenstände angewiesen.

Die Senatsverwaltung machte die Einleitung des Eintragungsverfahrens im Amtsblatt für Berlin vom 19. August 2005 (S. 3014) und im Bundesanzeiger vom 30. August 2005 (Nr. 163, S. 13149) öffentlich bekannt.

Die Klägerin zu 1. hat am 24. August 2005 Anfechtungsklage gegen die Einleitung des Eintragungsverfahrens erhoben.

Im August/September 2005 schloss die Edition Peters GmbH Leipzig mit Frau C. H., Frau M., Herrn H., Frau E. (Klägerin zu 2.), Herrn H. (Kläger zu 3.) und Frau E. (Klägerin zu 4.) („Hinrichsen-Erben“) eine Vereinbarung, wonach die Musikbibliothek Peters mit all ihren Bestandteilen, wie sie sich zur Zeit (der Vereinbarung) im wesentlichen in der Stadtbibliothek Leipzig und zu einem geringeren Teil im Lager der Kunstspedition Hasenkamp in Berlin befänden, auf die Hinrichsen-Erben übertragen wurde. Die Hasenkamp Internationale Transporte GmbH erklärte mit an die Prozessbevollmächtigten der Kläger gerichtetem Schreiben vom 24. November 2005, dass die im Lager der Spedition vorhandenen Teile der Musikbibliothek ausschließlich mit Zustimmung aller im Vertrag genannten Erben zur Verfügung gestellt würden.

Der Sachverständigen-Ausschuss für Kulturgut des Landes Berlin schloss sich in der Sitzung vom 18. Januar 2006 der Auffassung des im März 2005 mit der Eintragung der Musikbibliothek Peters in das Landesverzeichnis Sachsens befassten sächsischen Ausschusses an, dass es sich bei der Musikbibliothek Peters um national wertvolles Kulturgut handle, und erteilte die Zustimmung zur endgültigen Eintragung in das Berliner Landesverzeichnis. Mit an die Klägervertreter gerichtetem Schreiben vom 14. Februar 2006 teilte die Senatsverwaltung mit, dass die im Bescheid vom 25.(gemeint 26.) August 2004 aufgeführten Teile der Sammlung nunmehr endgültig in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ eingetragen würden. Die Bekanntmachung der Eintragung erfolgte im Amtsblatt für Berlin vom 24. Februar 2006 (ABl. S. 719) und im Bundesanzeiger vom 9. März 2006 (S. 1539) mit folgenden Angaben:

„Bibliotheksgut, 16.-20.Jahrhundert, Musikbibliothek Peters (Handschriften, Autographe, Erst- und Frühdrucke, Manuskripte von Komponisten); Papier, ca. 204 Medieneinheiten“.

Gegen die endgültige Eintragung haben die Kläger zu 2. bis 4. am 6. April 2006 Klage erhoben (VG 1 A 83.06). Die Kammer hat beide Verfahren mit Beschluss vom 29. Mai 2005 zum Aktenzeichen VG 1 A 162.05 verbunden.

Die Kläger tragen zur Begründung der Klagen vor: Das Kulturgutschutzgesetz sei bei einer Restitution aufgrund des Vermögensgesetzes nicht anwendbar. Insbesondere bei jüdischen Anspruchsinhabern liefe die Anwendung des Gesetzes auf eine dritte Enteignung nach den nationalsozialistischen und den kommunistischen Enteignungen hinaus. Vor dem Hintergrund des Schicksals der Familie Hinrichsen könne das Ausfuhrverbot nach dem Kulturgutschutzgesetz nur als Fortsetzung der seit 1938 laufenden Maßnahmen auf scheinbar „neuer gesetzlicher Grundlage“ verstanden werden. Zweck der Vorschrift des § 1 Abs. 6 des Gesetzes zur Regelung offener Vermögensfragen (VermG), die auf völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik beruhe, sei eine dauerhafte nachhaltige und von keinen Beschränkungen beeinflusste Wiedergutmachung der während der NS-Zeit erlittenen Vermögensverluste. Durch das Ausfuhrverbot werde den Berechtigten die gerade erst zurückerlangte Verfügungsmacht, die auch den maßgebenden wertbildenden Faktor der restituierten Gegenstände am Weltmarkt bilde, wieder entzogen. Der Wert der restituierten Stücke werde um wenigstens 50 % gegenüber den Weltmarktpreisen reduziert. Da keiner der Berechtigten mehr in Deutschland lebe, sei auch keiner in der Lage, die restituierten Stücke persönlich an sich zu nehmen. Diese Eigentumsbeschränkung durch das Kulturgutschutzgesetz stehe in diametralem Widerspruch zu den Grundsätzen der Washingtoner Konferenz über Holocaust-Vermögen vom 3. Dezember 1998 und der in Umsetzung der Washingtoner Grundsätze ergangenen gemeinsamen Erklärung der Bundesregierung, der Bundesländer und der kommunalen Spitzenverbände vom Dezember 1999. Den Interessen der Holocaust-Geschädigten sei eindeutig der Vorrang einzuräumen vor den Interessen der Öffentlichkeit an einer Aufbewahrung in Deutschland. So sei offenkundig auch im Fall der Restitution des Kirchner-Bildes „Berliner Straßenszene“ verfahren worden. Dagegen werde das Gesetz im konkreten Fall als Vorwand missbraucht, nachdem es der Stadt Leipzig nicht gelungen sei, die Restitution zu vereiteln. Ferner könne die Sozialbindung des Eigentums nicht die Enteignung von Holocaust-Opfern tragen. Der vermögensrechtliche Grundsatz der „Rückgabe vor Entschädigung“ stehe einer Abfederung des Eingriffs durch eine Ausgleichs- oder Entschädigungsleistung entgegen. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Verfahren VG 1 A 162.05 sei die Klägerin zu 1. auch als Adressatin der belastenden Verfügungen des Beklagten aktivlegitimiert gewesen. Diese Aktivlegitimation bestehe nach §§ 172 VwGO, 265 ZPO fort. Aufgrund des Restitutionsbescheides vom 1. September 1993 sei allein die Edition Peters Leipzig GmbH Eigentümerin der Musikbibliothek Peters gewesen. Frau Evelyn Hinrichsen habe lediglich die Geschäftsanteile im Wege der Rückübertragung erhalten. Die Edition Peters Leipzig GmbH habe daher im Jahre 2005 durch ihre Geschäftsführer handelnd zugunsten der Hinrichsen Erben über die Bibliothek verfügen können.

Die Kläger beantragen,den Bescheid der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Kultur vom 26. August 2004 aufzuheben,
hilfsweise,den Beklagten zu verurteilen, das Verfahren betreffend die in Berlin lagernden Bestände der Musikbibliothek Peters einzustellen.

Die Kläger zu 2. bis 4. beantragen zusätzlich,
die Eintragung der in Berlin lagernden Bestände der Musikbibliothek Peters vom 14. Februar 2006 in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes aufzuheben.

Der Beklagte beantragt, die Klagen abzuweisen.

Der Beklagte stellt die Aktivlegitimation der Kläger in Frage, da nicht alle „Hinrichsen-Erben“ Klage erhoben hätten. Das Eigentumsrecht, auf das sich die Kläger beriefen, stehe den Erben nur gemeinschaftlich zu. Im Übrigen habe C. wie die anderen überlebenden Kinder von Dr. Henri Hinrichsen ihr Erbe nach Henri Hinrichsen zugunsten von W., dessen alleinige Erbin E. war, ausgeschlagen. Nach dem Tod von E. seien M. und H. die alleinigen Erben.

Die Eintragung der Musikbibliothek Peters in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes sei rechtmäßig. Sie sei unter Berücksichtigung der Empfehlung der Kultusministerkonferenz vom 22. April 2004 auf der Grundlage der fachlichen Stellungnahmen des Bach-Archivs Leipzig und des Sachverständigenausschusses vom 18. Januar 2006 erfolgt. Die Kläger hätten zu keinem Zeitpunkt bestritten, dass es sich im vorliegenden Fall um national wertvolles Kulturgut handle. Bei Abschluss der 1998 geschlossenen (Dauer-)Leihverträge hätte der Verlag selbst die Bedeutung der Bestände der Bibliothek für den deutschen Kulturbesitz anerkannt. Lägen die Eintragungsvoraussetzungen vor, sei die oberste Landesbehörde ohne Ermessensspielraum zur Eintragung verpflichtet. Das Kulturgutschutzgesetz finde auch im vorliegenden Fall Anwendung. Weder die Washingtoner Grundsätze vom 3. Dezember 1998, noch die „Gemeinsame Erklärung“ enthielten Empfehlungen zu der Frage, wie nach erfolgter Restitution mit national wertvollem Kulturgut umzugehen sei. Die Rückgabe der Musikbibliothek Peters sei nicht auf der Grundlage der Washingtoner Erklärung, sondern bereits 1993 auf der Grundlage des Vermögensgesetzes erfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Streitakte, den Inhalt der vom Beklagten vorgelegten Vorgänge (3 Bände) und den vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgang des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen der Stadt Leipzig – B 4-4-10760/RN 15 779 – verwiesen, die ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe

Die von der Klägerin zu 1. gegen die Einleitung des Eintragungsverfahrens erhobene Klage ist mangels Klagebefugnis unzulässig (A.I.). Soweit sich auch die Kläger zu 2. und 4. nach gemäß § 91 Abs. 1 VwGO zulässiger Klageerweiterung in der mündlichen Verhandlung gegen die Einleitung des Verfahrens nach dem Kulturgutschutzgesetz (i.d.Fassung der Bekanntmachung vom 8. Juli 1999, BGBl. I S.1754) wenden, ist die mit dem Hauptantrag als Anfechtungsklage erhobene Klage unzulässig (A.II.). Die hilfsweise von den Klägern zu 2. bis 4. erhobene Leistungsklage ist zulässig aber nicht begründet (A.III.). Die gegen die Eintragung der in Berlin befindlichen Teile der Musikbibliothek Peters gerichtete Anfechtungsklage der Kläger zu 2. bis 4. hat Erfolg (B.).

A.
I.
Die Klägerin zu 1. ist nicht im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO, der auch auf die hilfsweise erhobene Leistungsklage analoge Anwendung findet, klagebefugt. Die Klägerin zu 1. war schon im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht aus eigenem Recht befugt, über die Musikbibliothek Peters zu verfügen. Aus der Anwendung des Kulturgutschutzgesetzes folgende Verfügungsbeschränkungen konnten und können sie daher nicht in eigenen Rechten verletzen. Wurde die Musikbibliothek Peters mit Restitutionsbescheid vom 1. September 1993 als zum Betriebsvermögen der Edition Peters GmbH i. L. Leipzig gehörend rückübertragen, stand sie im Eigentum dieser als eigene juristische Person fortbestehenden Gesellschaft. Der Erwerb sämtlicher Geschäftsanteile an der Edition Peters GmbH Leipzig durch die Klägerin zu 1. führte nicht zum Übergang des Eigentums an der Musikbibliothek Peters aus dem Betriebsvermögen der Edition Peters GmbH Leipzig auf die Klägerin zu 1. Entsprechend wurde auch die Vereinbarung über die Übertragung der Musikbibliothek Peters auf die sog. „Hinrichsen-Erben“ vom August/September 2005 von der Edition Peters Leipzig GmbH abgeschlossen. Unerheblich ist, auf welcher Grundlage die Klägerin zu 1. im Jahr 1998 unter anderem den Leihvertrag mit der Stadtverwaltung Leipzig im eigenen Namen abschließen konnte. Eine im vorliegenden Verfahren relevante Rechtsposition erwächst ihr, zumal nach der Kündigung des Vertrages in Bezug auf die in Berlin befindlichen Materialien, hieraus nicht.

Die Klägerin zu 1. ist auch nicht als Adressatin eines die Einleitung des Eintragungsverfahrens verfügenden belastenden Verwaltungsaktes klagebefugt. Die Mitteilung der Senatsverwaltung vom 26. August 2004 über die Einleitung des Verfahrens zur Eintragung der in Berlin befindlichen Dokumente in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ ist kein Verwaltungsakt. Mit der Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens hat die Senatsverwaltung keine Regelung mit Außenwirkung im Sinne des § 35 VwVfG getroffen. Gegenstand der Entscheidung war allein die Einleitung eines Verfahrens mit dem Ziel der Regelung (Eintragung bzw. Nichteintragung). Zwar besteht mit der Einleitungsentscheidung nach § 4 Abs. 1 KuSchG bis zur bestandskräftigen Entscheidung über die Eintragung ein absolutes Ausfuhrverbot. Diese Wirkung tritt aber kraft Gesetzes ein und ist gerade nicht Gegenstand der behördlichen Entscheidung (vgl. VGH München, Beschluss vom 5. Februar 1988, NVwZ 1988, 743).

A.II. Da die Entscheidung über die Einleitung des Eintragungsverfahrens kein Verwaltungsakt ist, ist die mit dem Hauptantrag hiergegen gerichtete Anfechtungsklage der Kläger zu 2. bis 4. nicht statthaft.

A.III. Zulässig ist die auf die Einstellung des Verfahrens gerichtete allgemeine Leistungsklage der Kläger zu 2. bis 4. Diese sind im Sinne des analoge Anwendung findenden § 42 Abs. 2 VwGO jeder für sich als (Mit-)eigentümer der streitgegenständlichen, in Berlin befindlichen Materialien der Musikbibliothek Peters klagebefugt, ohne dass es der Mitwirkung der übrigen Miteigentümer bedarf. Die Klagebefugnis folgt aus der (mittelbaren) Beeinträchtigung des eigenen Miteigentumsanteils durch die Einschränkung der Verfügungsfreiheit der Eigentümer infolge von Maßnahmen nach dem Kulturgutschutzgesetz. Offen bleiben kann, ob § 1011 BGB auf öffentlich-rechtliche Abwehrprozesse Anwendung findet (so OVG Berlin, Urteil vom 3. Oktober 1975, BauR 1976, 191; OVG Münster, Urteil vom 12. Dezember 1991, WoM 1992, 551; zweifelnd Münchner-Kommentar zum BGB, § 1001 Rn. 2, Fußnote 22), da dessen Heranziehung zu keinem anderen Ergebnis führen würde.

Entgegen der insoweit zum Teil missverständlichen Darstellung der Beteiligten hat nicht eine aus den Klägern sowie Frau C. H., Frau M. H. und Herrn H. H. bestehende Erbengemeinschaft nach Dr. Henri Hinrichsen das Eigentum an der Musikbibliothek Peters inne. Eine solche Erbengemeinschaft kann nicht bestehen, nachdem unter anderem auch die Mutter der Kläger, Frau C. S., zugunsten des Bruders Walter Hinrichsen in den 1940er Jahren das Erbe nach ihrem Vater ausgeschlagen hatte. Alleinerbe nach Dr. Henri Hinrichsen war infolge der Erbausschlagungen Herr Walther Hinrichsen. Nach dessen Tod im Jahre 1969 war seine Ehefrau hinsichtlich der Hälfte seines Nachlasses Vollerbin und hinsichtlich der weiteren Hälfte Vorerbin vor den gemeinsamen Kindern H. und M. Hinrichsen. Entsprechend wurden mit Restitutionsbescheid des sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 1. September 1993 die Geschäftsanteile an der als Rechtsnachfolgerin der im Jahr 1939 von den Nationalsozialisten aufgelösten C.F.Peters OHG bestehenden Edition Peters GmbH i. L. auf der Grundlage von § 1 Abs. 6 VermG allein auf Frau Evelyn Hinrichsen (rück-) übertragen.

Die Kläger sind im Wege des rechtsgeschäftlichen Erwerbes der Musikbibliothek Peters von der Edition Peters GmbH Leipzig mit Frau C. H., Frau M. H. und Herrn H. H. Eigentümer der einzelnen Materialien der Bibliothek geworden. Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob die Musikbibliothek Peters als Bestandteil des Betriebsvermögens der Edition Peters GmbH im Jahr 1993 mit rückübertragen worden war. Zweifel bestehen insoweit, als laut eines seitens der VEB Edition Peters Leipzig und dem Rat der Stadt Leipzig am 1. August 1963 unterzeichneten Übergabeprotokolls der Bestand der Musikbibliothek Peters dem Rat der Stadt Leipzig im Jahre 1954 „als Eigentum übergeben“ worden sein soll. Da die Unternehmensrestitution sich grundsätzlich nur auf die Vermögensgegenstände erstreckt, die im Zeitpunkt der Rückgabe zum Unternehmensvermögen gehören, liegt es bei dieser Sachlage nicht auf der Hand, dass auch die Rückübertragung der Musikbibliothek bereits mit dem allein auf § 1 Abs. 6 VermG beruhenden und nicht auch auf § 3 Abs.1 Satz 4 VermG, der die Einzelrestitution „weg geschwommener“ Vermögensgegenstände ermöglicht, Bezug nehmenden Restitutionsbescheid erfolgte. Erst die vom Sächsischen Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen nach Erlass des Restitutionsbescheides abgegebene Stellungnahme bringt unmissverständlich die Auffassung der Restitutionsbehörde zum Ausdruck, dass die Musikbibliothek Peters von der Unternehmensrestitution nach § 1 Abs. 6 VermG erfasst war. Aber selbst wenn die Musikbibliothek nicht im Zuge der Restitution Bestandteil des Betriebsvermögens der Edition Peters Leipzig GmbH geworden sein sollte, haben die Kläger mit den oben genannten weiteren Nachkommen Dr. Henri Hinrichsens jedenfalls im Wege des gutgläubigen Erwerbs nach §§ 931, 934 BGB das Eigentum an den bei der Spedition Hasenkamp in Berlin aufbewahrten Teilen der Musikbibliothek erlangt. Mit § 2 des Vertrages vom August/September 2005 haben sich die genannten Erwerber mit der Edition Peters GmbH Leipzig über den Eigentumsübergang an der Musikbibliothek Peters geeinigt. Aufgrund der Erklärungen des Sächsischen Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen und der Bestätigung seitens des Bundesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 28. April 2004 konnte auch der die hiesigen Kläger bei Abschluss des Übertragungsvertrages vertretende Prozessbevollmächtigte Rechtsanwalt Dr. Haag, auf dessen Kenntnis nach § 166 Abs. 1 BGB für die Begründung guten Glaubens abzustellen ist, ohne grobe Fahrlässigkeit davon ausgehen, dass die Edition Peters GmbH Leipzig Eigentümerin der Musikbibliothek war. Die insoweit Zweifel weckenden Formulierungen in der Präambel des Übertragungsvertrages hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger mit dem Hinweis auf steuerrechtliche Zweifelsfragen für die Kammer plausibel entkräftet. Mit der durch das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben der Spedition Hasenkamp vom 24. November 2005 nachgewiesenen wirksamen Abtretung der Herausgabeansprüche gegen die Spedition Hasenkamp auf die Erwerber sind diese daher Eigentümer jedenfalls der in Berlin befindlichen Materialien geworden.

§ 44 a Satz 1 VwGO, wonach Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden können, steht der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Zwar ist die Einleitung des Eintragungsverfahrens wie oben dargelegt kein Verwaltungsakt, sondern behördliche Verfahrenshandlung mit dem Ziel einer Sachentscheidung, die auch nicht im Sinne des § 44 a Satz 2 VwGO vollstreckt werden kann, so dass die dort normierte Ausnahme von § 44 a Satz 1 VwGO nicht unmittelbar einschlägig ist. Da mit der Einleitungsentscheidung kraft Gesetzes ein absolutes Ausfuhrverbot besteht, das den über das einzutragende Kulturgut Verfügungsberechtigten während der Dauer des Verfahrens stärker belastet als die Wirkung der Eintragung selbst (Ausfuhrverbot mit Genehmigungsvorbehalt, § 1 Abs. 4 Satz 1 Kulturgutschutzgesetz), gebietet die verfassungsrechtliche Garantie eines effektiven Rechtsschutzes durch Art. 19 Abs. 4 GG im vorliegenden Fall jedoch die analoge Anwendung des § 44 a Satz 2 VwGO (vgl. Kopp, VwGO, 13. Auflage, § 44 a, Rdn. 8 m.w.N ).

Die gegen die Einleitung des Eintragungsverfahrens gerichtete Klage hat sich nicht durch die Entscheidung der Senatsverwaltung über die Eintragung erledigt, da das an die Einleitung des Verfahrens anknüpfende Ausfuhrverbot nach § 4 Abs. 1 Kulturgutschutzgesetz bestehen bleibt, bis die Entscheidung über die Eintragung unanfechtbar geworden ist.

Die Klage ist aber nicht begründet.

Das Kulturgutschutzgesetz, das Kulturgüter losgelöst von der Person des jeweiligen Eigentümers und ungeachtet der konkreten Eigentumsverhältnisse, die von der Unterschutzstellung unberührt bleiben, allein wegen ihrer besonderen Bedeutung für den deutschen Kulturbesitz vor Abwanderung schützen will, findet auch dann Anwendung, wenn das Kulturgut zur Wiedergutmachung seiner Entziehung durch die Nationalsozialisten nach § 1 Abs. 6 VermG an die berechtigten Nachfahren der verfolgten jüdischen Eigentümer restituiert wurde. Dem stehen weder höherrangiges Recht noch das Vermögensgesetz selbst entgegen.

Völkerrechtliche Verträge, die die Anwendung des Kulturgutschutzgesetzes in Fällen der vorliegenden Art ausschließen, bestehen nicht.

Die von den Klägervertretern in Bezug genommene „Washingtoner Erklärung vom 3. Dezember 1998″ ist kein völkerrechtlicher Vertrag, sondern eine rechtlich nicht bindende Erklärung der Teilnehmer der am 3. Dezember 1998 in Washington stattgefundenen Konferenz über Holocaustvermögen. Die Bundesregierung hat in dieser Erklärung die Bereitschaft erklärt, auf der Basis der ausdrücklich nicht bindenden auf der Konferenz verabschiedeten Grundsätze nach Maßgabe ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nach weiterem NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut zu suchen und die notwendigen Schritte zu unternehmen, gerechte und faire Lösungen beim Wiederauftauchen entsprechender Kulturgüter zu finden. Entsprechend entfaltet auch die im Nachgang zur Washingtoner Erklärung abgegebene „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände“ vom Dezember 1999, die keine Rechtsnorm darstellt, keine rechtliche Bindung. Die Erklärungen können daher nur dort Wirkung entfalten, wo die gesetzlichen Regelungen den handelnden Behörden einen Entscheidungsspielraum lassen. Während Kulturgut, das die Schutzvoraussetzungen erfüllt, nach dem Wortlaut des Gesetzes einzutragen ist, ohne dass der zuständigen Behörde hierüber ein Ermessen eingeräumt wäre, besteht im Anwendungsbereich des Kulturgutschutzgesetzes ein solcher Entscheidungsspielraum bei der Entscheidung des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien über die Genehmigung der Ausfuhr nach §§ 1 Abs. 4, 5 Kulturgutschutzgesetz. Bei der Abwägung der Umstände des Einzelfalls ist zu berücksichtigen, dass schützenswertes Kulturgut den ursprünglichen Eigentümern von den Nationalsozialisten in menschenrechtswidriger Weise entzogen wurde. Besonders vor diesem Hintergrund dürfte auch wirtschaftlichen Interessen der Nachkommen, an die das entzogene Kulturgut restituiert wurde, gegenüber den Belangen des deutschen Kulturbesitzes Gewicht zukommen.

Die Ausfuhrbeschränkungen vorsehenden Regelungen des Kulturgutschutzgesetzes stehen im Einklang mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) vom 7. Februar 1992 (ABl. Nr. C 340/1, ber. BGBl. 1999 II S.416). Zwar verbieten die Art. 28 und 29 EGV mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbestimmungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten. Gemäß Art. 30 EGV stehen die Bestimmungen der Artikel 28 und 29 aber unter anderem Ausfuhrbeschränkungen nicht entgegen, die zum Schutze des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischen Wert gerechtfertigt sind, sofern das Verbot oder die Beschränkung weder ein Mittel willkürlicher Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellt. Dies ist beim Kulturgutschutzgesetz, das sich nur auf national wertvolles Kulturgut bzw. auf das für den deutschen Kulturbesitz wesentliche Kulturgut beschränkt, ersichtlich nicht der Fall (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993, DVBl. 1993, 1099, 1100).

Das Kulturgutschutzgesetz verstößt auch nicht gegen das Grundgesetz. Das Ziel, den deutschen Kulturbesitz gegen Abwanderung zu schützen, wird in Artikel 75 Nr. 6 GG (Art. 74 Nr. 5 GG a.F.) verfassungsrechtlich legitimiert. Die mit der Unterschutzstellung verbundenen Einschränkungen der Verfügungsbefugnis des Eigentümers des Kulturgutes stellen Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG dar und sind als solche nicht zu beanstanden (BVerwG, Urteil vom 27. Mai 1993, a.a.O.; Urteil der Kammer vom 9. Februar 1994 – VG 1 A 29.92 ). Der mit der Eintragung in Kraft tretende Genehmigungsvorbehalt für die Ausfuhr des Kulturgutes in das Ausland führt nicht zu einer übermäßigen Belastung des Eigentümers. Seine Möglichkeit, die eingetragenen Gegenstände wirtschaftlich zu nutzen, bleibt grundsätzlich erhalten. Soweit diese Möglichkeit im Falle der Verweigerung der Genehmigung, die nach Auffassung der Kammer in Bezug auf restituiertes, ursprünglich von den Nationalsozialisten entzogenes Kulturgut gewichtiger Gründe bedarf, geschmälert wird, trägt das Kulturgutschutzgesetz dem Rechnung, in dem die Behörde dann, wenn der Eigentümer infolge einer wirtschaftlichen Notlage zum Verkauf gezwungen ist, nach § 8 KuSchG auf einen „billigen Ausgleich“ hinzuwirken hat. Das Interesse des Eigentümers, durch die Veräußerung im Ausland einen höheren Preis zu erzielen, unterfällt nicht dem Schutzbereich des Art. 14 GG; Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums. Hoheitlich bewirkte Minderungen des Tausch- oder Marktwertes eines Eigentumsgutes berühren daher in der Regel nicht das Eigentumsgrundrecht (BVerfG, Beschluss vom 5. Februar 2002 – 2 BvR 305, 348/93 – BVerfGE 105, 17, 30).

Das Vermögensgesetz enthält keine Einschränkung des Anwendungsbereichs des Kulturgutschutzgesetzes. Die Unterschutzstellung nach § 1 Abs. 6 VermG restituierter Kulturgüter, steht – wie bereits ausgeführt – nicht in unvereinbarem Widerspruch zu dem gesetzgeberischen Ziel einer möglichst umfassenden Restitution; insbesondere lässt die Eintragung restituierten Kulturgutes die Wiedergutmachung nicht ins Leere gehen. Im Übrigen beinhaltet das Vermögensgesetz selbst auch die Restitution nach § 1 Abs. 6 VermG ausschließende Tatbestände, ohne hierdurch gegen höherrangiges Recht zu verstoßen (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18. Mai 1995 – 7 C 19/94 -, BVerwGE 98, 261). So ist nach § 5 VermG eine Restitution an Grundstücken und Gebäuden dann ausgeschlossen, wenn die Aufrechterhaltung bestimmter tatsächlicher oder rechtlicher Veränderungen in der Nutzung von entzogenen Gebäuden, die nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten rückgängig gemacht werden könnten, im öffentlichen Interesse geboten ist.

Die Senatsverwaltung durfte das Verfahren nach dem Kulturgutschutzgesetz für die in Berlin befindlichen Dokumente der Musikbibliothek Peters einleiten. Die damalige Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Berlin war als oberste Landesbehörde nach § 2 Abs. 1 KuSchG, Nr. 17 ZustKatAZG Berlin funktionell und gemäß § 1 Abs. 1 KuSchG auch örtlich und sachlich für die Durchführung des Verfahrens zuständig. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KuSchG werden Kunstwerke und anderes Kulturgut – einschließlich Bibliotheksgut -, deren Abwanderung aus dem Geltungsbereich des Gesetzes einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde, in dem Land in ein „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ eingetragen, in dem sie sich bei Inkrafttreten des Gesetzes befinden. Die letztgenannte Formulierung bringt die Erwartung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass eine Eintragung den Behörden bekannt gewordenen wertvollen Kulturgutes zeitnah und nicht erst dann erfolgt, wenn die Abwanderung droht, sie ist aber nicht in dem Sinne zu verstehen, dass die Kulturgüter, die sich 1955 in einem Bundesland befanden, ungeachtet späterer Ortswechsel dort einzutragen wären (vgl. Urteil der Kammer vom 10. Januar 1990 – VG 1 A 1645.87). Für die Eintragung der nach Berlin verbrachten Bestände war nicht mehr das Land Sachsen zuständig, da auch die Eintragung der Musikbibliothek Peters als zu schützende Gesamtheit nicht mehr die nach Berlin verbrachten Werke erfassen würde. Diese gehören nach der Herausnahme aus dem Leipziger Bestand zu nicht nur vorübergehenden Zwecken nach dem Willen der Eigentümer nicht mehr zur Gesamtheit „Musikbibliothek Peters“, weil der Erwerb der Musikbibliothek einschließlich des in Berlin befindlichen Bestandes durch die Stadt Leipzig eine, aber nicht die einzige Option für das weitere Schicksal der Bibliothek ist.

Die Einleitung des Eintragungsverfahrens ist formell und materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Eine gemessen an den Vorgaben des Verwaltungsverfahrensgesetzes ordnungsgemäße Bekanntgabe der Einleitungsentscheidung (§ 41 VwVfG) ist – da es sich bei der Entscheidung über die Einleitung des Verfahrens nicht um einen Verwaltungsakt handelt – nicht Wirksamkeitsvoraussetzung. Es genügt, dass die Kläger über ihre von der Senatsverwaltung angeschriebenen Bevollmächtigten von der Einleitung des Verfahrens und der von dieser erfassten Gegenstände Kenntnis erlangt haben.

Die Einleitung des Verfahrens ist materiell gerechtfertigt, wenn gewichtige Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die Eintragungsvoraussetzungen vorliegen bzw. die Auffassung, dass die einzutragenden Gegenstände unter den Schutz des Gesetzes fallen könnten, nicht abwegig ist (vgl. Bernstorff / Kleine-Tebbe, Kulturgutschutz in Deutschland, § 3 Rdnr.6). Bei den streitgegenständlichen zum Teil mehrere Jahrhunderte alten Handschriften bzw. Autographen bedeutender Komponisten und Erstausgaben, Briefen bedeutender Persönlichkeiten und Werken der darstellenden Kunst sprechen – dem sind auch die Kläger nicht ansatzweise entgegengetreten – gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass es sich um Kulturgut im Sinne des § 1 Abs. 1 KuSchG handelt, dessen Abwanderung aus dem Geltungsbereich des Gesetzes einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz bedeuten würde.

B.

Die gegen die Entscheidung über die Eintragung der in Berlin befindlichen Teile der Musikbibliothek Peters als national wertvolles Kulturgut gerichtete Anfechtungsklage der Kläger zu 2. bis 4. ist zulässig und begründet.

Die Anfechtungsklage ist statthaft. Die Entscheidung über die Eintragung ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG (vgl. Pieroth/Kampmann, Außenhandelsbeschränkungen für Kunstgegenstände, NJW 1990, 1385, 1388). Sie ist insoweit ein belastender Verwaltungsakt, als die Eintragung des Kulturguts in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturguts“ dieses mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen einem Ausfuhrverbot mit Genehmigungsvorbehalt unterwirft (BayVGH, Urteil vom 4. Dezember 1991, NJW 1992, 2584).

Die Kläger zu 2. bis 4. sind als von der an die Eintragung anknüpfenden Ausfuhrbeschränkung betroffene Miteigentümer klagebefugt.

Die Klage ist begründet. Der Bescheid vom 14. Februar 2006 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Offen bleiben kann, ob der Bescheid vom 14. Februar 2006 bereits deswegen rechtswidrig ist, weil er – lediglich an die Verfahrensbevollmächtigten gerichtet – den Adressaten offen lässt und damit nicht hinreichend bestimmt im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfGBln i.V.m. § 37 VwVfG ist. Da die Eintragung konstitutive Wirkung hat und unabhängig von der Bekanntgabe der Entscheidung über die Eintragung an den bzw. die aktuell Ausfuhrberechtigten gegen jedermann wirkt, verletzt die Eintragungsentscheidung die Kläger auch dann in ihren Rechten, wenn sie nicht Adressaten des Bescheides vom 14. Februar 2006 waren (vgl. VG Hannover, Urt. vom 9. Juni 1989, NVwZ-RR 1991, 643). Jedenfalls geht die Entscheidung der Senatsverwaltung vom 14. Februar 2006 über die Eintragung ins Leere, da eine Eintragung nicht erfolgt ist und nach der bislang vom Beklagten vertretenen Rechtsauffassung auch nicht mehr erfolgen soll. Der Bescheid ist daher zur Beseitigung des mit ihm gesetzten Rechtsscheins aufzuheben.

Nicht die Entscheidung über die Eintragung, sondern die Eintragung in das Verzeichnis ist Ziel des Eintragungsverfahrens. Denn die im Gesetz bestimmten Wirkungen setzen nicht bereits mit der Entscheidung über die Eintragung, sondern erst mit der Eintragung in ein Landesverzeichnis ein (BT-Drs. 2/76, Anlage 1, Seite 7). Eine Eintragung in das Landesverzeichnis ist im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung des Beklagten nicht erfolgt. Nach dem unmissverständlich in den §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 und 6 Abs. 2 KuSchG zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers haben die Länder ein Verzeichnis der unter Schutz gestellten Kulturgüter zu erstellen und zu führen. Wie dieses Verzeichnis im Einzelnen auszusehen hat, schreibt das Gesetz nicht vor. Es muss aber als gesondertes, auch von Dritten einsehbares, (sei es als elektronische Datei) verkörpertes, in sich geschlossenes Verzeichnis geführt werden. Dies folgt bereits aus dem Wortsinn „Verzeichnis“ und findet seinen Grund in der konstitutiven Wirkung der Eintragung, die sich gegen jeden potentiellen Ausfuhrberechtigten richtet (vgl. Urteil der Kammer vom 9. Februar 1994 – VG 1 A 29.92 -; VG Hannover, Urteil vom 9. Juni 1989, NVwZ-RR 91, 643) . Ein gegen jedermann gerichtetes, nach § 16 KuSchG strafbewehrtes Ausfuhrverbot setzt für seine Wirksamkeit die Publizität der Eintragung voraus. So wie der Erwerb dinglicher Rechte an einem Grundstück die Eintragung im Grundbuch voraussetzt, kann sich der Staat nur dann auf die Wirkung der Unterschutzstellung nach dem Kulturgutschutzgesetz berufen, wenn diese durch Eintragung in ein entsprechendes Verzeichnis publik gemacht worden ist. Wie die Beklagtenvertreterin in der mündlichen Verhandlung dargelegt hat, existiert ein gesondert geführtes „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ in Berlin nicht, in das „im Vollzug“ der Eintragungsentscheidung die betreffenden Kulturgüter eingetragen werden. Die bei der Senatsverwaltung vorhandenen Verwaltungsvorgänge zu den einzelnen Eintragungsentscheidungen stellen offenkundig kein „Verzeichnis“ im geforderten Sinne dar. Die Erstellung des Gesamtverzeichnisses der Länder nach § 6 Abs. 2 KuSchG durch den Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien bzw. die Erstellung der Länderverzeichnisse für dieses Gesamtverzeichnis im Abstand mehrerer Jahre – die letzte Aktualisierung des Gesamtverzeichnisses fand 1999 statt – wird den gesetzlichen Anforderungen an gesondert und aktuell geführte Länderverzeichnisse nicht gerecht. Eine als gesonderte Unterlage geführte Sammlung der öffentlichen Bekanntmachungen der Eintragung von Kulturgütern kann zwar diesen Anforderungen entsprechen, existiert in Berlin aber ebenfalls nicht. Eine „virtuelle Sammlung der Bekanntmachungen“ – so die Verwaltungspraxis des Beklagten – erfüllt die gesetzlichen Anforderungen an ein einsehbares Verzeichnis mit Publizitätsfunktion jedenfalls nicht. Selbst wenn die öffentliche Bekanntmachung bei großzügiger Auslegung des Kulturgutschutzgesetzes als der Eintragung in ein Verzeichnis gleichwertig anzusehen wäre, entspräche die öffentliche Bekanntmachung der Eintragung im vorliegenden Fall nicht den Anforderungen des § 1 VwVfGBln i.V.m. § 37 Abs. 1 VwVfG an eine hinreichend bestimmte Bezeichnung des eingetragenen Kulturguts. Aus den Angaben „Bibliotheksgut, 16.-20.Jahrhundert, Musikbibliothek Peters (Handschriften, Autographe, Erst- und Frühdrucke, Manuskripte von Komponisten); Papier, ca. 204 Medieneinheiten“ ist – abgesehen davon, dass die Zahl 204 unzutreffend ist (richtig: 206 ) – nicht ersichtlich und auch nicht ohne weiteres bestimmbar, welche Dokumente der Musikbibliothek Peters durch die Eintragung in Berlin unter Schutz gestellt sein sollen. Während in Sachsen die Eintragung der Musikbibliothek Peters als insgesamt zu schützende Sammlung möglich sein dürfte, stellen die nach Berlin verbrachten Materialien keine als solche zu schützende Sammlung dar. Vielmehr handelt es sich um ein Konvolut aus einer Sammlung herausgelöster Einzeldokumente. Diese müssen jedes für sich so präzise bezeichnet werden, dass ihre Identifizierung möglich ist.

Die Kammer weist darauf hin, dass das Ausfuhrverbot gemäß § 4 Abs. 1 KuSchG fortbesteht. Der Beklagte kann eine erneute Eintragungsentscheidung unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben treffen. Dies sollte wegen der Einschränkung der Verfügungsberechtigten durch das absolute Ausfuhrverbot zeitnah geschehen. Bei der Begründung der Eintragungsentscheidung wird der Beklagte zu beachten haben, dass nicht eine in sich geschlossene Sammlung, sondern Einzeldokumente zur Eintragung stehen, die jedes für sich auf die Eigenschaft als Kulturgut, dessen Abwanderung einen wesentlichen Verlust für den deutschen Kulturbesitz im Sinne des § 1 Abs. 1 KuSchG bedeuten würde, zu überprüfen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO:

Die Kammer hat die Berufung nach § 124 Abs. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen, zumal die zur Entscheidung stehenden Fragen der Auslegung des Kulturgutschutzgesetzes die langjährige Verwaltungspraxis des Beklagten betreffen und in Frage stellen.

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