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Gericht: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein

Entscheidungsdatum: 14.09.2006

Aktenzeichen: 1 Sa 161/06

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Ein schwerbehinderter Wirtschaftsinformatiker klagte gegen das Land Schleswig-Holstein. Er hatte sich dort vergeblich auf eine Stellenausschreibung als DV-Systembetreuer an der Fachhochschulbibliothek Flensburg beworben. Er wurde nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, da zwischen Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertreter Einvernehmen darüber bestand, dass der Bewerber mangels fachlicher Eignung nicht eingeladen werden soll. Der Kläger forderte eine Entschädigung in Höhe von 11.000 €. Die Klage wurde abgewiesen.

Instanzenzug:
– ArbG Flensburg vom 16.02.2006, AZ. 2 Ca 1632/05
– LAG Schleswig-Holstein vom 14.09.2006, AZ. 1 Sa 161/06

Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Flensburg vom 16.02.2006 – öD. 2 Ca 1632/05 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger eine Entschädigung wegen einer Diskriminierung als Schwerbehinderter bei der Einstellung gemäß § 81 Abs. 2 SGB IX zu zahlen hat.
Der Kläger ist Schwerbehinderter mit einem GdB von 60. Er hat ein Studium zur Wirtschaftsinformatik an der Fernuniversität H… absolviert und an diversen Zusatzausbildungen teilgenommen; wegen der weiteren Einzelheiten seiner Qualifikationen wird auf die eingereichten Bewerbungsunterlagen des Klägers (Bl. 7 – 41 d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte, eine untere Landesbehörde und rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, schrieb nach zunächst erfolgter interner Stellenausschreibung am 08.01.2005 extern die zum 01.03 oder 15.03.2005 zu besetzende Stelle einer/eines DV-Systembetreuerin/DV-Systemsbetreuers in der Zentralen Hochschulbibliothek aus. Es handelte sich um eine Stelle nach der Vergütungsgruppe IVb BAT mit einer monatlichen Vergütung von ca. 2.500,00 EUR brutto. In der Ausschreibung werden ausdrücklich auch Bewerbungen von Schwerbehinderten ohne Anstellung beim Land Schleswig- Holstein zugelassen. Wegen des weiteren Inhalts der Ausschreibung und der in ihr festgelegten Anforderungen für die Stelle wird auf die Stellenausschreibung Bl. 31 d.A. Bezug genommen. Durch Schriftsatz vom 10.02.2006 hat der Kläger als Anlage K 9 (Bl.86 d.A.) eine Auflistung vorgelegt, die nach der Behauptung des Klägers lediglich einen Teil seiner Kenntnisse darstellen.
Der Kläger hatte sich bereits auf die interne Stellenausschreibung mit Schreiben vom 15.12.2004 bei der Beklagten unter Vorlage des Schwerbehindertenausweises beworben. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12.01.2005 mit, dass seine Bewerbung als Bewerbung auf die außerdienstliche Ausschreibung angesehen werde.
Auf die Stellenanzeige gab es 99 Bewerbungen, davon 7 von Schwerbehinderten. Die Beklagte beteiligte im Auswahlverfahren sowohl den Schwerbehindertenvertreter Herrn J… als auch den Personalrat und die Frauenbeauftragte, denen die Bewerbungsunterlagen sämtlicher Bewerber übergeben wurden. 6-7 Bewerber wurden zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Davon war ein Bewerber schwerbehindert.
Mit Schreiben vom 14.03.2005 der Beklagten erhielt der Kläger eine Absage. In dem Schreiben (Abl. B. 32 d.A.) teilte die Beklagte mit, dass, da nur eine Stelle zu besetzen gewesen sei, ein Auswahlverfahren habe stattfinden müssen. Das Auswahlgremium, das u.a. aus dem Personalrat, der Frauenbeauftragten und dem Schwerbehindertenvertreter bestanden habe, habe sich einstimmig für einen der qualifizierten Mitbewerber entschieden. Eine weitere Begründung der Ablehnung erfolgte in dem Schreiben vom 14.03.2005 nicht.
Mit Schreiben vom 17.05.2005 begehrte der Kläger erstmals erfolglos eine angemessene Entschädigung von der Beklagten wegen Verstoßes gegen §§ 81,82 SGB IX. Dieses Begehren verfolgt der Kläger mit seiner am 10.11.2005 erhobenen Leistungsklage weiter.
Er hat vorgetragen:
Die Beklagte habe ihn bei der Bewerbung wegen seiner Behinderung benachteiligt. Dafür sprächen mehrere Umstände. Er sei weder zum Vorstellungsgespräch eingeladen noch eingestellt worden, obwohl er für die ausgeschriebene Stelle fachlich geeignet gewesen sei. Die Beklagte als Arbeitgeberin des öffentlichen Dienstes sei gemäß § 82 SGB IX verpflichtet gewesen, ihn zum Vorstellungsgespräch zu laden, zumal ihm diese Teilnahme bereits telefonisch zugesagt gewesen sei. Nur offensichtlich ungeeignete Bewerber, die unter keinem Gesichtspunkt geeignet seien und zu denen er nicht gehört habe, könnten ausgelassen werden. Er sei auch bereits deshalb als geeignet für die ausgeschriebene Stelle anzusehen, da die Ablehnung vom 14.03.2005 entgegen § 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX ohne hinreichende Begründung erfolgt sei. Er besitze auch tatsächlich die entsprechenden Qualifikationen, wie sich aus den eingereichten Bewerbungsunterlagen ergebe. Aus allen diesen Umständen ergebe sich die Vermutung, dass er wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Diese sei zumindest ein Motiv dafür gewesen, ihn nicht zum Bewerbungsgespräch einzuladen und nicht einzustellen.
Er halte 11.000,00 EUR angemessen, da er davon ausgehe, dass er bei ordnungsgemäßem Ablauf des Bewerbungsverfahrens eingestellt worden wäre. Anderenfalls wäre nach § 81 Abs. 2 Ziffer 3 SGB IX eine Entschädigung in Höhe von drei Bruttogehältern zu zahlen.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 11.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.06.2005 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen:
Ein Entschädigungsanspruch des Klägers sei gegen sie nicht gegeben. Zum einen sei sie nicht die richtige Anspruchsgegnerin. Arbeitgeberin sei das Land Schleswig-Holstein und nicht die Fachhochschule Flensburg, die insoweit das Land nur endvertrete.
Zum anderen sei eine Diskriminierung des Klägers auf Grund seiner Behinderung nicht gegeben. Seine Schwerbehinderung habe bei der Entscheidung, den Kläger weder zum Vorstellungsgespräch einzuladen noch einzustellen, keine Rolle gespielt. Er sei im Vorweg durch die beteiligten Gremien einschließlich Schwerbehindertenvertreter als offensichtlich ungeeignet eingestuft worden, da in seinen Bewerbungsunterlagen ein Nachweis gefehlt habe, dass er über die geforderten fundierten Kenntnisse verfüge. Insbesondere hätten Angaben zu Novell-Kenntnissen und zu Zen gefehlt. Diese seien aber Einstellungsvoraussetzung gewesen, worauf schon in der Stellenausschreibung hingewiesen worden sei.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen und dies wie folgt begründet:
Der Kläger habe bereits materiell keinen Anspruch auf Entschädigung, weil er eine Benachteiligung nicht hinreichend glaubhaft gemacht habe. Dass die Beklagte ihre Auswahlentscheidung in ihrem Ablehnungsschreiben nicht weiter begründet habe, habe die Begründungspflicht verletzt. Soweit liege hier eine Vermutungstatsache vor. Anders sei es mit der Einladung zum Bewerbungsgespräch. Insoweit sei jedoch der Schwerbehindertenvertreter beteiligt worden. Tatsächlich sprächen gleich viele Tatsachen für eine Benachteiligung des Klägers wegen der Schwerbehinderung als auch dagegen.
Im Übrigen richte sich der Anspruch nicht gegen die Beklagte. Anspruchsgegner sei der Arbeitgeber. Das war jedoch nicht die Beklagte. Es sei gerichtsbekannt, dass die Beschäftigten der Fachhochschule Flensburg nicht bei dieser, sondern beim Land Schleswig-Holstein angestellt seien.
Der Kläger meint, das Urteil des Arbeitsgerichts beruhe auf einer Rechtsverletzung. Die Entschädigungspflicht der Beklagten ergebe sich daraus, dass die Beklagte seine Bewerbung ohne Begründung und ohne vorausgegangene Erörterung abgelehnt habe. Überdies habe die Beklagte als öffentlicher Arbeitgeber die Verpflichtung der Vorladung zu einem Bewerbungsgespräch verletzt. Die Einladung zum Bewerbungsgespräch sei nur dann entbehrlich, wenn der Bewerber unter keinem Gesichtspunkt für die ausgeschriebene Stelle geeignet erscheine. Er, der Kläger, sei nach den in der Stellenausschreibung gestellten Anforderungen jedoch nicht als fachlich ungeeignet zu qualifizieren.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts habe er damit ausreichende Vermutungstatsachen vorgetragen mit der Folge, dass es Sache der Beklagten sei zu beweisen, dass keine Ungleichbehandlung wegen der Schwerbehinderung vorliege. Eine solche Entlastung sei nicht erfolgt.
Die Beklagte könne sich auch nicht auf fehlende Passivlegitimation berufen. Sie hafte bereits nach Rechtsscheingesichtspunkten und nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo, da sie im Rahmen der Stellenausschreibung und in den weiteren Schreiben den Eindruck erweckt habe, dass sie als Arbeitgeberin handele. Auf die entsprechende Auflage des Arbeitsgerichts im Gütetermin habe sich die Beklagte erstmals in der Hauptverhandlung am 16.2.2006 darauf berufen, sie sei nicht befugt, Arbeitsverträge abzuschließen.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 16.02.2006 – ö. D. 2 Ca 1632/05 – wird abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 11.000,00 nebst Zinsen in Höhe von 8 % Punkte über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.08.2005 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte beruft sich auch im zweiten Rechtszug darauf, dass sie nicht passiv legitimiert sei. Im Übrigen bleibe der bestrittene Sachverhalt streitig. Die vom Kläger nachgereichte Anlage K 9 sei weder Bestandteil der Bewerbungsunterlagen gewesen noch in der Klageschrift erwähnt oder fotokopiert eingereicht worden. Die Anlage mache auch einen merkwürdigen Eindruck, da sie weder eine Überschrift, ein Datum enthalte noch einen Zusammenhang mit einer anderen Urkunde ergebe. Es müsse daher bezweifelt werden, ob diese schon vor Erstellung des Schriftsatzes vom 10.02.2006 bestanden hätten. Der Kläger habe diese Anlage erst im Kammertermin vorgelegt und sich darauf berufen, dass diese versehentlich nicht mitkopiert worden sei.
Wegen des weiteren Vorbringens und der Beweisantritte der Parteien im Berufungsrechtszuge wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig; sie ist dem Wert der Beschwer nach statthaft und form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist sie jedoch nicht gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine abweichende Entscheidung.
1. Die Klage ist bereits deswegen unbegründet, weil die Beklagte nicht passiv legitimiert ist. Die Beklagte ist nicht Arbeitgeberin und damit nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet.
a) Der Entschädigungsanspruch des Klägers gem. § 81 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 SGB IX in der im Zeitpunkt der Bewerbung anzuwendenden Fassung richtet sich gegen den Arbeitgeber. Im Bewerbungsverfahren ist dies derjenige, der bei Abschluss des Arbeitsvertrages Arbeitgeber geworden wäre. Das ist hier nicht die Beklagte, sondern das Land Schleswig-Holstein. Gem. § 9 Abs. 4 des Landeshochschulgesetzes steht das Personal der Hochschulen im Dienst des Landes. Daraus ergibt sich, dass ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten schon aus Rechtsgründen nicht geschlossen werden konnte.
Eine Berichtigung des Passivrubrums kam nicht in Betracht. Zum einen ist diese nicht beantragt worden. Zum anderen läge keine Berichtigung, sondern ein unzulässiger Parteiwechsel vor. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Beklagte als Anstalt des öffentlichen Rechts rechts- und prozessfähig ist.
b) Die Beklagte haftet auch weder nach Vertrauensgrundsätzen bzw. aus Rechtanschein nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo.
Eine Vertrauenshaftung setzte voraus, dass eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung über die Arbeitgeberstellung vorliegt. Bei einer gesetzlichen Regelung kommt dies hier nicht in Betracht. Unkenntnis über die Gesetzeslage begründet keinen Vertrauenstatbestand.
Eine Haftung aus culpa in contrahendo scheitert daran, dass die Beklagte bzw. ihre Mitarbeiter nach dem eigenen Vorbringen zu keiner Zeit konkludent oder ausdrücklich erklärt haben, die Beklagte solle Arbeitgeber werden. Dass sie die Ausschreibung und das Einstellungsverfahren durchgeführt hat, entspricht der üblichen Praxis der Behörden und begründet ohne weitere Umstände kein Vertrauen, die Behörde werde selbst Arbeitgeberin.

2. Aus den dargelegten Gründen war nicht zu entscheiden, ob dem Kläger materiellrechtlich ein Entschädigungsanspruch zusteht.
a) Ein Entschädigungsanspruch dürfte sich nicht daraus ergeben, dass der Kläger nicht zum Vorstellungsgespräch geladen worden ist, da insoweit nach dem unbestrittenen Vortrag der Beklagten eine gemeinsame Entscheidung der Beklagten und des Schwerbehindertenvertreters vorliegt. Wenn zwischen Arbeitgeber und Schwerbehindertenvertreter Einvernehmen darüber besteht, dass der schwerbehinderte Bewerber wegen mangelnder Eignung nicht eingeladen werden soll und überdies ein Schwerbehinderter zum Einstellungsgespräch eingeladen worden ist, begründet die Nichteinladung nach Auffassung des Berufungsgerichts keinen Vermutungstatbestand im Sinne einer Benachteiligung.
b) Ein Entschädigungsanspruch könnte sich demnach allenfalls daraus ergeben, dass die Absage möglicherweise nicht ausführlich genug begründet worden ist (§ 81 Abs. 1 S. 9 SGB IX). Das war jedoch von der Berufungskammer nicht zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

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