Gericht: Vergabekammer Rheinland
Entscheidungsdatum: 21.12.2017
Aktenzeichen: VK VOL 23/17
Entscheidungsart: Beschluss
eigenes Abstract:
Ein Konsortium aus Hochschulbibliotheken hat einen Vertrag zur Einführung einer cloudbasierten sog. Next-Generation-Bibliotheksinfrastruktur für ihren Bibliotheksverbundes europaweit ausgeschrieben. Eine nicht berücksichtigte Firma erhob gegen das Ausschreibungsverfahren Beschwerde im Vergabegericht Rheinland. Das Gericht hat die Beschwerde zugelassen
Instanzenzug:
Vergabekammer Rheinland, 21.12.17 – VK VOL 23/17
Oberlandesgericht Düsseldorf, 27.06.2018 – Verg 4/18
Beschluss
In dem Nachprüfungsverfahren
der Firma _____ -Antragstellerin-
Verfahrensbevollmächtigte: _____
gegen das
_____ -Antragsgegner-
Verfahrensbevollmächtigte:_____
sowie als weitere Beteiligte:
Firma _____ -Beigeladene-
wegen „Cloudbasierte Bibliotheksinfrastruktur“ hat die Vergabekammer Rheinland (Spruchkörper Köln) durch die Vorsitzende _____, die hauptamtliche Beisitzerin _____ und den ehrenamtlichen Beisitzer _____ auf die mündliche Verhandlung vom 23.11.2017 beschlossen:
1. Der Ausschluss des Teilnahmeantrags der Antragstellerin wird aufgehoben. Der Antragsgegner wird dazu verpflichtet, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht den Teilnahmeantrag der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin.
3. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.
4. Die Hinzuziehung von Bevollmächtigten durch die Verfahrensbeteiligten wird für notwendig erklärt.
4. Die Gebühr der Vergabekammer nach § 182 Abs. 1 GWB wird auf _____ € festgesetzt.
Gründe :
I.
Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 16.06.2017 einen Vertrag zur Einführung einer cloudbasierten Next-Generation Bibliotheksinfrastruktur für die Hochschulbibliotheken des nordrhein-westfälischen Bibliotheksverbundes im Verhandlungsverfahren mit vorgeschaltetem Teilnahmewettbewerb europaweit aus.
Die Laufzeit des Vertrages soll 5 Jahre betragen.
In den Teilnahmebedingungen zu Abschnitt III 1.3 der EU-Bekanntmachung wurden verschiedene Eignungsvorgaben festgelegt, zu denen jeweils Referenzen als Mindeststandards gefordert wurden. Unter Ziffer 1 lit. d wird eine Referenz gefordert für „den Betrieb eines cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystems, in dem die Daten, die auf lokaler und kooperativer Ebene gehalten werden, eine CC0-Lizenz (https://creativecommons.org/publicdomain/zero/1.0/deed.de) haben“. Unter Ziffer 1 lit. e werden zwei Referenzen für „in Deutschland bereits automatisierte Fernleihservices, dazu gehört der Anschluss an den ZFL-Server über das SLNPProtokoll, in einem cloubasierten [sic! cloudbasierten] Bibliotheksmanagementsystem“ gefordert. Unter Ziffer 1 lit. l werden ebenfalls zwei Referenzen gefordert für „die erfolgreiche Migration von Fremdsystemen Lokalsysteme anderer Anbieter) innerhalb des deutschsprachigen Bereichs unter Berücksichtigung des europäischen Datenschutzes auf die neue cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware. Umfang der Migration der Lokaldaten: Bestandsdaten, Bewegungsdaten (mindestens Leihfristen und Gebühren).“
Nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 11.07.2017 mehrere Teilnahmebedingungen der Ausschreibung. Nach ihrer Auffassung engten die Teilnahmebedingungen der Ziffern 1 lit. d, e und l den Wettbewerb in vergaberechtlich unzulässiger Weise sein. Hinsichtlich der unter Ziffer 1 lit. d geforderte Lizensierung mit der CC0-Lizenz mache es technisch keinen Unterschied, ob bibliographische Daten unter einer CC0-Lizenz oder einer CCBYLizenz oder nicht gesondert mit einer Lizenz ausgestattet werden. Die Anwendung der Antragstellerin könne unproblematisch Daten mit Lizenzen ausstatten, jedoch sei die Ausstattung der Daten mit einer CC0-Lizenz bislang noch von keinem Kunden angefragt worden.
Die geforderte Referenz unter Ziffer 1 lit. e über den Aufbau eines automatisierten Fernleihservice in einem cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystems mit Anschluss an den ZFL-Server über das SLNP-Protokoll grenze den Wettbewerb ebenfalls ungerechtfertigt ein. Eine Referenz über diese spezielle Ausgestaltung könne derzeit nur von der Beigeladenen erbracht werden. Dabei verfüge die Antragstellerin über das relevante technische Know-How und sei auch dazu in der Lage, diese spezielle Lösung technisch umzusetzen. Sie sei aber eben nicht dazu in der Lage eine entsprechende Referenz vorzuweisen, da bislang kein Auftraggeber nach dieser Verknüpfung verlangt habe.
Auch die unter Ziffer 1 lit. l geforderte Referenz über die erfolgreiche Migration von Fremdsystemen (Lokalsysteme anderer Anbieter) innerhalb des deutschsprachigen Bereichs auf die neue Bibliotheksmanagementsoftware könne derzeit nur von der Beigeladenen erbracht werden und stelle daher eine unzulässige Einschränkung des Wettbewerbs dar. Inhaltlich gehe es bei der Migration um das Know-How von bibliothekarischen Datenstrukturen, dem Export und der Transformation von Daten. Die Antragstellerin könne mit über 500 Migrationen auf die firmeneigene cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware aus insgesamt 30 Fremdsystemen einen reichen Erfahrungsschatz vorweisen und sei fachlich in der Lage, die ausgeschriebenen Kriterien abzubilden. Im Übrigen sei das Verfahren intransparent, da die veröffentlichten Vergabekriterien auf der eVergabe-Plattform des Landes NRW sowie die auf der Internetseite der EU-Bekanntmachungen zum Teil nicht identisch seien und Nachfragen der Antragstellerin und weiterer Bieter zum Vergabeverfahren vom Antragsgegner zwar beantwortet worden seien, diese Antworten jedoch nicht allen Bietern zugänglich gemacht worden seien.
Am 14.07.2017 gab die Antragstellerin fristgerecht einen Teilnahmeantrag ab. Mit Schreiben vom 18.07.2017 wies der Antragsgegner die Rügen der Antragstellerin abschließend zurück. Nach seiner Einschätzung erfüllten alle Eignungskriterien die Anforderungen des § 122 GWB, § 46 VgV. Das Verfahren sei auch nicht intransparent, da die Antragstellerin von dem maßgeblichen, korrigierten Bekanntmachungstext Kenntnis habe. Eine anonymisierte Veröffentlichung der Antworten der Bieterfragen an die Bieter habe nicht erfolgen müssen, da sich die Antworten auf die Fragen aus den Vergabeunterlagen selbst ergeben hätten und damit ein Wissensvorsprung der fragenden Bieter ausgeschlossen sei.
Mit schriftlicher Mitteilung vom 25.07.2017 schloss der Antragsgegner sodann den Teilnahmeantrag der Antragstellerin wegen des Nichterfüllens der zwingenden Eignungskriterien Ziffer 1 lit. e und l vom weiteren Verfahren aus.
In der Folge stellte die Antragstellerin am 01.08.2017 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer mit dem sie sich gegen die ihrer Ansicht nach vergaberechtswidrig gewählten Eignungskriterien und den Ausschluss des Teilnahmeantrags wendet.
Zur Begründung ergänzte sie ihr Vorbringen aus der Rüge vom 11.07.2017.
Der ZFL-Server mit SLNP-Anbindung sei eine technische Gegebenheit, die es einzig in Deutschland gebe. Somit würden Bewerber aus dem EU-Ausland ebenso wie die Antragstellerin selbst automatisch von der Vergabe ausgeschlossen. Die Antragstellerin verfüge aber über die erforderlichen technischen Kenntnisse, um die SLNP-Anbindung wie gefordert realisieren zu können, da sowohl der ZFL-Server als auch die SLNP-Schnittstelle eigene Entwicklungen der Antragstellerin seien.
Ausgerechnet das Merkmal dieses speziellen Anschlusses herauszugreifen und dazu eine Referenz zu fordern, widerspreche auch jedweder sachgerechter Systematik bei der Festlegung der Eignungskriterien, da dieses Merkmal im Vergleich zu den sonstigen Anforderungen an eine cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware von absolut untergeordneter Bedeutung sei und daher auch als ein A-2019-Merkmal hätte gefasst werden können.
Hinsichtlich der Forderung aus Ziffer 1 lit. l (zwei Referenzen über die erfolgreiche Migration von Fremdsystemen innerhalb des deutschsprachigen Bereichs) sei das Eignungskriterium so gewählt worden, dass möglichst unbeschränkter Wettbewerb nicht möglich sei, da trotz hinreichender Erfahrung in diesem Bereich seitens der Antragstellerin diese keine Möglichkeit habe, ihre Erfahrungen in dem Vergabeverfahren einzubringen. Die Erfahrungen der Antragstellerin würden sich dabei auf alle für dieses Projekt relevanten Fremdsysteme (vor allem _____ und _____) erstrecken.
Zudem sei das Vergabeverfahren insgesamt aus mehreren Gründen intransparent. So gebe es die in der Rüge dargestellten Abweichungen bei den Bekanntmachungen und bei der Behandlung der Bieterfragen. Auch sei die Anforderung der Teilnahmebedingungen Ziffer 1 lit. j mit der Formulierung „und mindestens bis zu 6.000 Ausleihen“ völlig offen und für eine quantitative Bewertung des Ausleihvolumens ungeeignet. Die Antragstellerin beantragte zuletzt, den Ausschluss des eigenen Teilnahmeantrags aufzuheben und den Antragsgegner zu verpflichten, bei fortbestehendem Beschaffungswillen den Teilnahmeantrag unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer neu zu werten.
Der Antragsgegner trat dem Nachprüfungsantrag entgegen und verteidigte die von ihm aufgestellten Eignungskriterien als vergaberechtskonform. Alle gewählten Kriterien erfüllten die Anforderungen des § 122 Abs. 4 Satz 1 GWB und stünden mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und angemessenem Verhältnis. Ziel sei es, ein cloudbasiertes Bibliotheksmanagement zu beschaffen, das sofort einsetzbar ist. Gegenstand der Beschaffung sei daher die Implementierung eines von den Bietern anzubietenden, bereits vorhandenen Systems und dezidiert kein Software-Entwicklungsprojekt. Der Antragsgegner könne und wolle keinen Auftrag zur Entwicklung eines noch nicht bestehenden EDV-Systems vergeben. Es sei zu berücksichtigen, dass im bisherigen Bibliotheksverbund aus der Historie heraus sehr viele unterschiedliche, lokale Bibliotheksmanagementsysteme zum Einsatz kämen, die zukünftig in das ausgeschriebene cloudbasierte System migriert werden müssten. So gebe es u. a. Universitätsbibliotheken mit einschichtiger Bibliotheksstruktur und zweischichtiger Bibliotheksstruktur (neben der Universitätsbibliothek existieren dezentrale Instituts- oder Fakultätsbibliotheken, die oftmals eigenständig und unabhängig sind), Fachhochschulbibliotheken, Landesbibliotheken (als Zusatzaufgabe von drei Universitätsbibliotheken), Kunst- und Musikhochschulbibliotheken, Spezialbibliotheken und Bibliotheken mit Aufgaben „Fachinformationsdienst für die Wissenschaft“ (FID-Bibliotheken) (als Zusatzaufgabe einzelner Universitätsbibliotheken).
Beim Antragsgegner werde derzeit ein Verbundsystem für die kooperative Katalogisierung und für die zentralen Metadatenmanagementservices eingesetzt. Es werden u. a. ca. 20 Millionen Titeldaten der _____-Verbundregion und 45 Millionen Bestandsnachweise sowie die nationalen Normdaten (GND) und die Titel- und Bestandsnachweise zu den national gepflegten fortlaufenden Ressourcen (ZDB, EZB) vorgehalten. Die zentral vorhandenen Titel- und Bestandsdaten der gesamten ____- Verbundregion bildeten die Grundlage für den zentralen Service der Fernleihe.
Die durch die Bibliotheken und Verbünde verwalteten Metadaten lägen derzeit verteilt in den verschiedenen Bibliotheksmanagementsystemen vor. In dem zukünftigen cloudbasiertem System sollten alle Daten zentral gespeichert werden, wodurch die doppelte Datenhaltung der bibliographischen Metadaten auf der lokalen Ebene der Bibliotheken und auf der kooperativen Ebene der _____-Verbunddatenbank hinfällig werden solle. Alle Bibliothekstypen der _____-Verbundregion sollten über eine neue kooperative Infrastruktur verwaltet werden. Dabei müsse das neue cloudbasierte System gewährleisten, dass es bereits von Beginn an voll einsatzfähig sei und über alle Funktionen verfüge, die die derzeit im Einsatz befindlichen, heterogenen Bibliotheksmanagementsystemen auch erfüllen könnten.
Vor diesem Hintergrund sei die Forderung nach zwei Referenzen über in Deutschland bereits automatisierter Fernleihservices unter Anschluss an den ZFL-Server über das SLNP-Protokoll in einem cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystem (Ziff. 1 lit e) vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
Die Fernleihe gehöre zu den wichtigen kundennahen Services, um in den Bibliotheken zeitnah auch die Literatur zur Verfügung stellen zu können, die vor Ort nicht verfügbar ist. Die Fernleihzahlen seien im _____-Verbund jährlich so hoch (über 500.000 aktiv, über 400.000 passiv), dass ein – auch nur in Teilen – manueller Workflow nicht akzeptabel sei. Derzeit würde die Fernleihe im _____-Verbund DV-technisch automatisiert betrieben, indem Fernleihen in einem zentralen Server entgegengenommen, weitergeleitet und verwaltet würden.
Bei der Schnittstelle zu diesem Server (SLNP-Protokoll) handele es sich in Deutschland mittlerweile um einen Quasi-Standard, der in vier von sechs Verbünden eingesetzt werde. Das SLNP-Protokoll ermögliche die Verbindung zwischen dem zentralen Fernleih-Server (ZFL-Server) verbundseitig und den lokalen Bibliotheksverwaltungssystemen an den Hochschulen. Von Benutzern oder Bibliothekaren elektronisch aufgegebene Fernleihen würden im ZFL-Server verwaltet und gesteuert. In der vorhandenen technischen Realisierung der Fernleihe erfolge die Prüfung der Verfügbarkeit eines Titels und ggf. eine anschließende Bestellung mit Ausdruck eines Bestellscheins automatisch.
Die Anschaffung eines gemeinsamen Bibliotheksmanagementsystems ohne Fernleih-Schnittstelle würde bedeuten, dass diese Fernleihanfragen händisch bearbeitet werden müssten. Das würde wiederum zu einer nicht vertretbaren Mehrbelastung des vorhandenen Personals und dem Bedarf an zusätzlichem, neuem Personal führen. Dass die Forderung unter Ziffer 1 lit. e sich auf ein Fernleihsystem in Deutschland beschränke, liege daran, dass es ein so ausdifferenziertes Fernleihsystem nur in Deutschland gebe. In anderen Ländern, insbesondere etwa im anglo-amerikanischen Bereich, fehlten derartige zentrale Fernleihsysteme.
Im Übrigen habe der Antragsgegner ausdrücklich Referenzen zugelassen, die älter als drei Jahren sind und auch keine Anforderungen an das Volumen der geforderten Referenz gestellt. Gegenstand der streitgegenständlichen Ausschreibung sei der _____-Verbund mit 42 angeschlossenen wissenschaftlichen Bibliotheken, die ihrerseits teilweise sehr komplexe Binnenstrukturen aufwiesen. Die geforderten Referenzen müssten sich jedoch nur auf einen automatisierten Fernleihservice in einem cloudbasierten Bibliotheksmanagement in einer einzigen Bibliothek beziehen, ohne dass weitere Anforderungen an Größe, Struktur oder Wissenschaftlichkeit der Bibliothek gestellt werden. Für den Antragsgegner sei auch unerheblich, aus welchem EU-Land der Auftragnehmer komme. Eine entsprechende Einschränkung sei in den Vergabeunterlagen nicht enthalten. Mit diesen Vorgaben würde Wettbewerb ausreichend ermöglicht.
Soweit die Antragstellerin fordere, dass die geforderte Schnittstelle zum ZFL-Server über das SLNP-Protokoll auch als ein „A-2019“-Kriterium hätte ausgestaltet werden müssen, könne dem nicht zugestimmt werden. Die „A-2019“-Kriterien erfassten völlig andere Sachverhalte, bei denen es für den Antragsgegner und das dahinterstehende Konsortium hinnehmbar sei, dass die entsprechende Funktion im Vergabeverfahren noch nicht nachgewiesen wird, da die betroffenen Funktionen den Gesamterfolg des Projektes nicht gefährden. Für die zentrale Fernleihfunktion gelte das gerade nicht. Im Übrigen könne die Antragstellerin allein aus dem Vorhandensein von „A-2019“-Anforderungen keinen Anspruch herleiten, dass die Forderung nach der SLNP-Schnittstelle auch darunter gefasst werde. Entgegen dem Vortrag der Antragstellerin handele es sich bei der Umsetzung der SLNP-Schnittstelle auch nicht um einen Vorgang von untergeordneter Bedeutung, der in jedem Fall problemlos auch noch später realisiert werden könne. Das sei bereits daran zu erkennen, dass die Antragstellerin mit ihrem Bibliotheksmanagementsystem „_____“ aktuell Auftragnehmerin der Fachhochschulbibliothek _____ sei. Die SLNP-Schnittstelle könne von der Antragstellerin dort derzeit jedoch immer noch nicht angeboten werden. Im Juni 2017 habe die Antragstellerin mitgeteilt, die Schnittstelle solle bis Juni 2018 fertiggestellt werden.
Die unter Ziffer 1 lit. l geforderten Referenzen über die erfolgreiche Migration von Fremdsystemen innerhalb des deutschsprachigen Bereichs unter Berücksichtigung des europäischen Datenschutzes auf die neue cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware (BMS) sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Für dieses Merkmal müsse beachtet werden, dass maßgeblicher Bestandteil der zu vergebenden Leistung die Migration der Datenbestände sowohl des _____-Verbundes als auch der 42 angeschlossenen, sehr heterogenen, lokalen Systeme auf das neue cloudbasierte BMS sei. Der Erfolg des Gesamtprojektes sei nur gegeben, wenn die Migration der einzelnen Bibliotheken und des _____-Verbundes auf das neue Zielsystem für die Öffentlichkeit unbemerkt und ohne Performanceprobleme umgesetzt würden. Für den Antragsgegner sei daher elementar wichtig, dass der Auftragnehmer über ausreichend Erfahrung im Bereich der Implementierung und Migration von Fremdsystemen in das eigene System verfüge.
Erfahrungsgemäß gehörten Störungen bei der Migration zu den häufigsten Ursachen für Projektstörungen bei der Implementierung neuer DV-Systeme. Auch seien die Auswirkungen einer fehlgeschlagenen Migration erheblich, da, wenn sie nicht sogar zu einem Scheitern des Projektes führe, der Fehlschlag jedenfalls einen erheblichen Mehraufwand sowie Verzögerungen auslösen würde.
Wichtig sei dabei, dass sich die vorzuweisenden Referenzen auf die Migration von Fremdsystemen beziehe, da unterstellt werden könne, das ein angebotenes cloudbasiertes Managementsystem auf Migrationen aus den eigenen, vom Anbieter selbst betriebenen und implementierten Bibliotheksmanagementsystemen eingerichtet sei.
Die Einschränkung, dass die Migration im deutschsprachigen Raum vorgenommen worden sein muss, resultiere dabei aus den Besonderheiten im Bereich der wissenschaftlichen Bibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Diese Besonderheiten beträfen die zu gewährleistende Integration der GND-Normdatei für Personen, Körperschaften, Konferenzen, Geografika, Sachschlagwörter und Werktitel, die zur Katalogisierung von Literatur diene. Ferner müsse als weitere systemneutrale Datenbank die nationale Zeitschriftendatenbank (ZDB) mit zentralem Nachweis von Zeitschriften, Zeitungen und Datenbanken für Deutschland und Österreich mit Zugriff aus dem System heraus gewährleistet sein sowie die Elektronische Zeitschriftenbibliothek (EZB) mit dem zentralen Nachweis der elektronischen Zeitschriftenbestände integriert werden.
Darüber hinaus sei das im deutschsprachigen Bibliothekswesen verwendete MAB2-Format (Erfassungsformat für die Katalogisierung von Medien) sowie die in diesem Format erfassten mehrbändigen Werke nach RAK-WB zu berücksichtigen.
Historisch bedingt gebe es als deutsche Besonderheit bei den Universitätsbibliotheken zudem einige mit einer zweischichtigen Bibliotheksstruktur. Weitere Besonderheiten seien die Integration des zentralen Fernleihservers (hier _____-ZFL-Server) und der nationalen Statistik „Deutsche Bibliotheksstatistik“ (DBS) sowie die Differenzierung zwischen Freihandaufstellung und Magazinstandorten.
Auch bezüglich dieses Kriteriums war vorgegeben, dass Referenzen berücksichtigt werden, die mehr als drei Jahre zurückliegen und darüber hinaus keine weiteren Anforderungen an Volumen, Größe o. ä. gestellt. Damit reiche auch bezüglich dieses Kriteriums die Vorlage von zwei Referenzen für Kleinstbibliotheken mit einfacher Struktur aus.
Darüber hinaus habe der Antragsgegner auch zu diesem Kriterium keinerlei Einschränkungen oder Vorgaben zur Herkunft des Anbieters gemacht.
Soweit die Antragstellerin geltend mache, sie könne über 500 Migrationen auf die firmeneigene cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware aus insgesamt 30 Fremdsystemen vorweisen, sei dieser Vortrag mangels weiterer Belege für den Antragsgegner nicht einlassungsfähig. Aus der dazu vorgelegten Liste (Anlage ASt 9) mit 25 Referenzen ergebe sich jedoch, dass zwölf der aufgelisteten Referenzen – darunter auch die einzigen beiden deutschen Referenzen – sich nicht auf die Migration von Fremdsystemen sondern auf die Migration der eigenen Systeme der Antragstellerin und ihrer Unternehmensgruppe bezögen und damit als Referenzen nicht tauglich seien. Da die übrigen Referenzen lediglich Migrationen außerhalb des deutschsprachigen Raumes beträfen, könnten diese ebenfalls nicht herangezogen werden.
Soweit die Antragstellerin sich gegen die Teilnahmebedingung Ziff. 1 lit d (erforderliche CC0-Lizenz) wende, könne sie jedenfalls nicht in ihren Rechten verletzt sein, da diese Anforderungen im Teilnahmeantrag erfüllt seien und der Teilnahmeantrag nicht aus diesem Grund ausgeschlossen worden sei.
Hinsichtlich der übrigen Verfahrensrügen und angeblichen Intransparenz des Vergabeverfahrens sei die Antragstellerin ebenfalls nicht in ihren Rechten verletzt. In Bezug auf die angebliche Diskrepanz zwischen Bekanntmachung auf der Internetseite der EU und dem Vergabemarktplatz NRW könne festgestellt werden, dass die Antragstellerin ebenso wie alle anderen Verfahrensbeteiligten ihren Teilnahmeantrag unter Einbeziehung der „zusätzlichen Angaben“ ordnungsgemäß abgegeben habe. Der Antragsgegner habe nach dem entsprechenden Hinweis der Antragstellerin eine Korrektur der Bekanntmachung im Vergabemarktplatz NRW veröffentlicht, dessen weitere technische Umsetzung nicht beeinflusst werden könne.
Die darüber hinaus beanstandete Formulierung in Ziffer 1 lit. j der Teilnahmebedingungen sei mit dem Teilnahmeantrag erfüllt worden und verletze die Antragstellerin daher ebenfalls nicht in ihren Rechten.
Die Nachfragen zum Vergabeverfahren, die mit zwei E-Mails vom 28.06.207 und 29.06.2017 gestellt worden seien, hätten ebenso wenig der Veröffentlichung bedurft wie deren Beantwortung, da sich die Antworten auf die gestellten Fragen unmittelbar aus dem Wortlaut der Vergabeunterlagen selbst ergeben hätten. Ein Informationsvorsprung der Antragstellerin aufgrund der Beantwortung der Fragen sei daher nicht zu erwarten gewesen.
Mit Schriftsatz vom 10.11.2017 ergänzte die Antragstellerin nach erfolgter Akteneinsichtnahme und unter Berücksichtigung der Antragserwiderung ihren Vortrag. Hinsichtlich der Referenzforderung der umgesetzten Anbindung des ZFL-Servers über des SLNP-Protokoll wies sie nochmals daraufhin, dass sowohl der ZFL-Server als auch das SLNP-Protokoll eigene Entwicklungen seien, die fortlaufend gepflegt und weiterentwickelt würden. ZFL-Server und das SLNP-Protokoll seien sehr beliebt und würden wegen der einfachen Struktur (eine selbsterklärende, „lesbare“ Syntax) bei vielen Bibliotheken zum Einsatz kommen. Zwingende Voraussetzung für eine funktionierende Fernleihe sei das SLNP-Protokoll jedoch nicht. Soweit vom Antragsgegner Zweifel an der technischen Eignung der Antragstellerin mit der bislang nicht erfolgten Umsetzung des SLNP-Protokolls für die Bibliothek der FH _____ begründet werde, werde klargestellt, dass die vorgesehene Umsetzung des Protokolls erst für diesen Zeitpunkt (Juni 2018) vorgesehen sei. Die Terminierung habe nichts mit der Komplexität des Problems zu tun sondern schlicht mit der Priorisierung und Konzentration der Ressourcen auf Wunsch der dortigen Auftraggeberin.
Im Übrigen sei nicht erkennbar, warum nicht auch die Umsetzung der SLNP-Schnittstelle als A-2019-Kriterium ausgestaltet worden sei. Jedenfalls sei eine Umsetzung der Schnittstelle bis zum 01.01.2019 bzw. bis Herbst 2018 zu Testzwecken unproblematisch möglich. Auch sei der Schwierigkeitsgrad für die Erzielung einer Lösung für dieses Element aus technischer Sicht im Verhältnis zu den notwendigen Erfahrungen zur Entwicklung der kompletten cloudbasierten Infrastruktur von absolut untergeordneter Bedeutung.
Soweit der Antragsgegner darauf hinweise, dass das gewählte Eignungskriterium dadurch abgemildert werde, dass auch Referenzen, die mehr als drei Jahre zurückliegen, vorgelegt werden könnten und auch Referenzen ausreichten, die den Anschluss einer Kleinstbibliothek mit einfachen Strukturen betreffen, trete in tatsächlicher Hinsicht keine Erleichterung ein. Vor drei Jahren habe kaum ein Anbieter ein cloudbasiertes System in Deutschland betrieben, weil die Technik noch nicht so weit fortgeschritten war. Es mache auch keinen Unterschied, ob eine Kleinstbibliothek oder eine Universitätsbibliothek angeschlossen werde, da die technische Lösung unabhängig von der Größe der Bibliothek dieselbe sein müsse.
Zur geforderten Referenz über die Migration von Fremdsystemen im deutschsprachigen Raum wurde darauf hingewiesen, dass nicht vermischt werden dürfe, was unter den Begriff der eigentlichen Datenmigration falle und was im Gegensatz dazu die Anforderungen an das bereitzustellende Zielsystem angehe. Bei der Migration von Fremdsystemen gehe es darum, Daten aus einem Quellsystem in ein neues Zielsystem zu übertragen. Daneben gebe es Anforderungen an das Zielsystem, bestimmte Funktionalitäten, Schnittstellen etc. funktionsfähig vorzuhalten. Die Anforderungen an das Zielsystem seien jedoch nicht mit dem Vorgang der eigentlichen Migration zu vermengen.
In Deutschland gebe es weder besondere „deutsche“ Regeln zur Migration von Daten noch ein spezielles „deutsches“ Format für Daten. Daten blieben unabhängig von der durch sie gespeicherten Sprache schlicht Daten. Aus diesem Grund verstoße die Einengung auf deutsche Referenzen auch gegen das Diskriminierungsverbot gemäß Art. 56 AEUV, da die Erfahrung mit einer Migration im deutschsprachigen Bereich einer Erfahrung mit einer Migration in anderen Sprachregionen gleichstehe.
Die vom Antragsgegner vorgetragenen „deutschen“ Besonderheiten für die Migration in Form der Integration der GND (Gemeinsame Normdatei der Deutschen Nationalbibliothek), der Zeitschriftendatenbank (ZDB) und der elektronischen Zeitschriftenbibliothek (EZB), die Anbindung an den ZFLServer, die Integration von Magazinen sowie die Integration der Deutschen Bibliotheksstatistik (DBS) seien keine Besonderheiten für die Migration von Daten sondern lediglich gewünschte Produktmerkmale für das Zielsystem. Die Berücksichtigung des MAB2-Formats sei darüber hinaus nicht so kritisch wie dargestellt, da das Format nicht mehr der aktuelle Standard sei, im Übrigen aber unproblematisch umgesetzt werden könne. Die Antragstellerin verfüge auch über Erfahrungen bei der Migration zweischichtiger Bibliothekssysteme, was jedoch durch die erfragten Referenzen nicht abgefragt werde.
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen ergebe sich, dass der bei der Referenzforderung über Migrationen von Fremdsystemen gelegte Fokus auf den deutschsprachigen Raum kein relevantes Auswahlkriterium sein könne.
Die Antragstellerin könne umfangreich belegen, Daten aus verschiedensten Quellsystemen in ihr Zielsystem importieren zu können. Gleiches gelte für die Arbeit mit nichtbibliographischen Daten, für deren erfolgreiche Migration es darauf ankomme, Erfahrungen im Umgang mit den Exporten aus dem jeweiligen Quellsystem zu haben. Diese könne die Antragstellerin unproblematisch vorweisen. Im Übrigen unterscheide sich die Migration auf cloudbasierte Systeme nicht grundlegend von der Migration auf ein serverbasiertes System. Es gehe jeweils um einen Datenexport und einen Datenimport. Die Variationen in den Arbeitsflüssen und der Systemstruktur, die bei einem cloudbasierten System durchaus aufträten, könnten ebenso bei einem serverbasierten System auftreten und wirkten sich bei der eigentlichen Migration nicht aus.
Die Sachwidrigkeit der Auswahl der unter Ziffer 1 lit. e und l vorgegebenen Eignungskriterien ergebe sich auch bei Betrachtung der Festlegungen der einzelnen A und A-2019 Kriterien. Es würden mitunter für das Projekt untergeordnete Funktionen (z.B. Anbindung an den ZFL-Server über die SLNPSchnittstelle) als A-Kriterien definiert, die bei fehlender Referenz zu einem Ausschluss vom Teilnahmewettbewerb führten.
Technisch essentielle, für den Erfolg des Projekts entscheidende Aspekte (z.B. Zugang zur GND, Abbildung der lokalen Gebührenordnung, Zugang zum NRW-BMS ist passwortgeschützt) hingegen seien als A-2019-Kriterien eingeordnet, die noch nicht einmal für ein Angebot zu einem späteren Zeitpunkt in Form von Referenzen nachweisbar sein müssten.
Schließlich weise die Vergabeakte erhebliche Mängel auf und verstoße damit gegen § 8 Abs. 1 und 2 VgV. In der Vergabeakte fehlten jegliche Hinweise zur Auswahl, Herleitung, Begründung und Gewichtung der Eignungskriterien potentieller Anbieter.
Ebenso gebe es trotz der Komplexität und des großen Umfangs des Projekts mit vielen Beteiligten und unüberschaubaren Möglichkeiten und Implikationen durch das hoch technologisierte Produkt keinerlei Dokumentation über Überlegungen, Abwägungen oder gar Gremienentscheidungen in der Vergabeakte. Auf dieser Grundlage könne nicht überprüft werden, ob der Antragsgegner seine Abwägungen zur Begründung und Gewichtung von Referenzen vergaberechtlich zulässig getätigt hat.
Ebenso fehlten jegliche Aufzeichnungen zu Treffen zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen, die anlässlich der streitgegenständlichen Ausschreibung deutlich von Einreichung der Vergabeakten bei der zuständigen Kammer stattgefunden hätten. Der Antragsgegner möge sich diesbezüglich wahrheitsgemäß erklären.
Mit Schriftsatz vom 17.11.2017 nahm der Antragsgegner ergänzend Stellung. Er erläuterte, das SLNP-Protokoll sei bereits derzeit für die zentrale Fernleihe bei den Konsortiumsmitgliedern im Einsatz und eine Umstellung des Systems auf eine Kommunikation per E-Mail in diesem Bereich einen gravierenden Rückschritt darstelle, der nicht gewollt sei.
Mit der Anbindung über das SLNP-Protokoll werde in Sekundenschnelle nach automatischer Ablehnung die Bestellung an die nächste Bibliothek weitergeleitet, die das Exemplar besitze. Zudem werde das Medium automatisch bei der verleihenden Bibliothek als ausgeliehen und bei der leihenden Bibliothek die Bestellung auf dem Benutzerkonto verbucht. Die Rückgabe des Mediums erfolge im entsprechenden Verfahren. Diese Schritte müssten bei Anwendung des ZFL-Servers ohne die Schnittstelle manuell erfolgen.
In diesem Fall könnten Studierende zudem das Rechercheergebnis nicht per Knopfdruck in die Fernleihe übernehmen sondern müssten dazu eine separate Maske aufrufen, in die die Bestellung vollständig neu eingetippt werden müsste.
Diesbezüglich sei auch zu beachten, dass die im Verbund des Antragsgegners agierenden Bibliotheken sehr groß seien mit entsprechend hohem Fernleihaufkommen von mehr als 20.000 bis über 60.000 externen Bestellwünschen und 20.000-50.000 Bestellungen der eigenen Nutzer.
Diese deutsche Besonderheit im Bereich der Fernleihe sei auch nicht mit anderen Fernleihsystemen aus anderen Ländern vergleichbar. So sei im amerikanischen System eine manuelle Prüfung der Ausleihbarkeit erforderlich. Die Reihenfolge der möglichen Lieferbibliotheken müsse vom Nutzer selbst festgelegt werden. Darüber hinaus gebe es zusätzlich regional organisierte Fernleihverbünde, das darauf schließen lasse, dass der Nutzerbedarf nicht allein durch das von der Antragstellerin betriebene System _____ gedeckt werden könne.
Im Übrigen stimme die Behauptung der Antragstellerin, dass vor drei Jahren noch kein Anbieter ein cloudbasiertes System in Deutschland im Einsatz gehabt habe nicht, da nach Kenntnis des Antragsgegners die Freie Universität Bozen bereits im Jahr 2011 und die sächsischen Hochschulen Dresden und Leipzig im April 2014 mit einer entsprechenden Implementierung begonnen hätten.
Soweit die Antragstellerin gegen die unter Ziffer 1 lit. L (erfolgreiche Migration von Fremdsystemen) geforderten Referenzen vorbringt, es gäbe keine „deutschen“ Besonderheiten in diesem Bereich, sei dieser Vortrag nicht zutreffend. Zunächst umfasse der Begriff der „Migration“, wie der Antragsgegner ihn verwende, nicht nur die reine Datenmigration. Vielmehr sei damit auch die Umsetzung der Daten im Rahmen der Migration auf ein neues System in eine komplett neue Infrastrukturumgebung einschließlich z.B. Funktionalität und Schnittstellen gemeint. Wenn der Antragsgegner eine reine „Datenmigration“ meine, sei das in den Vergabeunterlagen auch so bezeichnet.
Daten hätten eine bestimmte Bedeutung, die zum einen über das Datenformat definiert werde und zum anderen auch – was die bibliographischen Daten betreffe – über das zu Grunde liegende bibliographische Regelwerk und dessen Anwendung hinaus reiche.
Die Daten könnten nicht vollständig losgelöst von diesem Kontext betrachtet werden. Gerade dieser Kontext bereite bei der Datenmigration regelmäßig Probleme (z. B. zu berücksichtigende spezielle deutschsprachige hierarchische Verknüpfungen in der Datenstruktur o.ä.).
Die Vergabeakte sei dem § 8 VgV entsprechend geführt. Alle relevanten Aspekte seien in der Vergabeakte enthalten. Es sei aber zu berücksichtigen, dass Aspekte wie z.B. die Auswahl der Eignungskriterien, die lediglich einer eingeschränkten Überprüfbarkeit unterliegen, einer geringeren Begründungs- und Dokumentationstiefe unterfallen würden.
Ebenso sei jeglicher Kontakt zwischen Antragsgegner und Beigeladener vollständig in der Vergabeakte dokumentiert.
In der mündlichen Verhandlung am 23.11.2017 wurde die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert.
Die Antragstellerin legte dar, dass sie zu der Referenz der Migration von Fremdsystemen auf das eigene cloudbasierte Bibliotheksmanagementsystem alle abgefragten Punkte vorweisen könne jedoch nicht in einer einzelnen Referenz zusammengefasst. So könne sie ausreichende Referenzen über die Migration von Fremdsystemen auf das eigene Bibliotheksmanagementsystem vorlegen, die jedoch nicht im deutschsprachigen Raum erfolgten. Ebenso könne sie Referenzen über Migrationen vorlegen, die innerhalb des deutschsprachigen Raumes unter Berücksichtigung der dort herrschenden Besonderheiten stattgefunden hätten. Aus diesem Grund verfüge sie über die notwendige Eignung, das Projekt anforderungsgerecht umzusetzen.
Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung trug die Antragstellerin mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 28.11.2017 weiter vor, dass dem Antragsgegner bereits vor Einleitung des Vergabeverfahrens aus Veranstaltungen bekannt war, dass die Antragstellerin bislang ihr eigenes cloudbasiertes Bibliotheksmanagementsystem nur einmal im deutschsprachigen Raum betreibt und damit die geforderten Referenzen nicht erfüllen kann. Ebenso sei dem Antragsgegner bekannt gewesen, dass die SLNP-Schnittstelle der Antragstellerin noch nicht fertig ist, eine Fertigstellung aber im Sommer 2018 erfolgen solle. Schließlich habe der Antragsgegner entgegen eigenem Vortrag einschlägige Marktkenntnis und sei sich der enge dieses hochspezialisierten Marktes – es gebe lediglich die Antragstellerin und die Beigeladene als große Anbieter, die eine Cloudlösung einsetzten – bewusst.
Der Antragsgegner erwiderte mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 04.12.2017. Soweit die Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung angedeutet habe, auf die streitgegenständlichen Referenzen hätte im Rahmen der Eignungsprüfung im Teilnahmewettbewerb verzichtet werden können, um die entsprechenden Fähigkeiten über die dahingehende Zuschlagskriterien sicherzustellen, die z. B. im Testlauf bewertet werden könnten, werde dem widersprochen. Die streitgegenständlichen Referenzen beträfen Fähigkeiten und Erfahrungen, die derart zentral und bedeutsam für die hier zu vergebenden Leistungen seien, dass sich der Antragsgegner nicht auf den von der Antragstellerin vorgeschlagenen Weg verweisen lassen müsse. Derartige Fähigkeiten könnten in den Testläufen auch gar nicht überprüft werden, da die Einbindung der ZFL-Schnittstelle in das Cloudsystem sowie die Migration von Fremdsystemen überhaupt erst im Rahmen der Leistungserbringung durchgeführt werden könnten.
Im Übrigen vertrete auch das OLG Düsseldorf den Standpunkt, dass ein sehr hoher Maßstab bei der Aufstellung von Eignungsvoraussetzungen bei der Beurteilung der Eignung durch besondere Umstände – z.B. bei sensiblen Vertragszwecken – gerechtfertigt sein könne.
Darüber hinaus sei auch dem Einwand zu widersprechen, dass der Antragsgegner bei der Vorbereitung der Vergabe eine derart tiefgründige Marktkenntnis zu cloudbasierten Bibliotheksmanagementsystemen gehabt haben müsse, dass ihm bereits zu jenem Zeitpunkt hätte bewusst sein müssen, dass die Antragstellerin die geforderten Referenzen nicht erbringen könne. Diese Marktkenntnis habe indes nicht bestanden. Woher solle der Antragsgegner schließlich wissen, wie und in welchem Umfang welcher Marktteilnehmer aktiv sei. Da die Referenzforderungen zudem hinsichtlich Größe und Zeitraum offen formuliert wurden, sei für den Antragsgegner nicht auszuschließen gewesen, dass die Antragstellerin taugliche Referenzen vorweisen könne.
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Schriftsätze verwiesen.
II.
Die Vergabekammer Rheinland (Spruchkörper Köln) ist gemäß §§ 155, 156 Abs.1 GWB i. V. m. § 2 Abs. 2 der VO Verordnung über Einrichtung und Zuständigkeit der Vergabekammern NRW (Zuständigkeitsverordnung Vergabekammern NRW – VK ZuStV NRW vom 02.12.2014 für die Entscheidung zuständig.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
1. Der gemäß § 106 GWB i. V. m. § 3 VgV maßgebliche Schwellenwert wird zweifelsfrei überschritten.
2. Die Antragstellerin ist antragsbefugt gemäß § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat durch Abgabe ihres Teilnahmeantrags ihr Interesse am Auftrag dokumentiert und eine Verletzung ihrer Rechte aus § 97 Abs. 6 GWB geltend gemacht.
Namentlich macht sie einen Verstoß gegen § 122 Abs. 4 GWB wegen unverhältnismäßiger Eignungskriterien in Form der geforderten Referenzen Ziffer 1 lit. e und l sowie Dokumentationsmängel (§ 8 VgV) hinsichtlich der geführten Vergabeakte geltend. Alle geltend gemachten Rechtsverletzungen betreffen bieterschützende Vorschriften. Insbesondere erfüllen die geltend gemachten Dokumentationsmängel auch das Erfordernis, dass sich der geltend gemachte Mangel gerade auch auf die Rechtstellung der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren nachteilig ausgewirkt haben könnte, da die Dokumentationsmängel die Auswahl und Begründung der gewählten Eignungskriterien betreffen
siehe OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.03.2004 – Verg 1/04, juris, Rdnr. 6.
3. Auch ein Schaden wurde ausreichend geltend gemacht, da bei unterstelltem Zutreffen des Vortrags der Antragstellerin der Teilnahmeantrag nicht hätte ausgeschlossen werden dürfen. Die Zuschlagschancen der Antragstellerin hätten sich damit verbessert.
4. Auch ihrer Rügepflicht aus § 160 Abs. 3 GWB ist die Antragstellerin fristgemäß nachgekommen. Die fehlerhaft gewählten Eignungskriterien wurden mit Schreiben vom 11.07.2017 fristgerecht gerügt.
Der erstmalig im Nachprüfungsverfahren nach erfolgter Akteneinsicht geltend gemachte Verstoß gegen die gem. § 8 VgV bestehende Dokumentationspflicht unterfällt nicht der Rügepflicht gemäß § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB, da dieser Aspekt erst im Laufe des Nachprüfungsverfahrens bekannt wurde.
III.
Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.
Die vom Antragsgegner in den Teilnahmebedingungen unter Ziffer 1 lit. e und l geforderten Referenzen über die Anbindung des ZFL-Servers und die Migration von Fremdsystemen sind vergaberechtswidrig, da sie in unverhältnismäßiger Art und Weise den Wettbewerb einschränken.
1. Die vom Antragsgegner geforderten Referenzen über die Anbindung des ZFL-Servers über das SLNP-Protokoll (Ziffer 1 lit. e) und über die Migration von Fremdsystemen auf das eigene cloudbasierte System im deutschsprachigen Raum (Ziffer 1 lit. l) verstoßen gegen § 122 Abs. 4 GWB, da sie zwar mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen, jedoch nicht angemessen sind.
Grundsätzlich steht es dem Auftraggeber frei, welche Eignungskriterien er für den Auftrag wie festlegt. Die Grenze der Freiheit des Auftraggebers bildet § 122 Abs. 4 GWB, wonach die Eignungskriterien in Verbindung zum Auftragsgegenstand stehen und angemessen sein müssen. Bei der Bestimmung dessen, was durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt und angemessen ist, steht der Vergabestelle ein Entscheidungsspielraum zu, der einer lediglich eingeschränkten Nachprüfung der Nachprüfungsinstanzen auf Einhaltung der Grenzen des Beurteilungsspielraums unterliegt. Die Nachprüfbarkeit bezieht sich dabei insbesondere darauf, ob die Vergabestelle von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeine Wertungsgrundsätze beachtet hat und keine sachwidrigen Erwägungen in die Wertung eingeflossen sind,
siehe OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.12.2011 – 74/11, juris, Rdnr. 33 m.w.N.
Die Angemessenheit unterwirft die Eignungsanforderungen dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und liegt vor, wenn die Eignungsanforderungen geeignet und relativ mildestes Mittel sind, die Leistungsfähigkeit im Hinblick auf den konkret ausgeschriebenen Auftragsgegenstand nachzuweisen,
siehe Kadenbach in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Auflage 2018, § 122, juris, Rdnr. 59.
Von der Angemessenheit geforderter Referenzen kann ausgegangen werden, wenn bei Vorliegen eines sachlichen Bezuges zum Auftragsgegenstand aus verständiger Sicht des Auftraggebers ein berechtigtes Interesse hinsichtlich der verlangten Nachweise besteht, so dass diese sachlich berechtigt und verhältnismäßig erscheinen und den Bieterwettbewerb nicht unnötig einschränken.
siehe OLG Düsseldorf, a.a.O., Rdnr. 34.
Diesen Anforderungen werden die in Rede stehenden Referenzforderungen nicht gerecht, wobei am sachlichen Bezug der Referenzforderungen kein Zweifel besteht.
1.1 Referenz ZFL-Server SLNP-Protokoll
1.1.1 Hinsichtlich der Forderung nach zwei Referenzen über die bereits fertig gestellte Schnittstelle ist bereits die Anzahl der geforderten Referenzen unverhältnismäßig, da es nicht das relativ mildeste Mittel darstellt. Wie in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage der Kammer übereinstimmend erläutert wurde, handelt es sich bei der in Rede stehenden Schnittstelle um ein Computerprogramm, das die Verbindung zwischen dem Zentralen Fernleihserver (ZFL) und der neuen cloudbasierten Software, die mit diesem Vergabeverfahren beschafft werden soll, herstellt. Das SLNP-Protokoll ist dafür zuständig, dass die Informationen, die sich aus der jeweiligen Fernleihe ergeben, auch in der von der cloudbasierten Software erfassten Umgebung umgesetzt/eingearbeitet/aufgenommen werden.
Dabei ist das SLNP-Protokoll nach dem Vortrag der Parteien so konzipiert, dass wenn es einmal mit der cloudbasierten Software in Verbindung gebracht wurde, immer gleich funktioniert. Weitere Anpassungen oder Konfigurationen sind auch bei Einsatz in einem anderen, neuen Auftrag nicht erforderlich. Mithin gibt bereits eine erfolgreiche Umsetzung der Schnittstelle im cloudbasierten System den erforderlichen Nachweis darüber, die Schnittstelle erfolgreich zum Einsatz bringen zu können. Die Forderung nach einer zweiten Referenz ist angesichts der Enge des Marktes in diesem hochspezialisierten Gebiet, in dem es nach übereinstimmender Auskunft der Verfahrensbeteiligten nur zwei Anbieter gibt, die die ausgeschriebene Lösung anbieten können, daher unangemessen.
1.1.2 Darüber hinaus ist aber auch die Forderung nach nur einer Referenz über die erfolgreiche Umsetzung der SLNP-Schnittstelle im vorliegenden Fall nicht angemessen, da der Auswahl dieses Eignungskriteriums vom Antragsgegner sachwidrige Erwägungen zu Grunde gelegt worden sind und damit der bestehende Beurteilungsspielraum überschritten wurde.
1.1.2.1 Zur Begründung der Forderung nach den Referenzen über die Umsetzung der SLNP-Schnittstelle wurde vom Antragsgegner detailliert beschrieben, welche Funktionen die SLNP-Schnittstelle erfüllt. Zudem wurde dargelegt, dass der Antragsgegner unter keinen Umständen auf diese Funktionen, die letztlich einen vollautomatisierten Ablauf der Fernleihe gewährleisten und mit denen bereits im derzeit vorhandenen System gearbeitet wird, verzichten will.
Zu diesen Begründungen ist festzustellen, dass sie lediglich dazu dienen können, die Forderung nach der SLNP-Schnittstelle als Teil der ausgeschriebenen Leistung selbst zu begründen.
Sie sind nicht dazu geeignet, die Forderung nach einer entsprechenden Referenz über die bereits erfolgte Umsetzung begründen zu können. Die eigentliche Forderung des Vorhaltens der Schnittstelle als Teil der ausgeschriebenen Leistung ist indes nicht streitig. Es ist vollkommen nachvollziehbar, dass der Antragsteller das bereits vorhandene automatisierte Verfahren auch in Zukunft einsetzen möchte.
Davon zu unterscheiden ist aber die Frage, ob der Antragsteller zum Nachweis der Leistungsfähigkeit hinsichtlich der SLNP-Schnittstelle Referenzen fordern kann, die im vorliegenden Fall als Ausschlusskriterien formuliert sind und den gesamten Wettbewerb ausschalten, da unstreitig lediglich die Beigeladene diese Referenzen vorlegen kann.
1.1.2.2 Zur weiteren Begründung für die geforderten Referenzen wurde die überragende Bedeutung der von Beginn an funktionierenden Fernleihe für das gesamte Projekt angeführt.
Es sei nicht hinnehmbar, dass zu irgendeinem Zeitpunkt ein auch nur teilweise manueller Betrieb der Fernleihe durchgeführt werden müsse, da die Fernleihe zu den wichtigen kundennahen Services gehöre, durch einen teilweise manuellen Betrieb mit erheblichem Mehraufwand zu rechnen sei und die Fernleihe zudem immer wichtiger für die Bibliotheken werde.
Auch diese Begründung vermag die durch die geforderten Referenzen ausgelöste Einschränkung des Wettbewerbs in diesem Fall nicht zu rechtfertigen. Die Begründung ist sachwidrig, da die vom Antragsgegner angeführte überragende Bedeutung der SLNP-Schnittstelle für das Gesamtprojekt nicht erkennbar ist. Als Beleg für die überragende Bedeutung der funktionierenden Fernleihe für das Gesamtprojekt wurden vom Antragsgegner Zahlen zur Fernleihe der Konsortialteilnehmer für 2016 vorgelegt (Anlage AG 1), aus denen sich sowohl die Bedeutung für die Kunden als auch der im Fall eines teilweisen Ausfalls eintretende Mehraufwand ableiten lassen sollen. Nach den vorgelegten Zahlen gibt es im Verbund des Antragsgegners jährlich ca. 590.000 aktive Fernleihen und ca. 430.000 passive Fernleihen.
Werden diese Zahlen jedoch mit anderen im Rahmen des zu vergebenden Auftrags anfallenden kundennahen Services verglichen, wird deutlich, dass die Fernleihe lediglich einen sehr geringen Teil des Gesamtauftrags betrifft. Zu den übrigen kundennahen Services zählen u. a. die vor-Ort ohne Fernleihe ausgeführten Ausleihen sowie entsprechende Verlängerungen oder Vormerkungen. Ausweislich des den Bietern zur Verfügung gestellten Mengengerüsts (Blatt 117 der Vergabeakte) fallen jährlich insgesamt ca. 6.577.085 Ausleihen (ca. 4.960.697 an den Hochschulen und ca. 1.616.388 an den Fachhochschulen) im Verbund insgesamt an. Hinzu kommen noch einmal über 8 Millionen Verlängerungen und über 700.000 Vormerkungen.
Die Fernleihe macht damit lediglich einen Anteil von unter 16% bei den gesamten Ausleihen aus. Werden auch noch die Verlängerungen und die Vormerkungen als kundennahe Services hinzugerechnet, sinkt der Anteil der Fernleihen sogar auf unter 7%. Bei diesen Zahlen ist auch noch nicht berücksichtigt, dass ein wesentlicher, zahlenmäßig nicht darstellbarer Teil der ausgeschriebenen Leistung darin besteht, die gesamten Daten, die sich derzeit auf den lokalen Ebenen der einzelnen Bibliotheken und auf der kooperativen Ebene des Verbundes befinden (mehrere Millionen), im neuen cloudbasierten System zusammenzuführen und danach dauerhaft zur täglichen Verwendung vorzuhalten.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass dem Aufkommen der Fernleihe sowohl im Bereich der kundennahen Services als auch in Bezug auf die übrigen Leistungsinhalte lediglich keine überragende Bedeutung zukommt. Der weit überwiegende Teil der Bibliotheksarbeit, gleich ob kundennaher Service oder kundenferne Arbeit, findet unabhängig von der Fernleihe statt.
Da der Antragsgegner neben den vorgelegten Fallzahlen keine weitere Begründung für die überragende Bedeutung der Fernleihe für das Gesamtprojekt vorgetragen hat, ist die Referenz zur bereits umgesetzten SLNP-Schnittstelle auf eine unzutreffende und damit sachwidrige Grundlage gestützt.
1.1.2.3 Darüber hinaus hat der Antragsgegner sich auch zu keinem Zeitpunkt mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die strenge Formulierung der Referenzforderung als Ausschlusskriterium zu einem vollständigen Ausschluss des Wettbewerbs führt. Die alleinige Aussage in der mündlichen Verhandlung und im nicht nachgelassenen Schriftsatz dazu, man habe im Vorfeld keine Marktanalyse/Marktabfrage durchgeführt und daher keine Kenntnis von der wettbewerbseinschränkenden Wirkung gehabt, überzeugt die Kammer nicht. Es handelt sich vorliegend um einen hochspezialisierten Markt, der nach übereinstimmendem Vortrag der Parteien im Bereich der cloudbasierten Bibliotheksmanagementsoftware im Wesentlichen von der Beigeladenen und der Antragstellerin bestimmt wird.
Der Antragsgegner hat dargelegt, mit welcher Sorgfalt und mit welchem Aufwand das hiesige Vergabeverfahren vorbereitet wurde. Es gab einen Lenkungskreis mit Teilnehmern aus allen dem Antragsgegner angeschlossenen Bibliotheken. Es gab eine lange Vorbereitungsphase, in der Bedarf und Möglichkeiten ermittelt wurden.
Demnach war ein breit aufgestelltes Know-How vorhanden, das zudem auch weite Regionen des Landes NRW abdeckte. Es handelt sich zudem, wie die Verfahrensbeteiligten in der mündlichen Verhandlung bestätigten, um einen in diesem Bereich sehr großen Auftrag mit sehr komplexen Strukturen und Inhalten. Gerade aus diesem Grund und dem Umstand, dass der Leistungsinhalt nicht bis ins letzte Detail vorgegeben werden konnte, wurde als Verfahren auch das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb gewählt.
Die Kammer geht davon aus, dass durch den eingesetzten Lenkungskreis zur Vorbereitung der Vergabe zumindest grob ermittelt wurde, welche Lösungsmöglichkeiten am Markt bereits vorhanden und welche Lösungsmöglichkeiten vom Konsortium gewünscht sind. Dies alleine schon um nicht Gefahr zu laufen, eine Ausschreibung zu starten, die von Anfang an mangels technischer Umsetzbarkeit gescheitert ist. Die Kammer geht vor diesem Hintergrund ebenfalls davon aus, dass dem Antragsgegner bewusst war, dass die aufgestellte Referenzforderung den Bieterkreis einschränkt, zumal sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene Auftragnehmer des Antragsgegners sind.
Alles andere wäre angesichts der besonderen Umstände, wie Komplexität und Wichtigkeit des Auftrags wenig nachvollziehbar.
Der Antragsgegner hätte sich im Hinblick auf den bestehenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz daher aus Sicht der Kammer zwingend mit der Frage auseinander setzen müssen, warum nicht eine Punktevergabe für die geforderte Referenz, wie sie auch für andere Referenzforderungen (siehe Blatt 123 der Vergabeakte) vorgesehen ist, als milderes Mittel in Betracht kam oder ein anderes milderes Mittel vorhanden gewesen wäre.
Darüber hinaus hätte der Antragsgegner auch den Umstand berücksichtigen müssen, dass das gewählte Verhandlungsverfahren im Vergleich zu einem offenen Verfahren Möglichkeiten bietet, in der Verhandlungsphase Ergebnisse zu beeinflussen und zu erreichen, so dass die Referenz über die SLNP-Schnittstelle nicht als hartes Ausschlusskriterium hätte formuliert werden müssen.
Da jegliche Erwägungen zu diesen Aspekten fehlen, ist die Auswahl der Referenzforderung auch insoweit ermessensfehlerhaft.
1.1.2.3 An dieser Einschätzung der Kammer ändert auch der Hinweis des Antragsgegners im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 04.12.2017 auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 20.9.2005 (AZ: Verg 50/05) nichts. Wie der Antragsgegner selbst ausführt, hat das OLG Düsseldorf in diesem Verfahren entschieden, dass auch sehr hohe, den Wettbewerb einschränkende Eignungsanforderungen durch den Auftraggeber in besonderen, sensiblen Situationen gerechtfertigt sein können.
Im dort entschiedenen Fall lag die Besonderheit in der Bauumgebung mit angrenzendem Kanal und Belangen verschiedener angrenzender Nachbarn und daraus resultierendem erheblichen Gefahrenpotentials.
Diese Besonderheiten sind vorliegend jedoch nicht gegeben. Vorliegend geht es um den Betrieb einer cloudbasierten Computersoftware, die im Bereich von Bibliotheken zum Einsatz kommt. Erhebliches Gefahrpotential oder besonders schutzbedürftige sensible Bereiche sind nicht erkennbar.
1.1.2.4 Auch das Argument des Antragsgegners, die Ausschreibung sei nicht als Softwareentwicklungsprojekt ausgestaltet, würde aber dazu werden, wenn ein Bieter den Zuschlag erhalte, der bislang die SLNP-Schnittstelle nicht an die eigene cloudbasierte Software fertiggestellt habe, ist sachwidrig.
Zunächst wird darauf hingewiesen, dass der Antragsgegner selbst verschiedenste Anforderungen als A-2019-Kriterien formuliert hat, die demnach auch erst nach Vertragsbeginn vorliegen müssen. Diese umfassen auch verschiedene Features der neuen Software, die demnach ebenfalls erst später fertiggestellt sein müssen. Würde der Argumentation des Antragsgegners zur SLNP-Schnittstelle gefolgt werden und damit die vollständige Fertigstellung der Software vor Beginn des Auftrags gefordert werden, würde es sich wegen der formulierten A-2019-Kriterien doch um ein Softwareentwicklungsprojekt handeln, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass Bieter manche Anforderungen auch tatsächlich erst zu dem späteren, festgelegten Zeitpunkt fertigstellen.
Die Argumentation des Antragsgegners wäre diesbezüglich in jedem Fall widersprüchlich und damit sachwidrig.
Darüber hinaus geht die Kammer in Bezug auf die SLNP-Schnittstelle aber auch nicht davon aus, dass selbst bei noch nicht umgesetzter bzw. erstmaliger Umsetzung der Schnittstelle die Ausschreibung den Charakter eines Softwareentwicklungsprojekts annimmt. Denn einerseits betrifft die Umsetzung der Schnittstelle lediglich einen sehr kleinen Teil der gesamten zu beschaffenden Software. Zudem zeichnet sich ein Softwareentwicklungsprojekt wohl dadurch aus, dass die abgefragte Software entweder noch gar nicht oder aber nur in begrenzten Teilen bereits existiert, überwiegend aber noch geschaffen werden muss. Genau diese Situation ist bei der vorliegenden Ausschreibung jedoch nicht vorhanden. Alle Komponenten, die für die Anbindung des ZFL-Servers über die SLNP-Schnittstelle an die cloudbasierte Software notwendig sind, sind vorhanden. Es fehlt lediglich die Umsetzung. Diese hat aber nichts mit einer Neuentwicklung von Software zu tun.
1.2 Referenz Migration Fremdsysteme
Die in den Teilnahmebedingungen unter Ziffer 1 lit. L geforderten Referenzen über die bereits erfolgte Migration von Fremdsystemen auf die eigene cloudbasierte Bibliotheksmanagementsoftware im deutschsprachigen Raum sind ebenfalls nicht angemessen, da die Referenzen den Wettbewerb in nicht gerechtfertigter Art und Weise einschränken.
Mit dieser Teilnahmebedingung werden Referenzen über verschiedene Merkmale gleichzeitig abgefragt. Die geforderten Referenzen dienen dazu, die technische Leistungsfähigkeit in Bezug auf die Migration von Fremdsystemen in das eigene System und in Bezug auf den Umgang mit den Besonderheiten bei einer Migration von wissenschaftlichen Bibliotheken im deutschsprachigen Raum nachzuweisen.
Die Eingrenzung, dass die beiden abgefragten Leistungsnachweise in einer Referenz erfüllt sein müssen, ist unverhältnismäßig. Für die Kammer ist nicht erkennbar, dass die von den Bietern in diesen Bereichen vorhandenen Erfahrungen ausschließlich durch eine einzige Referenz nachgewiesen werden können.
Wie der Antragsgegner wiederholt vorgetragen hat, umfasst der ausgeschriebene Auftrag die Migration von mindestens 8 verschiedenen vorhandenen lokalen Bibliothekssoftwaresystemen sowie der Verbunddatenbank in das neue cloudbasierte System.
Wegen dieser komplexen Aufgabe und zur Gewährleistung eines reibungslosen Ablaufs, so der Vortrag des Antragsgegners in der Antragserwiderung, müsse der Auftragnehmer über eine kompetente und erfahrene Implementierungs- und Migrationstruppe verfügen, die in der Lage ist, die vorhandenen Daten und Strukturen der aktuellen Systeme (Altsysteme) routiniert zu analysieren und zu konvertieren.
Hierzu müsse er (der Auftragnehmer) sowohl im Projektmanagement als auch auf der IT-technischen und bibliothekstechnischen Seite über die erforderliche Erfahrung verfügen.
Der Antragsgegner hat explizit lediglich zwei Referenzen über erfolgreiche Fremdmigrationen gefordert, so dass er einen Nachweis über die vorhandenen Erfahrungen lediglich für maximal ein Viertel der zu migrierenden Systeme erhalten kann.
Da seitens des Auftraggebers zudem keine Vorgabe dahingehend gemacht wurde, dass die Migration von Fremdsystemen für die Referenzen zwingend zwei unterschiedliche Fremdsysteme betreffen müssen, muss der Antragsgegner als Mindeststandard sogar die zweimalige Migration desselben Fremdsystems als zulässig und ausreichend erachten. Mit Referenzen über zwei Migrationen von einem Fremdsystem können jedoch, gerade was die Fähigkeiten zur routinierten Analyse und Erfassung von Strukturen der Daten aus Altsystemen angeht, Erfahrungen nur minimal nachgewiesen werden. Es bleiben viele, vor allem die übrigen Fremdsysteme (im Zweifelsfall sieben verschiedene) betreffende Aspekte und Besonderheiten gänzlich unberücksichtigt und ohne Erfahrungswerte.
Vor diesem Hintergrund ist bereits fraglich, ob die geforderten Referenzen überhaupt dazu geeignet sind, die vom Antragsgegner abgefragten Erfahrungen sicherzustellen, wobei es vorliegend darauf nicht ankommt.
Es muss nämlich berücksichtigt werden, dass die in Rede stehenden Referenzen in der gewählten Form zu einem vollständigen Erliegen des Wettbewerbs führen, da lediglich die Beigeladene die Referenzen erbringen kann. Zwar besteht insoweit für einen Auftraggeber nicht die Pflicht, die Eignungskriterien so zu fassen, dass alle am Markt vorhandenen Unternehmen sich an einer Ausschreibung beteiligen können,
Allerdings ist der Auftraggeber aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dazu verpflichtet, das relativmildeste Mittel zu wählen, um den Wettbewerb möglichst wenig zu beeinträchtigen
siehe OLG Düsseldorf, a.a.O.
Diesbezüglich sind zwei Aspekte zu berücksichtigen. Zum einen ist der hier angesprochene Markt aus sich heraus derart eng, dass überhaupt nur eine sehr geringe Anzahl an für die Referenzen geeigneten Aufträgen (weit unter 10) zur Verfügung steht. Zum anderen ist der Auftragsgegenstand (eine Migration von Daten aus sehr heterogenen Altsystemen in ein neues cloudbasiertes System) in genau dieser Form mit genau diesen (mindestens acht verschiedenen) Altsystemen und genau diesem cloudbasierten neuen System bislang noch nicht umgesetzt worden. Aus diesem Grund verbleiben, egal welche Erfahrungen abgefragt werden, immer Unsicherheiten oder anders ausgedrückt, kann (anders als bei der Umsetzung der SLNP-Schnittstelle, s.o.) allein aus der Vorlage der geforderten Referenzen nicht zwingend auf den Erfolg der Migration geschlossen werden kann. Es wird vielmehr immer darauf ankommen, dass der Auftragnehmer seine allgemeinen Erfahrungen in diesem Bereich erfolgreich anwendet.
Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht zwingend, dass die Bieter ihre diesbezügliche Eignung nur durch Referenzen nachweisen können, die genau diesen Fall der Migration eines Fremdsystems im deutschsprachigen Raum betreffen,
siehe im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1.04.2012 – Verg 95/11, juris, Rdnr. 54.
Vielmehr können als milderes Mittel aus Sicht der Kammer durch Referenzen über Migrationen von Fremdsystemen auf das eigene cloudbasierte System im nicht-deutschsprachigen Raum die gewünschten Erfahrungen im Bereich der Analyse und Konvertierung der vorhandenen Daten und Strukturen in den Altsystemen nachgewiesen werden. Wenn dazu auch noch eine Referenz vorgelegt werden kann, die belegt, dass bereits eine Migration (unabhängig davon ob es sich dabei um ein eigenes oder ein Fremdsystem handelt) auch im deutschsprachigen Bereich stattgefunden hat, ist zudem die Erfahrung im Umgang mit den „deutschen“ Besonderheiten nachgewiesen, da bereits alle „deutschen“ Besonderheiten im neuen cloudbasierten System umgesetzt wurden. Jegliche weitergehende Anforderung ist aufgrund der besonderen Wettbewerbssituation und der geringen Aussagekraft angesichts der Vielzahl von zu migrierenden Altsystemen vergaberechtlich nicht zu rechtfertigen.
Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass sie eine Vielzahl von Referenzen über die erfolgreiche Migration von Fremdsystemen auf das eigene cloudbasierte System im nichtdeutschsprachigen Raum vorlegen könne sowie eine Referenz aus dem deutschsprachigen Raum über die Migration eines eigenen Altsystems in das neue System. Sollte dieser Vortrag zutreffend sein, sind nach den vorstehenden Ausführungen aus Sicht der Kammer die vom Antragsgegner gewünschten Erfahrungen ausreichend nachgewiesen.
Ob dieser Vortrag zutreffend ist, vermag die Kammer jedoch nicht zu beurteilen. Diese Prüfung obliegt vielmehr dem Antragsgegner im Rahmen einer bei fortbestehender Beschaffungsabsicht erneuten Prüfung des Teilnahmeantrags der Antragstellerin.
2. Da der Nachprüfungsantrag bereits wegen der unzulässig gewählten Eignungskriterien begründet ist, ist eine Entscheidung über die im Übrigen geltend gemachten Mängel an dem Vergabeverfahren (Verletzung des Transparenzgebots, mangelhafte Dokumentation der Vergabeakte etc.) entbehrlich.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
Die Antragsgegnerin trägt gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die Kosten des Nachprüfungsverfahrens, weil sie unterlegen ist.
Die Pflicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin folgt aus § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst.
Die Hinzuziehung von Bevollmächtigten war angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten notwendig.
V.
Gegen diese Entscheidung der Vergabekammer ist die sofortige Beschwerde zulässig.
Sie ist binnen einer Notfrist von zwei Wochen, die mit der Zustellung dieser Entscheidung beginnt, schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen.
Die sofortige Beschwerde ist zugleich mit ihrer Einlegung zu begründen. Die Beschwerdebegründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung der Vergabekammer angefochten und eine abweichende Entscheidung beantragt wird und die Tatsachen und Beweismittel angeben, auf die sich die Beschwerde stützt.
Sie muss durch einen zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dies gilt nicht für Beschwerden von juristischen Personen des öffentlichen Rechts.
Die sofortige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung gegenüber der Entscheidung der Vergabekammer. Die aufschiebende Wirkung entfällt zwei Wochen nach Ablauf der Beschwerdefrist.
Von der Einlegung der Beschwerde sind die anderen Beteiligten des Verfahrens vor der Vergabekammer vom Beschwerdeführer durch Übermittlung einer Ausfertigung der Beschwerdeschrift zu unterrichten.
Wir bedanken uns bei der Vergabekammer Rheinland für die Zusendung des Beschlusses.
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