HAW Hamburg HAW Hamburg

Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf

Entscheidungsdatum: 16.01.2007

Aktenzeichen: I-20 U 112/06

Entscheidungsart: Urteil

eigenes Abstract: Eine verschollen geglaubte Partitur der 1741 uraufgeführten Oper „Montezuma“ des italienischen Komponisten Antonio Vivaldi wurde 2002 im Handschriftenbestand der Berliner Staatsbibliothek entdeckt. Der Kläger, der Faksimiliekopien dieses wieder aufgefundenen Librettos zum Kauf anbietet, beansprucht nach § 71 UrhG Leistungsschutz für die Herausgabe der nachgelassenen Werke und wendet sich gegen die Aufführung der Oper durch den Beklagten. Nach Ansicht des Gerichts muss der Kläger beweisen, dass die Oper nicht bereits im 18. Jahrhundert eine ausreichende Verbreitung gefunden hat.

Instanzenzug:
LG Düsseldorf vom 17.05.2006, Az. 12 O 538/05
– OLG Düsseldorf vom 16.01.2007, Az. I-20 U 112/06

Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 105 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 105 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Revision und Rechtsbeschwerde werden zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, eine bekannte chor- und konzertausübende Gesellschaft mit langer Tradition in B., wendet sich gegen die Aufführung der Oper „Motezuma“ von Antonio Vivaldi durch die Beklagte. Dieser Streit hat folgenden Hintergrund:

Der 1741 gestorbene venezianische Komponist Antonio Vivaldi komponierte eine Oper dieses Titels (RV Nr. 723), die am 14. November 1733 unter seiner Leitung im venezianischen Theater Sant’Angelo öffentlich uraufgeführt wurde. Titelheld ist der in Europa üblicherweise „Montezuma“ genannte Herrscher des 16. Jahrhunderts. Während das – von Alvise oder Girolamo Giusti stammende – Libretto der Oper bekannt blieb, galt die Komposition lange als verloren.

Das Handschriftenarchiv des Klägers, das 1943 kriegsbedingt evakuiert werden musste und lange Zeit als verschollen galt, wurde auf Grund eines 2001 geschlossenen Vertrages zwischen der B. D. und der U. rückübertragen. Dieses Archiv stellte der Kläger der Stiftung P. K. für die Musikabteilung der Staatsbibliothek zu B. als Dauerleihgabe zur Verfügung. Im Jahre 2002 entdeckte dort der Musikwissenschaftler Dr. S. V. in der Handschrift mit der Signatur SA 1214 die nicht ganz vollständige Musik zu dieser Oper.
Der Kläger hat im Januar 2005 50 gebundene Faksimilekopien ohne weitere Bearbeitung hergestellt und bietet sie seitdem über die Internetseite www. s .de zum Erwerb an. Des Weiteren vertreibt er seit Herbst 2005 Noten über den K.G. S. Verlag. Die Beklagte beabsichtigte im Rahmen des von ihr veranstalteten „A. Kulturfestivals“ im September 2005 mehrere szenische Aufführungen zusammen mit dem Musikwissenschaftler, Komponisten F. M. S. aus F., Mitglied des in V. ansässigen Istituto I. „Antonio Vivaldi“ aufzuführen. Letzterer hatte zusammen mit Dr. V. die notwendigen Ergänzungen vorgenommen und – mit Zustimmung des Klägers – das Werk konzertant am 11. Juni 2005 in R. aufgeführt.
Die vom Kläger demgegenüber nicht genehmigten beabsichtigten Aufführungen der Beklagten in D. wurden – ebenso wie die gleichfalls geplanten Aufführungen im Juli 2005 in B., I. – auf Antrag des Klägers im Wege der einstweiligen Verfügung durch das Landgericht Düsseldorf (12 O 355/05) zunächst untersagt. Nachdem der Senat mit Urteil vom 16. August 2005 (I-20 U 123/05; abgedruckt in GRUR 2006, 673 = ZUM 2005, 825 – Motezuma) das Verbot aufgehoben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen hatte, hat die Beklagte die Oper schließlich am 21., 23., 24. und 25. September 2005 in D. aufgeführt.

Hinsichtlich des zunächst geltend gemachten Unterlassungsanspruchs haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, nachdem die Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben hatte. Der Kläger verlangt nunmehr noch im Wege der Stufenklage Auskunft und Rechnungslegung wegen der Aufführungen am 21., 23., 24. und 25. September 2005, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sowie Zahlung von Schadensersatz.
Der Kläger sieht seine Veröffentlichung der Noten als erstmaliges Erscheinenlassen der Oper im Sinne des § 71 UrhG an. Demgegenüber meint die Beklagte, die unbearbeitete Veröffentlichung sei unzureichend, zumal zuvor zugunsten S. ein Bearbeitungsurheberrecht entstanden sei. Des Weiteren streiten sich die Parteien darüber, ob bereits die unstreitige Aufführung der Oper im Jahre 1733 etwaigen Rechten des Klägers nach § 71 UrhG entgegensteht. In der Hauptsache bekämpft der Kläger die im vorgenannten Urteil des Senats vertretene Auffassung, ihn – und nicht die Beklagte – treffe die Beweislast, ob das Werk bereits zuvor „erschienen“ sei, sowie die Würdigung des Senats, im Streitfall gebe es hinreichende Anzeichen für ein früheres „Erscheinen“ des Werks.
Das Landgericht hat die Klage vollständig abgewiesen, weil die Voraussetzungen des § 71 UrhG nach den Kriterien des Senatsurteils im vorangegangenen Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht gegeben seien. Des Weiteren hat es die Kosten auch hinsichtlich des für erledigt erklärten Teils dem Kläger auferlegt.
Dagegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er unter Ergänzung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens eine unzutreffende Auslegung des § 71 UrhG, insbesondere zur Beweislast, rügt. Er beantragt daher,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils
die Beklagte zu verurteilen,
1. über die durch die Aufführungen der Oper „Motezuma“ von Antonio Vivaldi am 23., 24. und 25. September 2005 erzielten Einnahmen Auskunft zu erteilen und Rechnung zu legen sowie die Richtigkeit und Vollständigkeit der zu erteilenden Auskünfte an Eides statt zu versichern,
2. an ihn einen angemessenen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe von der nach 1. zu erteilenden Auskunft und Rechnungslegung abhängt;
die Kosten des Rechtsstreits, auch soweit er übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist, der Beklagten aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt unter Verweis auf die Feststellungen des Landgerichts und ihr erstinstanzliches Vorbringen das angefochtene Urteil.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils sowie die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren Bezug genommen.

Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
I.
Die Berufung ist allerdings zulässig, obwohl sie bzw. die Berufungsbegründung entgegen § 520 Abs. 3 Nr. 1 ZPO keinen Berufungsantrag enthält. Denn aus der Berufungsbegründung wird klar, dass der Kläger das landgerichtliche Urteil insgesamt – einschließlich der landgerichtlichen Kostenentscheidung zu § 91a ZPO – angreift (vgl. Gummer/Heßler, in Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 520 Rdnr. 32).
II.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das Landgericht hat zu Recht Ansprüche des Klägers nach § 71 UrhG verneint.
1. Es kann offen bleiben, ob Ansprüche des Klägers nicht bereits deswegen ausscheiden, weil die Oper „Motezuma“ unstreitig am 14. November 1733 öffentlich aufgeführt worden ist.
Wie der Senat bereits in seinem oben bezeichneten Urteil näher ausgeführt hat, ist streitig, ob ein Werk noch nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 UrhG veröffentlicht oder darüber hinaus nicht im Sinne des § 6 Abs. 2 UrhG erschienen sein darf, damit an ihm Rechte nach § 71 UrhG begründet werden können.
Es fällt auf, dass der dem jetzigen Wortlaut des § 71 UrhG zugrundeliegende Artikel 4 der Richtlinie 93/98/EWG des Rates zur Harmonisierung der Schutzdauer des Urheberrechts und bestimmter verwandter Schutzrechte vom 29.10.1993 (ABl. Nr. L 290 S.9) (zukünftig: Richtlinie) hinsichtlich der Anforderungen an das betreffende Werk unterschiedlich verstanden wird. Während in der deutschen Literatur – jedenfalls bei auf einen erstmaligen Erscheinenlassen beruhenden Rechten; anders aber dann, wenn Rechte auf eine (Wieder-)Aufführung gestützt werden – unter Hinweis auf den Sprachgebrauch der Richtlinie überwiegend davon ausgegangen wird, dass das Werk „nicht erschienen“ sein darf (vgl. die Nachweise im Senatsurteil; zu dem Problemkreis auch Rüberg ZUM 2006, 122, 128; Götting/Lauber-Rönsberg GRUR 2006, 638, 645; Loewenheim in Stricker, UrhG, 3. Aufl., § 71 Rdnr. 6; Thum in Wandtke/Bullinger/Thum, UrhG, 2. Aufl., § 71 Rdnrn. 14 ff.), verlangen andere EU-Mitgliedsstaaten in ihren die Richtlinie umsetzenden Vorschriften, dass das Werk „nicht veröffentlicht“ sein darf.
So heißt es in § 76b des österreichischen Urheberrechtsgesetzes (östUrhG):
Wer ein nichtveröffentlichtes Werk …. erlaubterweise veröffentlicht, ….,
wobei nach § 8 östUrhG unter Veröffentlichung – im Gegensatz zum weitergehenden „Erscheinenlassen“ gemäß § 9 östUrhG – ein bloßes Der-Öffentlichkeit-zugänglich-Machen zu verstehen ist.
Auch das Vereinigte Königreich geht von diesem Verständnis aus, wenn es in der zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen Copyright and Related Rights Regulations 1996 (SI 1996/2967) in reg 16 (1) anordnet:
A person who after the expiry of copyright protection, publishes for the first time a previously unpublished work has, …
wobei es das Veröffentlichen („publish“) in reg 16 (2) wie folgt definiert:
For this purpose publication includes any communication to the public, in particular –
the issue of copies to the public


the performance, …. of the work in public,
Schließlich deutet auch der Wortlaut der einschlägigen italienischen Norm, des Art. 85 ter des Gesetzes Nr. 633 vom 22. April 1941, auf ein solches Verständnis hin („non publicata anterioremente“).
Wie die maßgebliche Richtlinienbestimmung letztlich zu deuten ist (was im Wege richtlinienkonformer Auslegung auch die Reichweite des § 71 UrhG bestimmen würde) und ob die von der h.M. vorgenommene Unterscheidung in den Voraussetzungen für durch Aufführung (Veröffentlichung) einerseits und durch Erscheinenlassen andererseits erworbene Rechte nach § 71 UrhG – insbesondere nach der Ausweitung des Schutzes des Rechtsinhaber nach § 71 UrhG auch auf Aufführungen – sachgerecht und tragfähig ist, ist aber letztlich aus den nachfolgend unter 2. genannten Gründen unerheblich. Es bedarf daher auch keiner Vorlage an den Europäischen Gerichtshof zur Klärung der Auslegung des Art. 4 der Richtlinie.
2. Dem Kläger stehen jedenfalls deswegen keine Reche nach § 71 UrhG zu, weil er nicht nachweisen kann, dass das Werk nicht bereits erschienen ist. An dieser Beurteilung, die der Senat bereits in seinem vorbezeichneten Urteil vorgenommen hat, hält er auch unter Berücksichtigung des jetzigen Vorbringens des Klägers fest. Soweit der Kläger in diesem Zusammenhang rügt, die Ausführungen im vorgenannten Urteil seien teilweise widersprüchlich („Da den Antragsteller die Beweislast für ein Nichterscheinen der Opernmusik trifft, er den Beweis aber nicht geführt hat, ist der zutreffenden Entscheidung die Feststellung zu grunde zu legen, die Oper sei nicht erschienen“), hebt er auf einen offensichtlichen Formulierungsfehler ab; aus dem Gesamtzusammenhang der Ausführungen geht nämlich klar hervor, dass das „nicht“ im letzten Halbsatz sinnwidrig und zu streichen ist.
a) Der Senat hält daran fest, dass es sich bei dem Satzteil „nicht erschienenes Werk“ um ein negatives Tatbestandsmerkmal handelt, für das nach allgemeinen Grundsätzen der Anspruchsführer die Beweislast trägt (so auch Rüberg, a.a.O.; Götting/Lauber-Rönsberg, a.a.O., Loewenheim, a.a.O., § 71 Rdnr. 7; von Linstow, in Festschrift für Ullmann, S. 297, 307; für eine Beweislastumkehr demgegenüber Thum, a.a.O., § 71 Rdnrn. 10a, 13; Büscher, in Festschrift für Peter Raue, S. 363).
Weder der Wortlaut des § 71 UrhG noch Art. 4 der Richtlinie lassen erkennen, dass die Beweislast den potentiellen Verletzer treffen soll. Im Gegenteil wird die Tatsache, dass es sich um ein „nicht erschienenes“ (§ 71 UrhG) bzw. „unveröffentlichtes“ (Art. 4 Richtlinie) Werk handelt, als Voraussetzung für das Entstehen der Rechte genannt.
Wie der Senat bereits in seinem vorgenannten Urteil näher ausgeführt hat, ist die Rechtsprechung und Literatur einhellig der Auffassung, die Tatsache, dass es sich bei einem Merkmal um ein so genanntes „negatives Tatbestandsmerkmal“ handelt, führe nicht zu einer Umkehr der Beweislast (vgl. zur Beweislast für das Tatbestandsmerkmal „ohne rechtfertigenden Grund“ nach § 812 Abs. 1 S. 2 BGB auch Palandt/Sprau, BGB, 66. Aufl., § 812 Rdnrn. 104 ff.).
Der Kläger meint demgegenüber, trotz des Wortlautes der Norm handele es sich in Wirklichkeit nicht um ein „negatives Tatbestandsmerkmal“, wie sich aus der Begründung zu § 71 UrhG a.F. ergebe (ähnlich Thum, a.a.O., § 71 Rdnr. 10a). Dies trifft nicht zu. Dabei kann offen bleiben, welche Bedeutung die Begründung zu § 71 UrhG a.F. noch hat, nachdem die Vorschrift in Umsetzung der Richtlinie durch Gesetz vom 23.6.1995 (BGBl. I S. 842) geändert worden ist; die in Bezug genommene Erläuterung („… das Erscheinen eines Werkes ist dagegen in der Regel leicht nachweisbar“) begründet eine Anknüpfung des Schutzes an ein Nichterscheinen des Werkes im Gegensatz zu einem „Nichtveröffentlichen“, eine Anknüpfung, die infolge der Gesetzesänderung in einem – bisher nicht geklärten Umfange (vgl. die Ausführungen zu 1.) – nunmehr fallen gelassen worden ist. Auch bedarf es keiner Entscheidung, ob Artikel 4 der Richtlinie eine abweichende Beweislastverteilung durch den nationalen Gesetzgeber überhaupt zulässt (was die Beklagte verneint). Jedenfalls kann die Begründung nicht so verstanden werden, als ob sie zugunsten des Prätendenten eine Beweislastverteilung vornehmen will (so auch Götting/Lauber-Rönsberg, a.a.O., bei Fn. 47). Sie soll – wie aus dem Gesamtzusammenhang hervorgeht – lediglich erläutern, weshalb aus Gründen der Rechtssicherheit an ein Nichterscheinen und nicht an eine Nichtveröffentlichung angeknüpft wird.
Soweit Thum (a.a.O., § 71 Rdnr. 13) auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Beweislastverteilung im Geschmacksmusterrecht verweist, hat das Landgericht bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass sie auf einer positiven gesetzlichen Norm zur Beweislast beruht.
Eine Beweislastumkehr kann auch nicht mit den Schwierigkeiten einer Beweisführung gerechtfertigt werden. Derartige Schwierigkeiten bestehen bei negativen Tatbestandsmerkmalen allgemein, ohne dass dies von vornherein zu einer Beweislastumkehr führen muss. Allerdings dürfen die Anforderungen an eine Beweisführung nicht derart hoch angesetzt werden, dass sie praktisch nicht möglich ist und die Norm dadurch „leer läuft“ (probatio diabolica). Dieser Gesichtspunkt führt aber nicht zu eine Umkehr der Beweislast, sondern kann nur bei der Bestimmung des an eine Darlegung und Beweisführung zu setzenden Maßes Berücksichtigung finden (vgl. Götting/Lauber-Rönsberg, a.a.O.).
Eine Beweislastverteilung nach Sphären führt – auch im konkreten Fall – nicht zu einer anderen Beweislastverteilung, wie der Senat bereits ausgeführt hat (so auch Götting/Lauber-Rönsberg, a.a.O.).
b) Die Beklagte hat dargelegt, dass es
– zu der damaligen Zeit in venezianischen Opernhäusern bei Auftragsarbeiten üblich war, auf Anforderung Kopien durch gewerbliche Kopisten von den bei den Opernhäusern verbliebenen „originali“ zu erstellen und an Interessenten in hinreichender Anzahl zu versenden,
– konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass im Falle der Oper „Motezuma“ von Vivaldi genauso verfahren wurde.
Wie bereits im Senatsurteil vom 16. August 2005 näher dargelegt – auf das verwiesen wird -, wurden nach den Ausführungen von B. (Anlage B 1), V. (Anlage B 4), S. (Anlage B 5), T. (Anlage B 6) und S. (Anlage B 8) die „originali“ bei dem betreffenden Opernhaus hinterlegt. Bei Auftragsarbeiten – eine solche ist in diesem Falle unstreitig – gingen (nach heutigem Sprachgebrauch) die Nutzungsrechte auf den Inhaber des Opernhauses über (so auch die Stellungnahme von B., Anlage K 16). Die Inhaber des Opernhauses ermöglichten es Interessenten, von diesen „originali“ durch gewerbliche Kopisten Kopien fertigen zu lassen, wobei Voss zufolge die für die Einsichtnahme zu entrichtende Vergütung Teil der Einnahmen des Opernhauses war. Wurden zunächst nur Teile von Opern (die wichtigsten oder alle Arien) kopiert, so wurde es ab 1720 auch üblich, ganze Opern zu kopieren. Soweit der Kläger – wie insbesondere in der mündlichen Verhandlung vom 21. November 2006 und in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28. November 2006 – die Stellungnahme S. (Anlage B 5) nicht im Sinne der Bestätigung einer Kopie ganzer Opern, sondern nur im Sinne der Kopie vollständiger Arien – einer oder mehrerer – versteht, ist auf die ergänzende Stellungnahme S. (Anlage AS 21 im Verfahren 12 O 355/05 LG Düsseldorf = I-20 U 123/05 OLG Düsseldorf) zu verweisen, in der er – u.a. unter Hinweis auf Leonardo Leos Oper „Catone in Utica“ – bestätigt, dass auf Wunsch von Mäzenen etc. auch vollständige Partituren einer Gesamtoper kopiert wurden.
Die Stellungnahmen von B. (Anlagen K 16, K 21) und des B.-Verlages (Anlage K 13) stehen dem nicht entgegen. Dass die Opern – im Gegensatz etwa zu Instrumentalwerken Vivaldis – nicht gedruckt wurden, beruht auf Unterschieden in der Verbreitung der Partituren. Während Instrumentalmusiken vom Komponisten verbreitet wurden, gingen die „Nutzungsrechte“ bei Auftragsarbeiten an Opern – wie hier – auf den Inhaber des aufführenden Opernhauses über. Zudem bestand auf Grund des erheblich geringeren Aufwandes für eine Aufführung nach Noten von Instrumentalmusik insoweit eine weitaus größere Nachfrage als für Opernpartituren, so dass sich bei Instrumentalmusik ein Druck – im Gegensatz zu Opern – lohnte. Des Weiteren war aufgrund der Vielzahl der Opernhäuser und der pro Saison aufgeführten Opern in Italien das Streben nach Aktualität derart hoch, dass ein breiteres Interesse nach „alten“ Opern im Allgemeinen nicht bestand. Interessenten waren auswärtige – vor allem deutsche und englische – Höfe, die entweder sich über moderne Trends der italienischen Musik informieren wollten oder sogar an eine eigene Aufführung dachten, oder auswärtige Komponisten, die ein Interesse an der Musik hatten. Vor allem V. hat in seiner Darstellung konkrete Beispiele für derartige nachgewiesene Kopien dargelegt.
Es gibt konkrete Anzeichen dafür, dass auch hinsichtlich der Oper „Motezuma“ von Vivaldi Kopien in hinreichender Anzahl (§ 6 Abs. 2 UrhG) hergestellt und versandt worden ist. Wie der Senat bereits in seinem vorbezeichneten Urteil ausgeführt hat, hat die Beklagte in Einzelheiten dargelegt, dass es sich bei der bei dem Kläger aufgefundenen Kopie um eine von einem in Venedig gewerblich tätigen Kopisten hergestellte sogenannte Reisekopie handelt, wie sie nach dem zuvor geschilderten Kopierbrauch in der damaligen Zeit üblich war. Soweit der Kläger darauf verweist, damit sei noch nichts für eine Zustimmung Vivaldis gesagt, ist dies unerheblich; wie er selber ausführt, hatte sich Vivaldi sämtlicher Rechte an der Komposition zugunsten des Inhabers des Opernhauses begeben. Dass gewerbliche Kopisten auf das beim Opernhaus hinterlegte „Original“ nur mit Zustimmung des Inhabers des Opernhauses Rückgriff nehmen konnten, versteht sich von selbst. Im Übrigen hatte sich Vivaldi durch die Hinterlegung des „originali“ beim Inhaber des Opernhauses in Kenntnis der gängigen Kopierpraxis mit einer Weiterverbreitung der Opernmusik einverstanden erklärt.
Es kann offen bleiben, ob allein die Hinterlegung des „originali“ verbunden mit der Zweckbestimmung, auf Anfrage beliebiger Dritter kopiert zu werden, und/oder die Anfertigung einer Kopie für ein „Erscheinen“ ausreicht. Es liegt jedenfalls nahe, dass es sich nicht um einzige Kopie handelt. Wegen des beschränkten Interessentenkreises und damit der Marktnachfrage können die Anforderungen an die Anzahl der Kopien nicht sehr hoch angesetzt werden. Unabhängig von der zwischen den Parteien umstrittenen Frage weiterer Aufführungen der Oper im 18. Jahrhundert handelte es sich bei „Motezuma“ nicht um „irgendeine“, alsbald vergessene Oper. Es sind einige der für die Aufführung der Oper 1733 an die Zuschauer vertriebenen Exemplare des Librettos vorhanden. Die Oper taucht in sämtlichen Katalogen für die betreffende Zeit auf. Die Erinnerung an sie hat, auch wenn ihre Musik als verschollen galt, lange Zeit nachgehalten. Dafür, dass die Partitur bereits zu Lebzeiten Vivaldis verschollen war (was ein Anzeichen für ein „Nichterscheinen“ sein könnte, so Götting/Lauber-Rönsberg, a.a.O.), ist nichts ersichtlich. Ob die „Wiederverwendung“ einzelner Arien aus „Motezuma“ in späteren Opern Vivaldis für eine besondere Popularität des Gesamtwerks spricht (so S.) oder ob angesichts der damaligen Praxis auch bei anderen Komponisten dieser Zeit andere Gründe dafür nahe liegen (z.B. Arbeits- und Zeitersparnis – wie von Georg Friedrich Händel bekannt -, nochmalige öffentliche Verwendung als gelungen angesehener Musik – so teilweise bei Johann Sebastian Bach -), bedarf danach keiner Entscheidung mehr.
Auch der Kläger hat zu dem Weg, den die Partitur in sein Archiv genommen hat, nichts vortragen können (vgl. die bloßen Mutmaßungen in der Broschüre Anlage K 23), so dass aus ihr keine Rückschlüsse darauf gezogen werden können, dass es sich bei der Kopie lediglich um ein Einzelexemplar handelt; folgt man einer Beweislast nach Sphären, würde dies im Übrigen insoweit erst recht eine Beweislast des Klägers begründen.
Der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf es nicht, da nichts dafür ersichtlich ist, dass ein Sachverständiger zusätzliche Erkenntnisse zutage bringen könnte.
Der Senat ist daher der Auffassung, dass dem Kläger trotz einer angesichts der lange zurückliegenden Zeit sowie der langen Dauer der „Verschollenheit“ der Partitur möglicherweise zugute kommenden Beweiserleichterung (vgl. Götting/ Lauber-Rönsberg, a.a.O., S. 644) in diesem Falle im Hinblick auf die konkret und nicht nur abstrakt-theoretischen Anzeichen für das Gegenteil den ihm obliegenden Beweis dafür, dass das Werk „noch nicht erschienen“ gewesen ist, nicht geführt hat.
c) Dass das damit anzunehmende Erscheinen im 18. Jahrhundert nicht bereits deswegen ausscheidet, weil es vor Erlass der modernen Urhebergesetze und nur handschriftlich erfolgte, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 16. August 2005 erläutert, dies greifen die Parteien auch nicht an (zustimmend auch Rüberg, a.a.O.).
d) Die in dem Verfahren nicht erörterte gegenteilige Frage, ob das Werk zum Zeitpunkt seines Entstehens urheberrechtlich geschützt gewesen sein muss – woran es mangels urheberrechtlicher Vorschriften zum damaligen Zeitpunkt von vornherein fehlen würde – (so Eberl, GRUR 2006, 1009; in diese Richtung möglicherweise auch die britische Regierung in ihrer „Explanatory Note“ zum o.g. Statutory Instrument 1996 No. 2967, wo es unter j) heißt: … create a new ‘publication right‘ in respect of works which, although protected by copyright at some time in the past, are out of copyright …“; dagegen aber unter Hinweis auf Sinn und Zweck der Regelung die einhellige Kommentarliteratur, s. nur Loewenheim, a.a.O., § 71 Rdnr. 8 m.w.N.), stellt sich nach dem zuvor Gesagten nicht.
3. Danach bedürfen die weiteren im Verfahren aufgeworfenen Fragen, insbesondere
– ob zugunsten von S. ein „Bearbeiter-Urheberrecht“ entstanden ist und ob dies einem später entstandenen Recht des Klägers nach § 71 UrhG entgegen gehalten werden könnte,
– ob dafür die Umstände eine Rolle spielen, unter denen S. in den Besitz einer Ablichtung der Partitur gekommen ist (zu dem Problemkreis in anderem Zusammenhang auch von Linstow, a.a.O., S. 307/308),
– ob die Herausgabe der Noten nur in Form einer unbearbeiteten – nach Darstellung der Beklagten für eine Aufführung als solche unzureichenden – Fotokopie grundsätzlich geeignet ist, als „Erscheinenlassen“ im Sinne des § 71 Abs. 1 UrhG zu bewerten ist,
keiner Entscheidung.
4. Nicht zu beanstanden ist es schließlich, dass das Landgericht nicht nur die Klage auf Auskunft und Rechnungslegung, sondern die Stufenklage insgesamt abgewiesen hat (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 254 Rdnr. 9). Denn unter diesen Umständen können dem Kläger von vornherein keine Schadensersatzansprüche zustehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Aus den obigen Ausführungen ergibt sich, dass auch die landgerichtliche Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO, die der Kläger auch im Wege der Berufung gegen die Hauptsacheentscheidung im Übrigen angreifen konnte (vgl. Zöller/ Vollkommer, a.a.O., § 91 a Rdnr. 56, § 99 Rdnr. 7), nicht zu beanstanden ist. Der Kläger wäre nämlich auch hinsichtlich seines Unterlassungsanspruchs unterlegen gewesen; die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagte führt zu keiner anderen Beurteilung (vgl. Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rdnr. 244).
Im Hinblick auf das Fehlen höchstrichterlicher Rechtsprechung zu § 71 UrhG und dem ihr zugrunde liegenden Artikel 4 der Richtlinie, insbesondere der umstrittenen Beweislastverteilung, werden die Revision (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2) sowie wegen der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO die Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 ZPO) zugelassen. Zwar werden gegen die Zulassung der Rechtsbeschwerde bei Kostenentscheidungen nach § 91a ZPO Bedenken erhoben (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 91 Rdnr. 27a; s. auch BGH WRP 2006, 607 – Auskunftsanspruch bei Nachbau III unter Rdnr. 25), die insoweit vorgebrachten Gründe treffen aber für die vorliegende Fallgestaltung, bei der die zu klärenden Rechtsfragen sowohl die Hauptsache als auch die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO betreffen, nicht zu.
Der Berufungsstreitwert wird auf 150.000,00 Euro festgesetzt. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass der Unterlassungsanspruch bereits in erster Instanz übereinstimmend für erledigt erklärt worden, als solcher daher beim Senat nicht angefallen ist und auch die darauf entfallenden Kosten bei der Streitwertberechnung nicht zu berücksichtigen sind (vgl. BGH NJW-RR 1995, 1089).

Dieses Urteil bookmarken Diese Icons verlinken auf Bookmark Dienste bei denen Nutzer neue Inhalte finden und mit anderen teilen können.
  • MisterWong
  • Digg
  • del.icio.us
  • Facebook
  • Google Bookmarks
  • MySpace
  • Technorati
  • Slashdot
  • YahooMyWeb
zur Druckversion zur Druckversion