Gericht: Verwaltungsgericht Köln
Entscheidungsdatum: 29.09.2000
Aktenzeichen: 25 K 460/99
Entscheidungsart: Urteil
eigenes Abstract: Der Kläger wollte ein Buch verlängern, obwohl die Leihfrist bereits überschritten war. Eine Bibliotheksangestellte wies ihn am Telefon an, ein Telefax zu schicken. Anhand des Telefaxes stellte sie fest, dass die Leihfrist überschritten und eine Verlängerung daher nicht möglich war. Sie schickte dem Kläger ein Schreiben, welches dieser nicht rechtzeitig erhielt, da er auf Reisen ging. Das Buch brachte er drei Wochen später zurück und weigerte sich, aufgrund des nicht erhaltenen Schreibens, die Säumnisgebühren von 9,00 DM zu zahlen. Die Klage wurde abgewiesen.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger lieh sich als Benutzer bei der von der Beklagten eingerichteten Stadtbibliothek C. Anfang September 1998 zehn Bücher aus, deren Rückgabefrist am 30.9.1998 ablief. Am 2.10.1998 wollte er telefonisch bei der Bibliothek eine Verlängerung unter anderem für das streitbefangene Buch erwirken. Die – mittlerweile nicht mehr bei der Beklagten beschäftigte – zuständige Sachbearbeiterin, Frau B. , teilte ihm mit, er könne sich per Telefax bei der Bibliothek melden. Daraufhin übersandte der Kläger am selben Tag ein Telefax, auf dem er neben der Auflistung einer Anzahl von Büchern unter anderem handschriftlich vermerkte: „Nach Rücksprache mit Frau B. per Fax…“ und: „Die … gekennzeichneten Bücher bitte verlängern.“
Die Beklagte wies den Kläger mit Schreiben vom 5.10.1998 darauf hin, dass das hier in Streit stehende Buch nicht verlängert werden könne, weil es bereits für einen anderen Kunden vorgemerkt worden sei. Das laut Poststempel am 6.10.1998 abgesandte Schreiben ging dem Kläger nicht vor dem 8.10.1998 zu. In der Mittagszeit des 7.10.1998 brachte der Kläger acht der zehn ausgeliehenen Bücher, jedoch nicht das streitbefangene Buch in die Bibliothek zurück, wobei die Sachbearbeiterin ihn auf das Schreiben vom 5.10.1998 hinwies. Der Kläger teilte ihr mit, dass ihm das Schreiben (noch) nicht zugegangen sei. Er trat unmittelbar nach der Rückgabe eine bis zum 21.10.1998 dauernde Reise an. Mit Schreiben vom 12.10.1998 forderte die Beklagte den Kläger auf, das Buch unverzüglich zurückzugeben, und wies darauf hin, dass bis zum 4.10.1998 bereits 4,00 DM an Mahngebühren angefallen seien und dieser Betrag sich um 1,00 DM je weiteren Öffnungstags, an dem das Buch nicht zurückgegeben werde, erhöhe. Der Kläger gab das Buch am 22.10.1998 zurück und erklärte, die Mahngebühren nicht zu zahlen, was er in einem an die Bibliothek gerichteten Telefax vom selben Tag wiederholte. Zur Begründung führte er aus, er habe keine Säumnis zu vertreten. Die Verlängerung sei mit der Sachbearbeiterin abgestimmt gewesen und per Telefax am 2.10.1998 erfolgt. Die Sachbearbeiterin habe ihn nicht darauf hingewiesen, dass eine Verlängerung nicht erfolgen könne. Nach der Rückkehr von seiner Reise habe er das ordnungsgemäß verlängerte Buch umgehend zurückgegeben. Von einer Vormerkung habe er zu spät erfahren. Das Schreiben vom 5.10.1998 habe ihn nicht mehr vor Reiseantritt erreicht.
Mit Schreiben vom 28.10.1998 zog die Beklagte den Kläger zu insgesamt 9,00 DM Mahngebühren heran. Dagegen verwahrte sich der Kläger mit Schreiben vom 6.11.1998 und bezog sich auf seinen „Widerspruch“ vom 22.10.1998.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.12.1998 zurück und erläuterte, die Sachbearbeiterin habe nach dem Telefonat am 2.10.1998 mangels Erreichbarkeit seines Anschlusses vergeblich versucht, dem Kläger per Telefax mitzuteilen, dass eine Verlängerung des streitbefangenen Buches nicht möglich sei. Dieser Umstand sei ihm deshalb in dem Schreiben vom 5.10. 1998 mitgeteilt worden.
Der Kläger hat am 20.1.1999 Klage erhoben, zu deren Begründung er wiederholend und vertiefend im Wesentlichen vorträgt, Grundlage der Verlängerung sei das Telefonat mit der Sachbearbeiterin am 2.10.1998 gewesen. Dabei habe sie ihm erklärt, dass eine Verlängerung – und nicht, wie sie vortrage, ein Verlängerungsantrag – nicht fernmündlich, sondern nur schriftlich möglich sei, und dass er per Telefax verlängern könne. Dementsprechend habe er im Telefax um Verlängerung gebeten, weshalb eine ordnungsgemäße Verlängerung erfolgt sei. Die Sachbearbeiterin hätte ihn nicht lediglich auf das Schriftformerfordernis, sondern auch auf die Notwendigkeit eines Antrags und dessen Überprüfung hinweisen müssen, weil ihr klar gewesen sei oder hätte klar sein müssen, dass ihm die Satzungsbestimmungen nicht präsent gewesen seien. Wenn ein solcher Hinweis erfolgt wäre, hätte er um Prüfung gebeten, ob die Ausleihfrist verlängert werden könne. Die Überprüfung hätte die Sachbearbeiterin am Computer durchführen und ihm deren Ergebnis noch während des Telefonats mitteilen können. Wenn sie und er wechselseitig einem Missverständnis erlegen gewesen seien, gehe dies nach den Regeln über allgemeine Geschäftsbedingungen zu Lasten der Beklagten. Die Schreiben vom 5. und 12.10.1998 habe er erst nach Rückkehr von seiner Reise zur Kenntnis nehmen können. Die von der früheren Mitarbeiterin der Beklagten unterzeichnete schriftliche Stellungnahme vom 27.10.1999 über das Telefonat sei auf Briefpapier der Beklagten geschrieben und von dieser vorformuliert worden.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Gebührenbescheide der Beklagten vom 12. und 28.10.1998 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 16.12.1998 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt sie unter Wiederholung und Vertiefung ihrer Ausführungen in den im Vorverfahren an den Kläger gerichteten Schreiben und Bescheiden vor, der Kläger habe damit rechnen müssen, dass eine Verlängerung der Leihfrist gegebenenfalls nicht möglich sei. Dass der Kläger die Schreiben vom 5. und 12.10.1998 erst nach seiner Rückkehr von einer Reise zur Kenntnis genommen habe, liege in seinem Verantwortungsbereich. Gemäß einer von der früheren Sachbearbeiterin unterzeichneten Stellungnahme vom 27.10.1999 habe diese dem Kläger in besagtem Telefonat mitgeteilt, dass von der Bibliothek keine Verlängerungsanträge per Telefon angenommen würden, aber die Möglichkeit bestehe, ein Fax zu senden. Sie habe ihm keine Auskunft darüber gegeben, ob der Verlängerungsantrag auch durchführbar sei.
Mit einem vom Gericht unterbreiteten Vorschlag zur außergerichtlichen gütlichen Einigung hat sich lediglich die Beklagte einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte trotz Ausbleibens der Beteiligten entscheiden, weil sie in den Terminsladungen darauf hingewiesen worden waren, § 102 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der Termin war auch nicht aufgrund des im Schriftsatz des Klägers vom 28.9.2000 enthaltenen Terminsaufhebungsantrags aufzuheben. Nach § 173 Satz 1 VwGO, § 227 Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben werden. Gemäß § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO ist ein erheblicher Grund für eine Terminsaufhebung jedoch insbesondere nicht das Ausbleiben einer Partei oder die Ankündigung, nicht zu erscheinen, wenn nicht das Gericht dafür hält, dass die Partei ohne ihr Verschulden am Erscheinen verhindert ist. Der Kläger war nicht ohne sein Verschulden an seinem Erscheinen verhindert. Insbesondere hinderte sein Erscheinen nicht die unterbliebene Ladung einer ehemaligen Sachbearbeiterin der Beklagten. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 20.9.2000 entgegen der Meinung des Klägers vorab per Telefax am selben Tag beim Gericht eintraf. Das nachgereichte Doppel des Originals wurde dem Kläger aufgrund der Verfügung vom 20.9.2000 mit einfacher Post übersandt, nachdem der Versuch, ihm das Schreiben per Telefax sowohl unter der auf Blatt 4 der Beiakte ersichtlichen Telefaxnummer als auch – versuchshalber – unter seiner von ihm in der Klageschrift angegebenen Telefonnummer zu übersenden, gescheitert war.
Die zulässige Klage ist unbegründet, weil die Gebührenbescheide der Beklagten vom 12. und 28.10.1998 in der Gestalt deren Widerspruchsbescheides vom 16.12.1998 rechtmäßig sind und den Kläger daher nicht in seinen Rechten verletzen, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Beklagte hat den Kläger zu Recht zu Mahngebühren in Höhe von 9,00 DM herangezogen. Rechtsgrundlage ist § 11 Abs. 1 in Verbindung mit der Tarifnummer 4.1 der Satzung der Stadtbibliothek C. vom 11. Mai 1998 – Bibliothekssatzung – (BS). Diese stellt, soweit Anlass zur Überprüfung bestand, gültiges Satzungsrecht dar. Nach den genannten Vorschriften beträgt die Gebühr bei Überschreiten der eingeräumten Leihfrist pro Band oder anderer Medieneinheit nach drei Karenztagen je Öffnungstag bei Erwachsenen 1,00 DM. Öffnungstage sind nach § 9 Abs. 3 Sätze 1 und 2 BS Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag. Alle übrigen Wochentage und Feiertage bleiben unberücksichtigt. Der Kläger hatte die Leihfrist, die am 30.9.1998 ablief, nach Ablauf von drei Karenztagen (nämlich am Donnerstag, dem 1.10., Freitag, dem 2.10. und Montag, dem 5.10.1998) um neun Tage überschritten. Dies betraf Mittwoch, den 7.10., Donnerstag, den 8.10., Freitag, den 9.10., Montag, den 12.10., Mittwoch, den 14.10., Donnerstag, den 15.10., Freitag, den 16.10., Montag, den 19.10. und Mittwoch, den 21.10.1998.
Der Heranziehung des Klägers steht nicht entgegen, dass er sich mit Telefax vom 2.10.1998 um eine Verlängerung bemüht hatte. Er konnte die Leihfrist nicht selbst verlängern. Folgerichtig „bat“ er auch um Verlängerung. Der Kläger geht fehl in der Annahme, allein die Bitte um Verlängerung reiche für eine ordnungsgemäße Verlängerung aus. Diese Bitte um Verlängerung stellte den nach § 9 Abs. 1 Satz 3 BS erforderlichen Antrag bei der Beklagten dar. Diesen stellte der Kläger jedoch zum einen nicht spätestens am 30.9.1998, dem Tag des Ablaufs der Leihfrist, wie es nach § 9 Abs. 1 Satz 3 BS erforderlich ist, sondern erst am 2.10.1998. Zum anderen kann einem Antrag gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 BS dann nicht stattgegeben werden, wenn – wie es hier der Fall war – eine anderweitige Vorbestellung eines Exemplars vorliegt. Im Übrigen wurde dies bereits in § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 der Satzung der Stadtbücherei C. vom 20.12.1985 bestimmt, die der Kläger dem Gericht auszugsweise in Kopie übersandt hat. Darauf, ob es weitere Exemplare des vom Kläger ausgeliehenen Buches gab oder nicht, kommt es danach entgegen seiner Meinung nicht an.
Sein Einwand, die Sachbearbeiterin hätte ihn auf die Notwendigkeit eines Antrags und dessen Überprüfung hinweisen müssen, greift ebenfalls nicht. Es oblag dem Kläger, sich von den veröffentlichten Satzungsvorschriften Kenntnis zu verschaffen. Die in § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen normierte Beratungs- und Auskunftspflicht der Behördenmitarbeiter besteht nur dann, wenn ein Versehen oder die Unkenntnis eines Bürgers offensichtlich ist. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass die Mitarbeiterin erkannte oder hätte erkennen müssen, dass dem Kläger die Bestimmungen der Satzung nicht geläufig waren. Aus seinem nicht den Satzungsbestimmungen entsprechenden Versuch, fernmündlich eine Fristverlängerung zu erreichen, war ohne weitere Anhaltspunkte nicht notwendigerweise zu schließen, dass ihm auch das Erfordernis einer Antragstellung und die Möglichkeit einer Ablehnung nicht geläufig waren. An welchen weiteren Umständen die Mitarbeiterin dies während des Telefonats erkannt haben sollte oder hätte erkennen müssen, hat er nicht dargelegt. Eine diesbezügliche Zeugeneinvernahme der damaligen Sachbearbeiterin kommt deshalb nicht in Betracht und ist im Übrigen auch vom Kläger nicht schriftsätzlich beantragt worden. Vor dem Hintergrund der eindeutigen Satzungsregelungen geht ein eventuelles Missverständnis entgegen der Meinung des Klägers zu seinen Lasten. Sein Hinweis auf die Regeln über allgemeine Geschäftsbedingungen geht hier fehl, weil diese nicht im öffentlichen Recht anwendbar sind und es zudem hier nicht um Bedingungen in einem Vertrag, sondern um ein Gespräch geht.
War die Mitarbeiterin der Beklagten nach all dem nicht verpflichtet, dem Kläger die Zusammenhänge von Antragstellung, Überprüfung und eventueller negativer Bescheidung am Telefon zu erläutern, war sie entgegen seiner Auffassung erst recht während des Telefonats mit ihm, also ohne Vorliegen eines schriftlichen Antrags, nicht verpflichtet, zu überprüfen, ob bereits eine Vorbestellung für das im Streit befangene Buch vorlag und deshalb ein – noch zu stellender – schriftlicher Antrag abzulehnen wäre.
Aus diesen Gründen kommt es nicht mehr darauf an, ob bei dem Telefonat am 2.10.1998 von „Verlängerung“ oder „Antrag auf Verlängerung“ die Rede war. Deshalb kann der diesbezügliche Vortrag des Klägers als wahr unterstellt werden, weshalb eine Zeugeneinvernahme der ehemaligen Sachbearbeiterin nicht in Betracht kommt, ebensowenig wie zur Behauptung des Klägers, die schriftliche Stellungnahme vom 27.10.1999 sei durch die Beklagte „vorformuliert“ worden. Der Einzelrichter merkt dazu jedoch an, dass für Letzteres nichts ersichtlich ist. Insbesondere ist dafür kein Anhaltspunkt, dass die Stellungnahme auf einem Briefbogen der Beklagten niedergeschrieben wurde. Dies ist vielmehr wegen des dienstlichen Zusammenhanges zwanglos verständlich.
Dass der Kläger die Schreiben der Beklagten vom 5. und 12.10. 1998 nicht mehr vor Antritt seiner Reise zur Kenntnis nehmen konnte, berührt die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide schon deshalb nicht, weil die Beklagte dies nicht zu vertreten hat. Die Reise des Klägers und ein eventueller Zugang von Post während seiner Abwesenheit fallen in seine Sphäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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