Gericht: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München
Entscheidungsdatum: 07.10.1981
Aktenzeichen: 5.B – 2178/79
Entscheidungsart: Urteil
eigenes Abstract: Der Kläger, der als Rechtsanwalt und Steuerberater in einer Kanzlei nahe des Bundesfinanzhofs arbeitet, fordert die uneingeschränkte Nutzung der Bibliothek eben dieser Behörde. Durch die Verweigerung der Zulassung sieht sich der Kläger in seinen Informationsmöglichkeiten zur Ausübung seines Berufes eingeschränkt, da er auf wichtige Literatur nicht zugreifen könne. Nachdem der Präsident des Bundesfinanzhofes ihm die Zulassung verweigerte, klagt der Rechtsanwalt vor dem Verwaltungsgericht München. Dort wird seine Klage, ebenso wie anschließend vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof München, abgewiesen.
Instanzenzug:
– VG München vom 22.08.1979
– VGH Bayern vom 07.10.1981, AZ 5.B – 2178/79
Tatbestand:
Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers, ihm die Benutzung der Bibliothek des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Dienststunden zu gestatten. Die Kanzlei, in der der Kläger als Rechtsanwalt und Steuerberater tätig ist, liegt in der Nähe des BFH.
Während die Büchereiordnung vom 12. Dezember 1961 für diese Bibliothek die Frage der Benutzungsberechtigung nicht regelte, enthält die Benutzungsordnung vom 16. Februar 1978 in § 2 darüber folgende Regelung:
1. „Alle Angehörigen des Bundesfinanzhofs sind benutzungsberechtigt.
2. Angehörige anderer Behörden und Privatpersonen kann die Benutzung nur gestattet werden,
soweit dadurch die Interessen des eigenen Hauses nicht beeinträchtigt werden. Die näherer Bestimmungen über Art und Umfang der Benutzung der Bibliothek durch Außenstehende trifft der Präsident durch gesonderte Anordnung.“
Mit Verfügung vom 9. Juni 1976 bestimmte der Präsident des BFH u.a., dass Rechtsanwälte und Angehörige der steuerberatenden Berufe die Bibliothek benutzen dürfen, soweit sie in Verfahren vor dem BFH als Vertreter beteiligt sind und dienstliche Belange nicht entgegenstehen. In begründeten Ausnahmefällen (z.B. Aufsuchen von Literatur, die anderorts nicht vorhanden ist) kann der Leiter der Bibliothek die kurzfristige Benutzung auch anderen Personen gestatten.
Nachdem die Bitte des Klägers, die Benutzungsordnung zu ändern, keinen Erfolg hatte, erhob der Kläger zum Verwaltungsgericht München Klage mit dem Ziel, ihm die Benutzung der Bibliothek unter Aufhebung der ablehnenden Bescheide zu gestatten, hilfsweise eine Benutzungsordnung zu erlassen, die Rechtsanwälten den Zugang zur Bücherei erlaube. Zur Begründung führte er im wesentlichen aus: Es gehe nicht um die Ausübung des Hausrechts durch den Präsidenten des BFH, sondern um die Benutzung von beweglichem Eigentum der Behörde, das öffentlich-rechtlichen Zwecken diene. Die Gewährung oder Versagung der Benutzung sei deshalb ein Verwaltungsakt, so dass der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Die Benutzungsordnung der Bibliothek und die Ablehnung seines Antrages auf Zulassung verletzten das Rechtsstaatsprinzip und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Darüber hinaus leite er aus seiner Stellung als unabhängiges Organ der Rechtspflege einen Anspruch auf Zulassung ab. Wenn der Rechtsanwalt seine Aufgaben gegenüber den Mandanten, die er nicht nur im privaten Interesse ausübe, richtig wahrnehmen wolle, so müssten ihm alle diejenigen Rechtsinformationen zugänglich gemacht werden, die auch dem Gericht zugänglich seien. Man könne insoweit von einer Art „Waffengleichheit“ sprechen. Es könne einem Rechtsanwalt nicht zugemutet werden, entlegene Spezialliteratur für seien eigenen Bibliothek anzuschaffen. Aus der Natur der Sachen seien daher grundsätzlich die Gerichte besser mit juristischer Literatur ausgestattet als die Rechtsanwälte. Zum Ausgleich dieses Unterschieds sei die Zulassung der Rechtsanwälte zu den Gerichtsbibliotheken erforderlich. Soweit für das Aufsuchen von Spezialliteratur, die andernorts nicht vorhanden sei, eine großzügige Ausnahmeregelung praktiziert werde, verletze dies den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da entsprechende Nachforschungen bei anderen Bibliotheken angesichts der zeitlichen Belastung eines Rechtsanwalts schlicht unzumutbar seien. Es sei auch unzulässig, das Benutzungsrecht der Rechtsanwälte auf den Fall zu beschränken, dass sie in einem bestimmten Prozess Literatur benötigen. Auch die außerprozessuale Beratungstätigkeit diene präventiv der Herstellung des Rechtsfriedens und damit der Rechtspflege. Da den Rechtsanwälten als unabhängigem Organ der Rechtspflege eine Sonderstellung zukomme, müsse ihre Zulassung auch nicht zur Zulassung von Angehörigen anderer Berufe führen. Es widerspreche schließlich dem Sozialstaatsprinzip, wenn die mit erheblichen öffentlichen Geldern unterhaltene Bibliothek nur dem kleinen Kreis der Angehörigen des BFH zur Verfügung stehe.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung. Der Verwaltungsrechtsweg sei nicht gegeben. Der Kläger begehre die Benutzung der Bibliothek nicht, um öffentlich-rechtliche Belange zu wahren, sondern um privat Geld und Zeit zu sparen. Die Klage könne auch in der Sache keinen Erfolg haben. Die Benutzungsregelung sei vergleichbar mit den für die Bibliotheken anderer oberster Gerichte geltenden Regelungen. Die Anordnung vom 9. Juni 1976 komme den berechtigten Belangen des Klägers sehr weit entgegen. Es sie nicht ersichtliche, inwieweit hierdurch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit oder Grundrechte des Klägers verletzt seien, zumal die Anordnung – gerade was die Person des Klägers angehe – nicht eng und restriktiv, sondern weit ausgelegt und gehandhabt werde.
Mit Urteil vom 22. August 1979 wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Der Verwaltungsrechtsweg sei gegeben. Zwar handle es sich um einen stets dem öffentlichen Recht zuzurechnenden Anspruch auf Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung; denn die Bibliothek sei nicht der allgemeinen Benutzung zugänglich gemacht worden. Sie sei deshalb keine öffentliche Einrichtung, sondern Verwaltungsvermögen, das der Durchführung richterlicher Tätigkeit diene. Ob die Versagung der Benutzung dem privaten oder öffentlichen Recht zuzuordnen sei, sei nach dem Zweck der Maßnahme im Einzelfall zu beurteilen. Wie sich aus den Akten ergebe, sei die Benutzung beschränkt worden, weil die dienstliche Funktion der Bücherei durch die starke Zunahme außenstehender Besucher in Mitleidenschaft gezogen worden sei. Die Beschränkung der Benutzung solle also die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung der Bibliothek ermöglichen. Jedenfalls in diesen Fällen handle es sich um hoheitliche Maßnahmen, auch wenn man die Ausübung des Sacheigentums der öffentlichen Hand nicht grundsätzlich dem öffentlichen Recht zuordne. Es könne offen bleiben, ob das Schreiben des Präsidenten des BFH vom 27. Oktober 1977 ein Verwaltungsakt sei, da die Zulässigkeitsvoraussetzungen sowohl für die Verpflichtungs- als auch für die allgemeine Leistungsklage gegeben seien. Der Kläger habe jedoch keinen Anspruch auf uneingeschränkte Benutzung der Bibliothek. Das Grundrecht auf Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG sei nicht verletzt, da auch das Eigentum juristischer Personen des öffentlichen Rechts ein „Recht anderer“ darstelle, das den Anspruch aus Art. 2 Abs. 1 GG begrenze. Bestehe demnach kein Recht auf Benutzung von Behördeneigentum, das der Allgemeinheit nicht gewidmet sei, so könne das Recht auch nicht unverhältnismäßig beschränkt werden. Ein Recht auf „Waffengleichheit“ in der Weise, dass den Richtern des BFH und den Rechtsanwälten die gleiche Literatur zur Verfügung gestellt werden müsse, bestehe nicht. Im gerichtlichen Verfahren bestehe ein Anspruch auf „Waffengleichheit“ nur zwischen den Parteien. Angesichts der Bedeutung, die dem BFH als oberstem Bundesgericht zukomme, erscheine es keineswegs willkürlich, den dort tätigen Richtern eine Bibliothek zur Verfügung zu stellen, die von Außenstehenden nur in begrenzten Ausnahmefällen benutzt werden dürfe. Auch aus der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege könne nicht das Recht auf Bibliotheksbenutzung hergeleitet werden. Der Hilfsantrag sei unzulässig, da der Kläger nach der VwGO nicht vermeintlich fremde Rechte geltend machen könne.
Gegen das ihm am 16. November 1979 zugestellte Urteil legte der Kläger am 14. Dezember 1979 Berufung ein, die er im wesentlichen wie folgt begründete: Art. 2 Abs. 1 GG werde nicht als unmittelbare Anspruchsgrundlage herangezogen. Die angefochtenen Verwaltungsakte und Benutzungsordnung gehörten aber nicht mehr zur verfassungsmäßigen Ordnung, weil sie gegen das Rechtsstaatsprinzip verstößen. Es werden auch verkannt, dass das öffentliche Eigentum engeren Bindungen unterliege als privates Eigentum. Die öffentliche Hand könne mit ihrem Eigentum nicht nach Belieben umgehen, sondern nur im Rahmen ihres verfassungsmäßigen Handlungsspielraumes, der hier verletzt sei. Die Ansicht, Waffengleichheit herrsche nur zwischen den Parteien, nicht aber zwischen dem Gericht und den Parteien, bleibe im Formalismus stecken. Weder ein Richter noch ein Anwalt sei davor sicher, in einem Rechtsfall nicht einen Gesichtspunkt zu übersehen. Im Interesse einer optimalen Gerichtsentscheidung sei auch der Anwalt aufgerufen, all möglichen Argumente darzulegen. Nur unter diesem materiellen, dem Rechtsstaatsprinzip entnommenen Gesichtspunkt sei das Argument der Waffengleichheit zu sehen. Er habe auch nicht behauptet, ein Recht auf Zulassung ergebe sich aus der Stellung des Rechtsanwalts als unabhängigem Organ der Rechtspflege. Die hervorgehobene Stellung der Rechtsanwälte bewirke nur, dass andere Berufsgruppen sich nicht auf den Gleichheitssatz berufen könnten, wenn nur die Rechtsanwälte zugelassen würden.
Die Beklagte tritt der Berufung entgegen. Der Präsident des BFH gehe mit der Bibliothek nicht nach seinem Belieben um, sondern er mache von dem öffentlichen Eigentum den seiner Bestimmung entsprechenden sachgerechten Gebrauch. Welchen Umfang das Prinzip der Waffengleichheit im einzelnen habe, könne dahinstehen; jedenfalls gelte es nur zwischen den an einem konkreten Verfahren Beteiligten. Sofern der Kläger in einem Verfahren vor dem BFH beteiligt sei, werde ihm der Zugang zur Bibliothek nicht verwehrt. Aus dem Prinzip der Waffengleichheit folge jedoch nicht, dass der Staat auf seine Kosten allen Rechtsanwälten juristische Literatur zur Verfügung stellen müsse in der Form, dass er ihnen den uneingeschränkten Zugang zu den Gerichtsbibliotheken eröffne. Aus der hervorgehobenen Stellung der Rechtsanwälte ergebe sich kein Anspruch, hinsichtlich der Bibliotheksbenutzung gegenüber anderen Berufsgruppen ungleich behandelt werden.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Bayer. Verwaltungsgericht München vom 22. August 1979 wird aufgehoben.
2. Unter Aufhebung des Bescheids des Präsidenten des BFH vom 27. Oktober 1977 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 26. Juni 1978 wird dem Kläger gestattet, die Bibliothek des BFH zu benutzen.
3. Hilfsweise: Unter Aufhebung der Bescheide vom 27. Oktober 1977 und vom 26. Juni 1989 wird die Beklagte angewiesen, den Zulassungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
4. Weiter hilfsweise: Die Beklagte wird verurteilt, für die Bibliothek des BFH eine Benutzungsordnung zu erlassen, die zumindest dem Kläger die Benutzung der Bibliothek gestattet.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Entscheidungsgründe:
Die gem. § 124 VwGO zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen über die bestehende Benutzungsmöglichkeit hinausgehenden Anspruch auf Benutzung der Bibliothek des BFH.
Die Klage ist im Hauptantrag und ersten Hilfsantrag zulässig, jedoch nicht begründet.
1. Für das Klagebegehren ist der Verwaltungsweg gem. § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, weil es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt, die nicht durch Gesetz einem anderen Gericht zugewiesen ist. Der Senat ist allerdings der Auffassung, dass die Frage des Rechtswegs hier nicht nach den Grundsätzen zu beurteilen ist, die zum Hausrecht an Behördengebäuden von Rechtsprechung und Literatur mit unterschiedlichen Akzenten entwickelt werden (vgl. zum Stand der Meinungen Papperman / Löhr, JUS 1981, 273 mit weiteren Nachweisen). Während es in den Fällen der Ausübung des Hausrechts darum geht, ob der Bürger zur Erledigung privatrechtlicher oder behördlicher Angelegenheiten ein Gebäude betreten darf und welche konkreten Maßnahmen die Behörde zur Störungsabwehr ergreifen kann, will der Kläger geklärt haben, ob er allgemein die Bibliothek des BFH benutzen darf. Im Kern geht es damit um die Frage, ob und in welcher Art diese Bibliothek eine öffentliche Sache darstellt in der Weise, dass der Umfang der Widmung oder höherrangiges Recht einen Zulassungsanspruch des Klägers ergeben. Der Streit um die Zulassung zur Benutzung einer öffentlichen Sache gehört aber stets dem Verwaltungsrecht an (vgl. Wolff / Bachof, VerwR II, 4.Aufl. § 99 III b 4).
Die Klage ist im Hauptantrag und ersten Hilfsantrag als Verpflichtungsklage in der Form der Versagungsgegenklage gem. § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Das Schreiben des Präsidenten des BFH vom 27. Oktober 1977 und die begehrte Zulassung sind Verwaltungsakte i. S. des § 35 VwVfG, da der Gerichtspräsident hier als Behörde (vgl. Wolff / Bachof, VerwR I, 9.Aufl. § 19 III c; § 46 II c 4) eine hoheitliche Maßnahme zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts getroffen hat oder treffen soll, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen – nämlich dem Kläger gegenüber – gerichtet ist. Die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen sind erfüllt; der Kläger hat insbesondere geltend gemacht, durch die Ablehnung der Zulassung zur Bibliotheksbenutzung in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 42 Abs. 2 VwGO).
2. Der Kläger kann aus der bestehenden Widmung keinen Rechtsanspruch auf unbeschränkte Benutzung der Bibliothek herleiten. Aus der Benutzungsordnung vom 16. Februar 1978 und der Verfügung des Präsidenten des BFH vom 9. Juni 1976 ergibt sich, dass die Bibliothek des BFH eine öffentliche Sache primär im Verwaltungsbereich (Verwaltungsvermögen) darstellt (vgl. hierzu Wolff / Bachof, § 55 III a; Forsthoff, 10.Aufl. S. 376). Kraft Definition dient das Verwaltungsvermögen den eigenen Zwecken der Verwaltung, so dass von diesem „Urzweck“ der Bibliothek ausgehend kein Rechtsanspruch Außenstehender auf Benutzung besteht (vgl. auch Pappermann / Löhr, a.a.O.). Die Benutzungsordnung und die Anordnung vom 9. Juni 1976 erweitern zwar den Kreis der Benutzungsberechtigten in Form einer Ermessensregelung, so dass insoweit das Verwaltungsvermögen eine gewisse Öffnung in Richtung auf eine öffentliche Einrichtung erfährt. Aber auch aus dieser erweiterten Widmung steht dem Kläger gerade kein Anspruch auf unbeschränkte Zulassung zu, sondern allenfalls ein Anspruch auf Benutzung in den dort vorgesehenen Ausnahmefällen.
Der geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht aus einfachgesetzlichen Regelungen herleiten.
§ 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 1. August 1959 (BGB I S. 565), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. August 1980 (BGB I S. 1503) – BRAO – enthält eine ganz allgemeine Funktionsbeschreibung des Rechtsanwalts als einem unabhängigem Organ der Rechtspflege. Dass der Rechtsanwalt damit nicht zum rechtlichen Organ des Staates im Sinne der Organlehre wird, ergibt sich schon aus dem Wort „unabhängig“ sowie aus § 2 Abs. 1 BRAO, wonach der Rechtsanwalt einen freien Beruf ausübt. § 1 BRAO hat zwar für die Ausgestaltung des anwaltschaftlichen Standesrechts oder für die Anwendung von Verfahrensvorschriften, die die Stellung des Rechtsanwalts betreffen, eigenständiges rechtliches Gewicht. Die Bestimmung ist in dieser allgemeinen Form jedoch nicht geeignet, einen konkreten Rechtsanspruch auf Inanspruchnahme von Verwaltungsvermögen zu begründen. Dafür spricht auch, dass die Stellung des Rechtsanwalts und seine Rechte in den Verfahrensordnungen im einzelnen ausgeformt sind. Auch ein Anspruch aus § 4 (Amtshilfe) des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25. Mai 1976 (BGBI I S. 1253), geändert durch Gesetz vom 2. Juni 1976 (BGBI I S. 1749) – VwVfG – kommt nicht in Betracht, da der Rechtsanwalt keine zur Amtshilfe berechtigte oder verpflichtete „Behörde“ verkörpert.
Auch aus den Grundrechten oder übergeordneten Rechtsgrundsätzen ergibt sich kein Rechtsanspruch des Klägers auf unbeschränkte Zulassung.
Zunächst ist festzuhalten, dass das Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip als solche noch keine bestimmten Gebote oder Verbote enthalten und sich aus ihnen allein auch keine individualisierten Ansprüche ergeben (vgl. BverfGE 11, 72; 33, 303; Schmidt-Bleibtreu / Klein, GG 5.Aufl., RdNr. 10 und 20 zu Art. 20). Als objektive Verfassungsgrundsätze sind sie zwar Richtschnur staatlichen Handelns und strahlen auf die Anwendung und Auslegung des Rechts aus, begründen aber keine subjektiven Rechte.
Ein Anspruch auf unbeschränkte Zulassung zur Bibliothek des BFH lässt sich nicht aus dem Grundrecht des Klägers aus Art. 12 Abs. 1 GG herleiten.
Art. 12 Abs. 1 GG enthält wie alle Grundrechte in erster Linie ein Abwehrrecht gegen staatlich Eingriffe, und zwar ein Recht auf eine von staatlicher Reglementierung grundsätzlich freie Sphäre der beruflichen Entfaltung. Hier geht es jedoch nicht um ein solches Abwehrrecht, sondern um das Begehren des Klägers nach einer seine Berufsausübung fördernden Maßnahme. Ansprüche auf behördliche Leistungen ergeben sich aber unmittelbar aus dem Grundrecht allenfalls ausnahmsweise, wenn die begehrte und der Behörde mögliche Leistung zum Schutz des grundrechtlich gesicherten Freiheitsraumes unerlässlich ist (vgl. z.B. BverfGE 35, 79, 116; BverfGE 61, 15, 19). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass nach dem herkömmlichen Berufsbild der Anwaltschaft der im freien Beruf tätige Rechtsanwalt für die Beschaffung der zur Berufsausübung notwendigen Hilfsmittel selbst Sorge trägt. Soweit die Literatur der Bibliothek des BFH auch in öffentlichen Bibliotheken eingesehen werden kann oder auf dem Markt erhältlich ist, wird der Kläger in seiner Berufsausübung durch die Beschränkung der Bibliotheksnutzung nicht beeinträchtigt. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn die zur Berufsausübung des Klägers zwingend notwendige Literatur andernorts nicht zu erhalten wäre, der Staat also praktisch ein Monopol an bestimmten Erkenntnisquellen hätte. Gerade in diesen Fällen sieht aber die Verfügung des Präsidenten des BFH vom 9. Juni 1976 eine Ausnahmeregelung vor, die nach den Ausführungen des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung großzügig und ohne weitere Formalität gehandhabt wird. Eine über diesen Umfang hinausgehende Nutzung kann der Kläger aus dem Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit auch nicht in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip beanspruchen. Dieses Prinzip soll die wirtschaftliche und kulturelle Lebensfähigkeit auf einem angemessenen Niveau gewährleisten (vgl. Maunz, Deutsches Staatsrecht, 22.Aufl. S. 77); unter diesen Schutzzweck kann jedoch die Ermöglichung einer optimalen und bequemen Berufsausübung in Form von staatlicherseits zur Verfügung gestellten Informationsquellen nicht eingeordnet werden. Scheidet somit Art. 12 Abs. 1 GG wegen des Grundsatzes des Vorrangs der Spezialnorm nicht mehr in Betracht (vgl. BverfGE 6, 37; 19, 225).
Die Versagung der unbeschränkten Zulassung zur Bibliothek des BFH verletzt schließlich auch nicht den Gleichheitssatz. Der Grundsatz der Waffengleichheit ist zwar als besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes im prozessualen Bereich anerkannt. Er besagt jedoch nur, dass beiden Parteien (bzw. Angeklagter und Staatsanwaltschaft) in einem anhängigen Verfahren in gleicher Weise das Recht zusteht, z.B. Beweisanträge zu stellen, Fragen an Zeugen zu richten, Rechtsmittel einzulegen usw. (vgl. BverfGE 38, 105, 111; Stein-Jonas, ZPO, 19.Aufl. § 33 Anm. III 4, 5 b; vor § 128 Anm. V; Löwe-Rosenberg, StPO, 22.Aufl. S. 50 und S. 1179). In diesem Sinne besteht der Grundsatz der Waffengleichheit für die verfahrensbeteiligten Parteien v o r dem Gericht, nicht aber m i t dem Gericht. Selbst wenn man jedoch aus Art. 3 Abs. 1 GG und unter Einbeziehung eines weit verstandenen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie der Stellung des Rechtsanwalts nach § 1 BRAO einen Anspruch auf Waffengleichheit in dem Sinne ableiten wollte, dass dem Kläger dieselbe Literatur zugänglich sein müsse wie dem Gericht, könnte er sich nur auf ein gerade bei diesem Gericht anhängiges Verfahren beziehen. Da der Kläger zur Bibliothek zugelassen wird, soweit er in einem Verfahren vor dem BFH als Vertreter beteiligt ist, ist insoweit der Grundsatz der Waffengleichheit in dem vom Kläger verstandenen Sinn ohnehin gewahrt.
3. Aus den bisherigen Erwägungen ergibt sich, dass ein über die bestehende Benutzungsordnung hinausgehender Anspruch des Klägers auf Benutzung der Bibliothek nicht besteht. Daraus folgt auch, dass der Beklagte nicht gegen pflichtgemäßes Ermessen verstößt, wenn er den Kläger nicht in anderen als den bereits vorgesehenen Fällen zur Benutzung zulässt. Aus diesem Grund kann auch der erste Hilfsantrag keinen Erfolg haben. Auch der zweite Hilfsantrag ist unbegründet, da dem Kläger aus keinem Gesichtspunkt ein Anspruch darauf zusteht, die Benutzungsordnung zu seinen Gunsten zu ändern.
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