Gericht: Verwaltungsgericht Münster
Entscheidungsdatum: 21.04.1989
Aktenzeichen: 1 K 724/88
Entscheidungsart: Urteil
eigenes Abstract: Ein Kommissionsverleger (zuständig für Herstellung und Vertrieb von Büchern auf fremde Rechnung) klagte gegen die kostenlose Pflichtabgabe an die Universitäts- und Landesbibliothek Münster, zu der er nach § 12 NRWPresseG verpflichtet war. Nach Ansicht des Klägers war er als Kommissionsverleger nicht vom Geltungsbereich des Gesetzes betroffen. Seine Klage blieb erfolglos.
Urteilsbegründung:
Rechtsgrundlage der Verfügung … ist § 12 Ib NRWPresseG. Danach besteht die grundsätzliche Verpflichtung der Verleger, von jedem Druckwerk, das im Geltungsbereich dieses Gesetzes verlegt wird, an die Universitätsbibliothek in M. ein Stück unentgeltlich und auf eigene Kosten abzuliefern, soweit das Druckwerk unter anderem im Regierungsbezirk M. verlegt wird.
Dass die so ausgestaltete Ablieferungspflicht gegen höherrangiges Recht verstößt, ist nicht erkennbar. Namentlich verfassungsrechtliche Bedenken liegen nicht vor. Die Ablieferung von Belegexemplaren ist eine mit dem Grundgesetz zu vereinbarende Verpflichtung, die schon deshalb nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14 I 2 GG verstößt, weil § 12 III NRWPresseG ausdrücklich für die Fälle, in denen die aus der Ablieferungspflicht resultierende Vermögensbelastung des Verlegers wesentlich ins Gewicht fallen würde, eine Entschädigungsregelung enthält (vgl. zum hess. PresseR: BVerfGE 58, 137 (148) = NJW 1982, 633; VGH Kassel, NJW 1989, 418; Löffler-Wenzel, PresseR I, 3. Aufl., § 12 Rdnr. 32).
Als Verleger für die streitbefangenen Bände der „Avifauna des Rheinlandes“ und der „Jahrbücher für Naturschutz und Landschaftspflege“ in dem obengenannten Sinne hat der Bekl. zu Recht den Kl. betrachtet. Verleger in dem hier allein maßgeblichen presserechtlichen Sinne ist nämlich derjenige, der das Erscheinen und Verbreiten von Druckwerken bewirkt (vgl. Löffler-Wenzel, Einl. Rdnr. 62; Scheer, Dt. PresseR, Teil II, § 4 Anm. DI.1, S. 208; OLG Düsseldorf, NJW 1980, 71; BayObLG, NJW 1976, 435). Der presserechtliche Verlegerbegriff ist nicht – wie es der Kl. offenbar meint – mit dem Verlegerbegriff des Verlagsrechtes identisch. Verleger im Sinne des Verlagsrechts ist derjenige Partner eines Verlagsvertrages, der berechtigt und verpflichtet ist, ein ihm vom Verfasser anvertrautes Werk der Literatur oder Tonkunst auf eigene Rechnung zu vervielfältigen und zu verbreiten. Der presserechtliche Verlegerbegriff setzt hingegen keinen Verlagsvertrag mit dem Verfasser als begriffswesentlich voraus (vgl. Löffler-Wenzel, § 8 Rdnr. 60). Auch die für den Verlagsvertrag wichtige Pflicht des Verlegers zur Vervielfältigung (Herstellung) des Druckwerkes ist presserechtlich nicht wesentlich; der Verleger ist auch dann als (presserechtlicher) Verleger im Impressum zu benennen, wenn er sich darauf beschränkt, ein von fremder Seite vervielfältigtes Druckwerk erscheinen zu lassen und zu vertreiben (vgl. Löffler-Wenzel, § 8 Rdnr. 62). Schließlich ist auch nur der Verleger nach dem Verlagsgesetz gehalten, Druck und Vertrieb auf eigene Rechnung vorzunehmen, während es presserechtlich gleichgültig ist, ob die verlegerische Tätigkeit für eigene oder fremde Rechnung vorgenommen wird (vgl. Löffler-Wenzel, § 8 Rdnr. 63 m. w. Nachw.).
Ist nach alledem für den presserechtlichen Verlegerbegriff in erster Linie entscheidend, wer durch seine Aktivitäten nach außen hin für das Verbreiten eines Druckwerkes verantwortlich zeichnet, stellt auch die Tätigkeit des Kommissionsverlegers – wie sie der Kl. für sich einschränkend in Anspruch nimmt – eine Verlegertätigkeit im Sinne des Presserechtes dar (vgl. Löffler-Wenzel, § 8 Rdnr. 63, § 12 Rdnr. 47; Scheer, § 4 Anm. D I 1, S. 208, § 14 Anm. AI 2b, S. 293, jeweils m. w. Nachw.). Eben als Kommissionsverleger hat der Kl. vorliegend die Verbreitung der strittigen Druckwerke bewirkt. Sowohl nach seinen eigenen als auch gemäß den Angaben in den der Kammer vorliegenden Buchexemplaren – insbesondere nach Maßgabe der dem K.-Verlag zugeordneten ISBN-Nummern – besaß der Kl. entsprechend seiner Eigenschaft als Kommissionsverleger die Aufgabe und das Recht der Entgegennahme von Bestellungen und der Belieferung der Kunden. Abgestellt auf die verkörperten Massenvervielfältigungen – nicht auf deren geistigen Inhalt – trat für den hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung damit der Kl. als für einen Außenstehenden greifbarer Ansprechpartner in Erscheinung. Das reicht zur Erfüllung des Verlegerbegriffes im presserechtlichen Sinne aus, ohne dass es auf Einzelheiten der Ausgestaltung des Kommissionsvertrages ankommt. Der presserechtliche Verlegerbegriff kann sich nicht am Kenntnishorizont der Träger der Pressetätigkeit orientieren, sondern muss den Bedürfnissen einer praktikablen Handhabung durch den Außenstehenden genügen. Belastungen, die den Kommissionsverleger durch eine etwaige Ablieferungspflicht treffen, hat er durch eine entsprechende Ausgestaltung des Kommissionsvertrages im Innenverhältnis zu begegnen.
Der Kl. kann seiner danach bestehenden Ablieferungsverpflichtung auch nicht mit dem Hinweis auf das „Kopierunwesen“ und den „Diebstahls geistigen Eigentums“ begegnen. Zwar ist auch im öffentlichen Recht der Grundgedanke des – ein privatrechtliches Zurückbehaltungsrecht regelnden – § 273 BGB als Einfluss des Prinzips von Treu und Glauben anwendbar (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 46. Aufl., § 273 Anm. 1; Stober, DVBl 1973, 351; OVG Hamburg, NJW 1977, 1251). Danach besteht ein Leistungsverweigerungsrecht jedoch nur beim Ausbleiben des aus demselben rechtlichen Verhältnis zu erwartenden gleichartigen Verhaltens des Leistungsberechtigten. Die urheberrechtlichen Interessen des Kl. liegen nicht in diesem Sinne auf der gleichen rechtlichen Ebene wie der Anspruch auf Ablieferung von Pflichtexemplaren. Mit der öffentlich rechtlichen Ablieferungspflicht des Kl. korrespondiert allenfalls eine – ebenfalls öffentlich rechtliche – Dokumentations- und Aufbewahrungspflicht auf Seiten des Beklagten nicht aber eine sich auf geistiges Eigentum erstreckende privatrechtliche Schutzpflicht. Zweck der presserechtlichen Ablieferungspflicht ist es u. a., einem gewissen kulturpolitischen Bedürfnis Rechnung zu tragen, d. h. die literarischen Erzeugnisse der wissenschaftlich und auch kulturell interessierten Öffentlichkeit möglichst geschlossen zugänglich zu machen. Soweit es in Verfolgung dieses Zweckes zu Verletzungen des Urheberrechtes und entsprechender Vermögensschäden kommen sollte, ist dies nicht unmittelbare und bezweckte Folge der Abgabepflicht, sondern lediglich ein Reflex. Derartige Erscheinungen kann der Kl. – soweit ihnen nicht nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung durch geeignete Maßnahmen inzwischen entgegengewirkt wird – nur gesondert im Zivilrechtswege bekämpfen.