Gericht: Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein
Entscheidungsdatum: 12.01.2007
Aktenzeichen: 3 Ca 1186/06
Entscheidungsart: Urteil
Eigenes Abstract: Die Klägerin, eine Diplom-Bibliothekarin, wurde im Jahre 1996 zunächst als Vertretung der Leiterin einer gymnasialen Schulbibliothek eingestellt. Später übernahm sie die Leitung und wurde seitdem wurde nach Vergütungsgruppe VIb BAT bezahlt. Sie fordert ab dem 01.01.2006 wie ihre Vorgängerin nach Vergütungsgruppe Vb BAT entlohnt zu werden. Voraussetzung für diese Eingruppierung ist eine abgeschlossene Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen oder öffentlichen Bibliotheken oder dieser Ausbildung gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen mit entsprechender Tätigkeit. Die Klage wird abgewiesen, da die Klägerin zwar die erforderliche Ausbildung vorweisen kann, als Schulbibliothekarin aber keine dem Tarifsinne entsprechende Tätigkeit ausübe: Der Schulbibliothek fehlten die wesentlichen Merkmale einer wissenschaftlichen oder öffentlichen Bibliothek.
Instanzenzug:
– ArbG Ludwigshafen vom 12.01.2007, 3 Ca 1186/06
-LAG Rheinland-Pfalz vom 13.08.2007, 5 Sa 155/07
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
3. Der Streitwert wird auf EUR 9.000,00 festgesetzt.
4. Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes (§ 64 II lit. b und c ArbGG) statthaft ist, wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin ist seit 1996 bei dem beklagten Land als Angestellte beschäftigt. Eingestellt wurde sie als Vertretung der Leiterin der Schulbibliothek beim Albert-Einstein-Gymnasium.
Vergütet wird die Klägerin derzeit nach Vergütungsgruppe VI b. Die Klägerin vertritt im vorliegenden Verfahren die Rechtsauffassung, sie erfülle die Eingruppierungsvoraus-setzungen bezüglich der Vergütungsgruppe V b (jeweils Anlage 1 a zum BAT).
Die Klägerin trägt diesbezüglich unter anderem vor, bei der Schulbibliothek des Albert-Einstein-Gymnasiums handele es sich um eine nach wissenschaftlichen Grundsätzen geführte Bibliothek, die auf Grund der hohen Schüleranzahl einer öffentlichen Bibliothek ohne weiteres gleich gestellt sei. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Schulbibliothek des Albert-Einstein-Gymnasiums auch von den Schülern des Karolinen-Gymnasiums mit benutzt wird. Die von der Klägerin anfänglich vertretene Mitarbeiterin ist seit 1996 bis heute nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt. Sie soll nach Vortrag der Klägerin immer nach Vergütungsgruppe V b vergütet worden sein. Die Klägerin ist von ihrer Ausbildung her Diplom-Bibliothekarin.
Die Beklagte hat sich im Gütetermin auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.02.2005 – 4 AZR 42/03 (dies als Link zum Urteil) – berufen und dargelegt, der von der Klägerin begehrten Vergütung stehe diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts entgegen. Die Klägerin hat sich bis zum Kammertermin am 24.10.2006 unter Darstellung mehrerer Fundstellen darauf berufen, die von ihr betreute Schulbibliothek sei eine öffentliche Bibliothek. Des Weiteren hat die Klägerin vorgetragen, der frühere Schulleiter D. habe ihr bei ihrer Einstellung ausdrücklich zugesagt, dass sie ebenso wie ihre Vorgängerin nach Vergütungsgruppe V c vergütet werde. Darüber hinaus hat die Klägerin dargelegt, dass in der Verwaltungsvorschrift „Förderung des öffentlichen Bibliothekswesen in Rheinland-Pfalz“ ein Beirat für das öffentliche Bibliothekswesen aufgeführt sei, der auch für Schulbibliotheken zuständig sei.
Nach Durchführung des Kammertermins am 24.10.2006 trägt die Klägerin unter anderem des Weiteren vor, der monatliche Unterschiedsbetrag zwischen der Vergütung nach der bisherigen Vergütungsgruppe und der Vergütung gemäß Vergütungsgruppe V b betrage ungefähr € 250,–.
Das Albert-Einstein-Gymnasium habe durchschnittlich 1270 Schüler, das Karolinen-Gymnasium 1243 Schüler. Hierzu kämen die Lehrer, jeweils ungefähr 90 Lehrkräfte je Schule. Zugangsberechtigt sei die gesamte Schulgemeinschaft, also zumindest auch sonstiges Personal oder auch z. B. die Ehefrau des Hausmeisters. Es liege nunmehr auch eine Anfrage vor, inwieweit die Schulbibliothek durch die räumlich angrenzende Schule für Hörsprachbehinderte geöffnet werden könne.
Die Schulbibliothek habe eine Nutzfläche von 400 Quadratmetern, es gebe 3 für Schüler kostenlos zu nutzende lnternetarbeitsplätze, 2 Onlinekataloge und ungefähr 100 Lesearbeitsplätze. Pro Tag besuchten 500 bis 600 Schüler die Bibliothek. Überwiegend werde die Freihandbibliothek genutzt. Nutzer, die einen Leseausweis besitzen, um Medien mit nach Hause ausleihen zu können, gebe es am Albert-Einstein-Gymnasium 568, am Karolinen-Gymnasium 486. Die Schulbibliothek umfasse einen Bestand von 16000 Medien. Weitere Mitbenutzungsregelungen über den Bereich der beiden Gymnasien hinausgehend gebe es nicht.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, dass das beklagte Land verpflichtet ist, an sie ab 01.01.2006 Vergütung nach Vergütungsgruppe V b BAT zu zahlen und die rückständigen Nettodifferenzbeträge zwischen den Vergütungsgruppen VI b und der begehrten Vergütungsgruppe V b ab Klagezustellung jeweils mit 5 Prozent über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Das beklagte Land beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land trägt unter anderem vor, eine Eingruppierung und entsprechende Vergütung nach Vergütungsgruppe V b sei vorgesehen bei Angestellten (bzw. Beschäftigten) mit abgeschlossener Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Diplom Bibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit sowie Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. Ebenfalls in die Vergütungsgruppe V b fielen Angestellte mit abgeschlossener Fachausbildung für die bibliothekarischen Dienst an Öffentlichen Büchereien (Diplom-Bibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit sowie Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. Bezogen auf die von der Klägerin betreute Schulbibliothek fehle es am Vorliegen einer wissenschaftlichen Bibliothek ebenso wie an der Voraussetzung einer öffentlichen Bibliothek.
Das Bundesarbeitsgericht habe dies in der im Gütetermin angesprochenen Entscheidung eindeutig begründet. Diese Entscheidung passe vom Ansatz so wie von ihrer Begründung her auf den vorliegenden von der Klägerin zur Prüfung gestellten Sachverhalt. Im Hinblick auf diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sei daher die von der Klägerin geltend gemachte Vergütung nicht geschuldet. Soweit die Klägerin eine Zusage des früheren Schulleiters anspreche, sei dies unbeachtlich. Der Schulleiter sei auf Grund seiner Stellung zu verbindlichen Aussagen zur Vergütung nicht befugt. Zur Ergänzung des Sachvortrags beider Parteien sowie der Prozessgeschichte wird auf den Inhalt der gegenseitig gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und der Sitzungsniederschriften Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I. Die als Eingruppierungs-Feststellungsklage zulässige Klage ist unbegründet.
II. Dieses Ergebnis beruht auf nachfolgenden wesentlichen Erwägungen (§ 46 Abs.2S. 1 ArbGG, §§ 495, 313 Abs. 3 ZPO):
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die Bestimmungen des BAT Anwendung.
Der Klage kann daher nur dann stattgegeben werden, wenn in der Gesamtarbeitszeit der Klägerin im tariflich geforderten Umfang Arbeitsvorgänge anfallen, die im streitigen Anspruchszeitrum die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe V BAT erfüllen (§ 22 Abs. 2 BAT).
Bezogen auf die Tätigkeit der Klägerin waren der Prüfung ihrer Eingruppierung nachfolgende Vergütungsgruppen zu Grunde zu legen:
Vergütungsgruppe VI b:
Angestellte in Büchereien in Tätigkeiten, die gründliche und vielseitige Fachkenntnisse im Bibliotheksdienst und in nicht unerheblichem Umfang selbstständige Leistungen erfordern.
Vergütungsgruppe V b:
Angestellte mit abgeschlossener Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken (Diplom Bibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit sowie Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. Angestellte mit abgeschlossener Fachausbildung für den Bibliothekarischen Dienst an öffentlichen Büchereien (Diplom-Bibliothekare) mit entsprechender Tätigkeit sowie Angestellte, die auf Grund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. Die gesamte Tätigkeit der Klägerin an der Schulbibliothek des Albert-Einstein-Gymnasiums ist ein einziger großer Arbeitsvorgang im Sinne des § 22 Abs. 2 Unterabsatz 2 BAT. Die Klägerin hat als Leiterin der Schulbibliothek eine einheitliche Funktion zu erfüllen, nämlich die Herstellung sowie Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Bibliothek und deren Betrieb. Alle ihre Einzeltätigkeiten sind solche des Bibliotheksdienstes und dienen zu einem einheitlichen Arbeitsergebnis.
Die Klägerin ist in Vergütungsgruppe V b weder nach dem Tätigkeitsmerkmal für Diplom-Bibliothekare mit Fachausbildung für wissenschaftliche Bibliotheken noch nach demjenigen für Diplom Bibliothekare mit Fachausbildung an öffentlichen Bibliotheken eingruppiert.
Die Tätigkeit eines Diplom Bibliothekars „mit abgeschlossener Fachausbildung für den gehobenen Dienst an wissenschaftlichen Bibliotheken“ kann nur dann seiner Vorbeschriebenen Ausbildung entsprechen, wenn sie in einer wissenschaftlichen Bibliothek ausgeübt wird. Nur wenn die Einrichtung eine wissenschaftliche Bibliothek ist, zumindest die wesentlichen Merkmale einer wissenschaftlichen Bibliothek aufweist, wird für die in ihr geleistete Arbeit des Diplom-Bibliothekars die tariflich geforderte einrichtungsspezifische Fachausbildung in ihrer ganzen Tiefe und Breite benötigt. Eine Schulbibliothek, an der die Klägerin tätig ist, wird nicht zu wissenschaftlichen Zwecken benutzt. Ihre Einrichtung und Unterhaltung dienen nicht der Lehre und der Forschung, sondern dem Schulunterricht. Daran ändert sich nichts, dass der überwiegende Bestand aus Sach- und Fachbüchern besteht, da die Qualifizierung als Sach- oder Fachbuch nichts über dessen Einordnung als wissenschaftliche Literatur besagt.
Die Klägerin erfüllt aber auch nicht das Tätigkeitsmerkmal „Angestellte mit abgeschlossener Fachausbildung“ für den Dienst an öffentlichen Büchereien mit entsprechender Tätigkeit.
Denn sie übt nicht eine „entsprechende Tätigkeit“ im Tarifsinne aus. Diese setzt nämlich die Ausübung der Tätigkeit in einer Einrichtung voraus, die die Merkmale einer öffentlichen Bücherei aufweist. Bei einer typischen Schulbibliothek handelt es sich nicht um eine öffentliche Bibliothek, da diese nicht für alle Gruppen und Schichten der Bevölkerung uneingeschränkt zugänglich ist. Für öffentliche Büchereien ist die uneingeschränkte öffentliche Zugänglichkeit charakteristisch. Die öffentliche Bücherei hat die Aufgabe, Literatur für alle Gruppen und Schichten der Bevölkerung, also für die gesamte Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen und so der allgemeinen Information, der allgemeinen politischen und beruflichen Bildung sowie der Unterhaltung und den Freizeitinteressen der Bevölkerung zu dienen. Der Begriff der öffentlichen Bibliothek, der Benutzer bezogen zu sehen ist, impliziert, dass die Bibliothek für die gesamte Öffentlichkeit vorgesehen ist und nicht nur für Teile von ihr.
Da der Benutzerkreis der von der Klägerin betreuten Bibliothek streitlos auf die Lehrer, Schüler und Schulangehörigen beschränkt ist, hatte die Kammer auch dieses von der Klägerin angesprochene Eingruppierungsmerkmal zu verneinen. Die Kammer folgt insoweit der vom beklagten Land angesprochenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 11.02.2004 – 4 AZR 42/03 . Das Bundesarbeitsgericht hat in dieser Entscheidung die Annahme einer öffentlichen Bücherei selbst dann verneint, wenn die Eltern der Schüler zugangsberechtigt sind. Insoweit ist es unerheblich, dass möglicherweise- wie von der Klägerin behauptet, die sonstigen Mitarbeiter der beiden Gymnasien sowie die Ehefrau des Hausmeisters bezogen auf die Schulbibliothek Zugangsberechtigung haben sollten.
Der Klägerin steht gegenüber dem beklagten Land kein Vergütungsanspruch auf Grund Schadensersatzes zu. Sollte der Schulleiter der Klägerin tatsächlich eine Vergütung gemäß Vergütungsgruppe V b BAT zugesagt haben, so ist diese Erklärung für das beklagte Land nicht rechtsverbindlich gewesen, da der Schulleiter einstellungsbezogen sowie eingruppierungsbezogen keinerlei rechtliche Kompetenz, das beklagte Land verpflichtend, besitze. So weit nach dem Sachvortrag der Klägerin ein Schadensersatzanspruch auf Grund fehlerhafter Auskunft des Schuldirektors angedacht werden könnte, ist zu berücksichtigen, dass ein derartiger Schadensersatzanspruch im Hinblick auf die tarifvertragliche Ausschlussfrist gemäß § 70 BAT seit Jahren untergegangen ist. An Hand des Sachvortrages der Klägerin ist in keinster Weise ersichtlich, wann die Klägerin nach Feststellen ihrer Eingruppierung in die Vergütungsgruppe VI b Ausschlussfrist während ihren behaupteten Rechtsanspruch- auf der Grundlage eines Schadensersatzbegehrens – gegenüber dem beklagten Land geltend gemacht haben will.
Nach alledem hatte die Kammer das Feststellungsbegehren als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf§§ 46 Abs. 2 S. 1 ArbGG, §§ 495, 91 Abs. 1 S.
1 ZPO. Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteilstenor festzusetzen. Die Kammer hat insoweit den 36-fachen Differenzbetrag, wie durch den Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit Schriftsatz vom 26.10.2006 mitgeteilt, zu Grunde gelegt.
Gegen diese Entscheidung kann die Klägerin entsprechend nachfolgender Rechtsmittelbelehrung. Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz einlegen. Für das beklagte Land ist kein Rechtsmittel gegeben.
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