Gericht: Verwaltungsgericht Berlin
Entscheidungsdatum: 31.05.2018
Aktenzeichen: VG 2 K 174.17
Entscheidungsart: Urteil
eigenes Abstract:
Ein Journalist erbat über die Senatsverwaltung unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Einsicht bei der Bibliothek einer Stiftung in die Prüfberichte für die Geschäftsjahre 2013 und 2014. Die Stiftung widersprach der Einsicht. Die Senatsverwaltung entschied das der Journalist mit Schwärzung nicht öffentlich zugänglicher unmittelbarer personenbezogener Daten Einsicht in die Akten bekommen dürfe. Die Bibliothek widersprach dieser Entscheidung, der Senat wies sie als unbegründet zurück. Daraufhin legte die Bibliothek Klage ein. Sie ist der Überzeugung, dass die Aussage der Senatsverwaltung zu unbestimmt sei, welche Stellen zu schwärzen sein. Außerdem ist sie der Überzeugung, dass die geforderte Auskunft nicht unter das Informationsfreiheitsgesetzes falle, da es dem Journalisten nicht um die Kontrolle staatlicher Handlungen ging, sondern um Informationsgewinn über diese private Stiftung. Das Gericht hat der Klage der Bibliothek zugestimmt.
Tenor
Der Bescheid der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung vom 10. Juli 2017 (Geschäftszeichen 3416/1159/2/1) in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung vom 31. August 2017 (Geschäftszeichen II D – 3416/1159/2/1) wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Entscheidung der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung (im Folgenden: Senatsverwaltung), einem Dritten Einsicht in ihre Prüfberichte für die Geschäftsjahre 2013 und 2014 zu gewähren.
Die Klägerin ist eine gemeinnützige Stiftung im wissenschaftlichen Bildungsbereich und Trägerin der Bibliothek des Konservatismus in Berlin. Die Senatsverwaltung führt die Staatsaufsicht über die Stiftung, die bei ihr jährlich einen Prüfbericht einreicht.
Im Mai 2017 beantragte der Journalist P (im Folgenden: Journalist) bei der Senatsverwaltung unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz Einsicht in die Prüfberichte der Stiftung für die Jahre 2013 und 2014. Daraufhin gab die Senatsverwaltung der Klägerin Gelegenheit, zur beabsichtigten Stattgabe des Antrags Stellung zu nehmen. Die Klägerin widersprach einer Einsicht.
Mit E-Mail vom 10. Juli 2017 teilte die Senatsverwaltung dem Journalisten mit, seinem Antrag werde unter Schwärzung nicht öffentlich zugänglicher unmittelbarer personenbezogener Daten stattgegeben. Diese E-Mail übersandte die Senatsverwaltung der Klägerin zusammen mit einem mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehenem Schreiben vom selben Tag. In dem Schreiben begründete die Senatsverwaltung der Klägerin gegenüber die stattgebende Entscheidung. Dagegen erhob die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 14. August 2017 Widerspruch. Diesen wies die Senatsverwaltung mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2017, den Klägervertretern zugegangen am 6. September 2017, als unbegründet zurück.
Am 5. Oktober 2017 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, der Bescheid vom 10. Juli 2017 sei zu unbestimmt, weil nicht erkennbar sei, welche Teile der Prüfberichte geschwärzt würden. Zudem sei der Anwendungsbereich des Informationsfreiheitsgesetzes nicht eröffnet, da die begehrte Einsicht nicht zur Kontrolle staatlichen Handelns genutzt werde, sondern dem Auskundschaften privater Stiftungen diene.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich, den Bescheid der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung vom 10. Juli 2017 (Geschäftszeichen 3416/1159/2/1) in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung vom 31. August 2017 (Geschäftszeichen II D – 3416/1159/2/1) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Klage sei unbegründet. Das an die Klägerin gerichtete Schreiben vom 10. Juli 2017 enthalte keinen Verwaltungsakt; ein solcher sei lediglich gegenüber dem Journalisten erlassen worden. Diesem gegenüber habe es keiner Rechtsbehelfsbelehrung:bedurft, da er durch die stattgebende Entscheidung nicht beschwert worden sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung:in dem an die Klägerin gerichteten Schreiben sei erforderlich gewesen, um deren Widerspruchsmöglichkeit auf einen Monat zu begrenzen. Die Darlegung der Gründe für seine stattgebende Entscheidung allein gegenüber der Klägerin sei sachdienlich gewesen. Zum einen sei für den Journalisten ohne Belang, weshalb die Argumente der Klägerin nicht zu einer ablehnenden Entscheidung seines Informationsantrages geführt haben. Zum anderen könne eine einheitliche Begründung, die alle Argumente mehrerer Beteiligter abhandele, dazu führen, dass nicht nur dem jeweiligen Antragsteller sondern allen Beteiligten die Umstände bekannt würden, deren Offenlegung die jeweils anderen Beteiligten gerade verhindern wollen.
Mit Schriftsätzen vom 23. Mai 2018 haben die Klägerin und der Beklagte ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
A. Über die Klage entscheidet die Berichterstatterin ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§§ VWGO § 87a Abs. VWGO § 87A Absatz 2 und VWGO § 87A Absatz 3, VWGO § 101 Abs. VWGO § 101 Absatz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -).
B. Die Klage ist zulässig (I.) und begründet (II.).
I. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft. Nach § VWGO § 42 Abs. VWGO § 42 Absatz 1 Alt. 1 VwGO kann durch Klage die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) begehrt werden. Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin ausdrücklich gegen den an sie gerichteten Bescheid der Senatsverwaltung vom 10. Juli 2017 (Geschäftszeichen 3416/1159/2/1) in Gestalt des Widerspruchsbescheides der Senatsverwaltung vom 31. August 2017 (Geschäftszeichen II D – 3416/1159/2/1). Dieser Bescheid enthält entgegen der Auffassung des Beklagten einen Verwaltungsakt.
Der Inhalt des Schreibens der Senatsverwaltung vom 10. Juli 2017 ist nach den bei öffentlich-rechtlichen Erklärungen entsprechend anwendbaren Auslegungsregeln der §§ BGB § 133, BGB § 157 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – zu ermitteln. Danach kommt es nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (natürliche Auslegung), sondern auf den objektiven Erklärungsinhalt an. Maßgeblich ist, wie der Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen musste. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und deren objektiver Gehalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts zu ermitteln (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 20. Juni 2013 – BVERWG Aktenzeichen 8C4712 8 C 47.12 – zit. nach juris, Rn. 27; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Januar 2018 – OVG OVGBERLINBRANDENBURG Aktenzeichen 4S3317 4 S 33.17 – zit. nach juris, Rn. 5; s.a. zum Schein-Verwaltungsakt VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 10. Juli 2017 – VGHMANNHEIM Aktenzeichen 9S125317 9 S 1253/17 – zit. nach juris, Rn. 12). Die Auslegung muss sich auf die Erklärung in ihrer Gesamtheit und das mit ihr erkennbar verfolgte Ziel beziehen. Bei der Beurteilung der Frage, wie der Empfänger die Erklärung verstehen darf und muss, sind alle in Betracht zu ziehenden Umstände zu berücksichtigen, wobei äußere Form, Abfassung, Begründung, Beifügen einer Rechtsmittelbelehrungund vergleichbare Gesichtspunkte mögliche, wenn auch nicht je für sich zwingende Anhaltspunkte bieten können (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. September 1998 – BVERWG Aktenzeichen 6C698 6 C 6.98 – zit. nach juris, Rn. 29; OVG Berlin-Brandenburg, a.a.O.).
Von diesen Grundsätzen ausgehend handelt es sich bei dem Schreiben der Senatsverwaltung vom 10. Juli 2017 um einen Verwaltungsakt im Sinne von § VWVFG § 35 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – (i.V.m. § 1 Abs. 1 Gesetz über das Verfahren der Berliner Verwaltung). Die Klägerin hat und musste das an sie gerichtete Schreiben der Senatsverwaltung vom 10. Juli 2017 als hoheitliche Maßnahme einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts mit unmittelbarer Außenwirkung verstehen (§ VWVFG § 35 S. 1 VwVfG). Das mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehene, an sie adressierte, auf einen konkreten Sachverhalt Bezug nehmende Schreiben erweckte auch mit seiner äußeren Form und Abfassung („Ich begründe den Bescheid Ihnen gegenüber … wie folgt“) den Eindruck, die Senatsverwaltung beabsichtige der Klägerin gegenüber zu regeln, dass die von dieser begehrte Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs keinen Erfolg hat. Aus der Formulierung „meinen Bescheid vom heutigen Tag, mit dem ich den Antrag des Antragstellers auf Einsichtnahme in die Prüfberichte der Stiftung für die Geschäftsjahre 2013 und 2014 stattgegeben habe“ geht bei der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nicht hinreichend deutlich hervor, dass gegenüber der Klägerin gerade kein Verwaltungsakt ergehen sollte. Als „Bescheid“ bezeichnet die Senatsverwaltung nicht nur die an den Journalisten gesendete E-Mail, sondern im Widerspruchsbescheid auch das an die Klägerin gerichtete Schreiben vom 10. Juli 2017 („Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung zunächst auf die Ausführungen in dem Bescheid vom 10. Juli 2017 Bezug genommen.“). Die Erwägungen der Senatsverwaltung, dass nur die Klägerin einer Begründung der behördlichen Entscheidung des Akteneinsichtsantrages und einer Rechtsbehelfsbelehrung:bedurfte, haben im Wortlaut des Schreibens vom 10. Juli 2017 keinen Niederschlag gefunden. Sie waren aus objektiver Empfängersicht nicht erkennbar. Der Annahme, das Schreiben enthalte einen Verwaltungsakt, stehen sie daher nicht entgegen.
II. Die Klage ist begründet, weil es an einer Rechtsgrundlage für den erlassenen Verwaltungsakt fehlt.
Der Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes, wie ihn der mit der Klage angegriffene Bescheid vom 10. Juli 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. August 2017 darstellt, setzt grundsätzlich voraus, dass für die getroffene rechtliche Regelung in materieller Hinsicht eine gesetzliche Grundlage besteht und dass die Behörde in der Form eines Verwaltungsaktes handeln darf (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 35 Rn. 23 m.w. N. zur Rspr. des BVerwG; vgl. zu den hier nicht einschlägigen Ausnahmen vom Erfordernis einer besonderen Handlungsermächtigung im Bereich des Beamtenverhältnisses und in den Fällen, in denen sich die Rückforderung als actus contrarius der Gewährung darstellt: Kopp/Ramsauer, a.a.O. Rn. 23a m.w.N.; vgl. dazu, dass auch ein feststellender Verwaltungsakt einer Rechtsgrundlage bedarf: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 9. November 2015 – VGHMANNHEIM Aktenzeichen 11S71415 11 S 714/15 – zit. nach juris, Rn. 31). Diese Voraussetzungen liegen hier bezogen auf den von der Klägerin angefochtenen Bescheid nicht vor. Die Befugnis, gegenüber dem Drittbetroffenen einen eigenen Verwaltungsakt zu erlassen, ist dem Informationsfreiheitsgesetz nicht zu entnehmen. Im Gegenteil, das Informationsfreiheitsgesetz Berlin – IFG Bln – gebietet nur eine Entscheidung über den Antrag auf Informationszugang gegenüber dem Antragsteller (hier: dem Journalisten); diese Entscheidung ist auch dem Betroffenen bekannt zu geben, der dann hiergegen Rechtsmittel einlegen kann (vgl. § IFG § 14 Abs. IFG § 14 Absatz 2 S. 2 und 5 IFG Bln – „die Entscheidung“). Dem aus § IFG § 14 Abs. IFG § 14 Absatz 2 S. 4 IFG Berlin folgenden Interesse der Behörde am schnellen Eintritt der Bestandskraft einer stattgebenden Akteneinsichtsentscheidung („Die Akteneinsicht darf erst nach Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung gegenüber den Betroffenen … erteilt werden“) kann hier durch die Zustellung des an den Journalisten gerichteten und mit einer Rechtsbehelfsbelehrung:versehenen Bescheides Rechnung getragen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. März 2010 – BVERWG Aktenzeichen 7B309 7 B 3.09 – zit. nach juris, Rn. 16).
Entgegen der Annahme des Beklagten setzt sich das Gericht mit den vorstehenden Ausführungen auch nicht in Widerspruch zu „seiner Rechtsauffassung (…), wie sie in den Verfahren VG 2 K 61.17 bis VG 2 K 66.17 zum Ausdruck gekommen ist“. Es kann dahinstehen, ob der Sachverhalt in den vorgenannten Verfahren mit dem hiesigen überhaupt vergleichbar ist. Denn es ist schon nicht ersichtlich, woran der Beklagte eine Bindung des Gerichts knüpfen will. In den vorgenannten Verfahren ist kein Urteil des Gerichts ergangen. Vielmehr haben die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und eine Einigung über die Kostentragung erzielt. Für eine Entscheidung des Gerichts in der Sache bestand angesichts dessen keine Veranlassung. Die Kostenentscheidung des Gerichts ist der Kosteneinigung der Beteiligten gefolgt. Unabhängig hiervon ergeht diese bei übereinstimmender Hauptsachenerledigungserklärung gemäß § VWGO § 161 Abs. VWGO § 161 Absatz 2 VwGO nach billigem Ermessen, wobei die Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur summarisch zu prüfen sind.
C.Die Kostenentscheidung folgt aus § VWGO § 154 Abs. VWGO § 154 Absatz 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § VWGO § 167 VwGO i.V.m. §§ ZPO § 708 Nr. ZPO § 708 Nummer 11, ZPO § 711, ZPO § 709 S. 2 ZPO.
Beschluss
- Der Wert des Streitgegenstandes wird gemäß §§ 39 ff., 52 f. des Gerichtskostengesetzes auf 5.000,00 Euro festgesetzt.