Gericht: Verwaltungsgericht München
Entscheidungsdatum: 31.05.2006
Aktenzeichen: M 13B DB 05.2117
Entscheidungsart: Urteil
eigenes Abstract: Eine Bibliotheksobersekretärin beim Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe klagt gegen ihren Dienstherren wegen einer Disziplinarverfügung, die sie zur Einhaltung ihrer beamtlichen Pflichten ermahnt. Die Klägerin hatte sich im Verlauf ihrer Tätigkeit mehrfach verbal abfällig gegenüber der Leitung und den Mitarbeitern geäußert. Den verwaltungsinternen Arbeitsabläufen folgte sie allenfalls widerwillig, aber nie kommentarlos. Die Disziplinarverfügung ist rechtmäßig, die Klage wird abgewiesen.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens und ihre außergerichtlichen Aufwendungen.
Tatbestand
Die heute 33-jährige Beamtin war zum Zeitpunkt der hier streitgegenständlichen Vorfälle als Bibliotheksobersekretärin beim Flugmedizinischen Institut der Luftwaffe beschäftigt. Sie ist verheiratet und hat ein Kind, arbeitet in Teilzeit und erhält Bezüge aus der Besoldungsgruppe A 7.
Am … November 2004 erging gegen die Klägerin eine Disziplinarverfügung, mit der wegen verschiedener Dienstpflichtverletzungen eine Geldbuße von 450 € festgesetzt wurde. Der Klägerin werden für die Zeit von Mitte Dezember 2000 bis Ende März 2001 insgesamt 18 Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit ihrer Arbeit in der Bibliothek/Informationsstelle des Flugmedizinischen Institutes vorgeworfen. Es handelt sich dabei um unangemessene beleidigende Äußerungen (wie z. B. „Ostmafia“, „sich ins gemachte Nest setzen“, „Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“ u.Ä.) gegenüber der ihr vorgesetzten Leiterin der Bibliothek. Ferner wird ihr die mangelnde Unterstützung und die Nichtbeachtung der von der Leiterin erteilten Weisungen angelastet.
Im August 2001 soll die Klägerin sich im Rahmen ihrer Einweisung in ein neues Arbeitsfeld unangemessen gegenüber dem Zeugen Z. geäußert haben („Ich bin nicht der Lehrling, sondern der Stift. M., dann kann ich ja Deinen Stift polieren“).
Die Pflichtverletzungen der Klägerin sind im Einzelnen in der Disziplinarverfügung vom … November 2004 dargestellt. Hierauf wird Bezug genommen.
Die Beklagte bewertet das Verhalten der Klägerin in der angefochtenen Entscheidung wie folgt: Die Klägerin habe ihre beamtenrechtliche Pflichten, insbesondere ihre Pflicht, sich achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten, aber auch ihre Beratungs- und Gehorsamspflichten (§§ 54, 55 BBG) verletzt. Bei Abwägung aller Umstände – einerseits der zahlreichen Entgleisungen im allgemeinen beruflichen Arbeitsalltag, andererseits die lange, psychisch belastende Dauer des Disziplinarverfahrens – sei eine Geldbuße von 450 € als Pflichtenmahnung angemessen und ausreichend.
Gegen die am … November 2004 zugestellte Disziplinarverfügung ließ die Klägerin durch ihre Bevollmächtigte mit Schreiben vom … November 2004 fristgemäß Widerspruch einlegen. Dieser Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom … Mai 2005 (zugestellt am … 5.2005) zurückgewiesen.
Die Bevollmächtigte der Klägerin erhob mit dem am …. Juni 2005 (rechtzeitig) eingegangenen Telefax Klage. Sie beantragt:
Die Beklagte zu verurteilen, die Disziplinarverfügung vom ….11.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom ….5.2005 aufzuheben und auf eine geringere Disziplinarmaßnahme zu erkennen.
Wie auch schon im Widerspruch werden sämtliche der Klägerin angelasteten Äußerungen und die ihr vorgeworfenen Weisungsverstöße pauschal in Abrede gestellt.
Die Beklagte hält die Disziplinarverfügung für rechtmäßig und beantragt Klageabweisung.
Die Kammer hat am 31. Mai 2006 mündlich verhandelt. Die Klägerin wurde angehört sowie drei Zeugen vernommen. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Die Disziplinarverfügung ist rechtmäßig. Das Gericht ist aufgrund der mündlichen Verhandlung und der Beweiserhebung davon überzeugt, dass die Klägerin ihre Pflicht zu angemessenem Verhalten im Dienst (§ 54 Satz 3 BBG) sowie ihre Gehorsamspflicht (§ 55 Satz 2 BBG) vorsätzlich und schuldhaft verletzt hat.
Die Klägerin hat sich gegenüber ihrer Vorgesetzten und gegenüber den Kollegen beleidigend und unangemessen verhalten. Die Äußerungen „Ostmafia“, „Ostvergangenheit“, „ins gemachte Nest setzen“ u. a. sind tatsächlich so gefallen. Dies ergibt sich aus der Aussage der Zeugin S. Diese hat sich sachlich und ohne Belastungseifer geäußert. Sie hat die Äußerungen nicht überbewertet und ihnen weniger Gewicht beigemessen als zu erwarten gewesen wäre. Dass die Zeugin S. der Klägerin weder damals noch heute schaden wollte, zeigt sich auch darin, dass sie – im Gegensatz zur Klägerin – deren „Gegenvorwürfe“ (z. B. Ermahnung zu sachgemäßem Umgang mit Büchern und Zeitschriften u. a.) eingeräumt hat. Ausdrücklich hat sie der Klägerin Hilfsbereitschaft attestiert, da diese die Zeugin zum Arzt bzw. zur Apotheke gefahren hat.
Fest steht auch, dass die Klägerin aus Anlass ihrer Einweisung in ein neues Arbeitgebiet geäußert hat: „Na, M., dann kann ich Dir ja Deinen Stift polieren“. Dies hat der Zeuge Z. bestätigt, ebenso wie die Umstände, unter denen diese Äußerung gefallen ist. Dabei hat er ausdrücklich betont, er wolle der Klägerin nicht schaden, sei aber verpflichtet, eine wahrheitsgemäße Aussage zu machen. Der in den Ermittlungen darüber hinaus gehörte Mitarbeiter S. hat die Situation und den oben angegebenen Ausdruck jedenfalls gehört und bestätigt.
Vor allem aber ergibt sich aus den Zeugenaussagen, dass die Klägerin alles unternommen hat, um ihren eigenen Arbeitsstil, den sie in der Zeit ohne eine Vorgesetzte entwickelt hat, beizubehalten. Die Zeugin S. hat in ihren schriftlichen Notizen die Weisungsverstöße dokumentiert. Sie hat in ihrer Aussage vor Gericht bestätigt, dass die Klägerin damals, als die Zeugin die Leitung der Bibliothek übernahm, alles darangesetzt hat, den Anweisungen möglichst nicht folgen zu müssen. Jede Anweisung der Zeugin wurde von Seiten der Klägerin endlos und hochemotional diskutiert, in Frage gestellt, – wenn überhaupt – nur widerwillig befolgt und teilweise mit abfälligen Bemerkungen kommentiert (vgl. Aussage der Zeugin D.-K. in den Vorermittlungen: „Also, Zustände sind das hier, es ist das Letzte, was hier abgeht“, Bl. 94 f.). Auch wenn der Zeugin S. wegen des erheblichen zeitlichen Abstands zwischen den Vorfällen aus dem Jahr 2000 und 2001 und ihrer Vernehmung im Jahre 2006 nicht mehr alle Einzelheiten präsent waren, bestätigte sie im Kern die Verstöße der Klägerin gegen ihre Gehorsams- und Wohlverhaltenspflicht.
Dass die Klägerin im Widerspruchsverfahren, in der Klageschrift und in der mündlichen Verhandlung die Äußerungen und die Weisungsverstöße bestreitet, kann die Überzeugung des Gerichts nicht erschüttern. Angesichts des Auftretens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ist es absolut unglaubwürdig, dass die Klägerin Vorhaltungen, die in ihren Augen ungerechtfertigt waren, unkommentiert zur Kenntnis genommen hat. Die Kammer hat in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen, dass es ihr in jedem Fall darum geht, „das letzte Wort zu behalten“. Klare Fragen des Gerichts konnte (oder wollte) die Klägerin nicht beantworten. Sie hat vielmehr den der Frage zugrunde liegenden Sachverhalt diskutiert und ist auf andere Sachverhalte ausgewichen. Vorhalte früherer Aussagen hat die Klägerin ignoriert oder pauschal in Abrede gestellt. Gerade diese fast nicht durchführbare Anhörung der Klägerin hat die Kammer davon überzeugt, dass die ihr vorgeworfenen und durch die Aussagen der betroffenen Personen untermauerten Dienstpflichtverletzungen so vorgefallen sind.
Als Ergebnis der Beweisaufnahme (Auswertung der Akten/Vernehmung der Zeugen) steht für das Gericht fest, dass die Klägerin den Weisungen entweder nicht, jedenfalls aber verspätet und unwillig nachgekommen ist. Erwiesen sind auch die unangemessenen, beleidigenden Äußerungen, die zumindest sinngemäß, wenn nicht sogar wortwörtlich so gefallen sind. Der Aktenlage und der Zeugeneinvernahme konnte die Klägerin bei ihrer Anhörung im Termin nichts Substantielles entgegensetzen.
Die Disziplinarverfügung ist auch zweckmäßig (§ 60 Abs. 3 BDG), denn die Klägerin bedarf dringend einer Pflichtenmahnung. Die öffentliche Verwaltung kann nur funktionieren und ihre Dienstleistung gegenüber Bürger und Allgemeinheit erbringen, wenn die Mitarbeiter untereinander loyal zusammenarbeiten und ihre Vorgesetzten unterstützen. Dazu ist es unerlässlich, dass die Mitarbeiter den ihnen erteilten Weisungen – ohne Diskussion – nachkommen, ein Erfordernis, das die Klägerin trotz des langjährigen Disziplinarverfahrens offensichtlich bis heute nicht erkannt hat und nicht akzeptieren will. Ihre Einlassungen in der mündlichen Verhandlung haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie erteilte Weisungen (z.B. alphabetische Ablage der Leihscheine) auch heute noch für sinnlos hält und wortreich Gründe vorträgt, warum sie eine solche Weisung nicht befolgen will und soll. Bei der Klägerin ist eine Einsicht in einen geordneten Ablauf der Verwaltung und an die Anforderungen an die Zusammenarbeit offenbar auch heute noch nicht vorhanden.
Unabdingbar für eine funktionierende Verwaltung ist auch, dass die Höflichkeit gewahrt wird und vorschnelle und unhaltbare Unterstellungen („Als ich allein war, haben alle Geräte funktioniert“, „… hat nichts gefehlt.“) unterbleiben.
Es ist nach Auffassung des Gerichts notwendig und angemessen, die Klägerin durch eine Geldbuße in Höhe von 450 € an die Einhaltung ihrer beamtenrechtlichen Pflichten zu erinnern.
Die Disziplinarverfügung vom … November 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom … Mai 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die auf Abänderung der Disziplinarverfügung gerichtete Klage ist daher mit der Kostenfolge aus § 77 Abs. 4 BDG i.V.m. § 154 VwGO abzuweisen.
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