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Gericht: Hessischer Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum: 01.10.1991

Aktenzeichen: 6 N 1621/86

Entscheidungsart: Beschluss

eigenes Abstract: Der Kläger, ein Verleger von wertvollen Druckwerken, wendet sich in einem Normenkontrollverfahren gegen die hessissche Verordnung über die Abgabe von Druckwerken von 1984. Das Gericht gibt dem Antrag statt und sieht in § 6 Abs. 3 S. 1 der Verordnung einen Verstoß gegen das hessische Pressegesetz. Denn die Regelung, dass der Verleger, wenn er einen Erstattungsanspruch für die Ablieferung seiner Druckwerke geltend machen möchte, mit diesen keinen Rohgewinn erzielen dürfe, stelle eine unverhältnismäßig hohe Hürde auf.

Tatbestand
Der Antragsteller ist Verleger und gibt in niedriger Auflage Bücher von hohem Wert heraus, z. B. Anfang des Jahres 1985 den Band „Hölderlin, Hyperion“ in einer Auflage von 99 Exemplaren; der Ladenpreis beträgt 540,00 DM, wovon den Buchhändlern ein Rabatt von 25 % gewährt wird. Die Herstellungskosten pro Exemplar beliefen sich nach seinen Angaben auf 159,00 DM, die Gemeinkosten auf 64,00 DM pro Band. Druckkostenhilfe erhielt der Antragsteller nicht. Er gab ein Pflichtexemplar an die zuständige Hessische Landesbibliothek D ab und beantragte die Erstattung seiner Unkosten in Höhe von 223,00 DM. Daraufhin wurde ihm von der Erwerbungsabteilung der Bibliothek mitgeteilt, daß den Bibliotheken nach der Verordnung über die Abgabe von Druckwerken vom 12. Dezember 1984 kaum Spielraum für positive Entscheidungen bleibe. Der Antragsteller möge seine Anträge zur Entscheidung anmahnen, wenn nach Ablauf von 4 Jahren kein Rohgewinn erzielt worden sei.

Am 18. Juni 1986 hat der Antragsteller den vorliegenden Normenkontrollantrag gestellt. Er ist der Auffassung, daß die im Rubrum des Beschlusses genannten Regelungen in § 6 der Verordnung über die Abgabe von Druckwerken vom 12. Dezember 1984 (GVBl. 1985 I S. 10) mit der Verordnungsermächtigung in § 9 Abs. 2 des Hessischen Gesetzes über Freiheit und Recht der Presse vom 20. November 1958 – Hessisches Pressegesetz – (GVBl. S. 183, berichtigt S. 189) in der Fassung des Änderungsgesetzes vom 14. Juni 1982 (GVBl. I S. 138) unvereinbar seien und daß er, der Antragsteller, dadurch in seinen Grundrechten aus Art. 14 Abs. 1 und Art. 3 des Grundgesetzes -GG- verletzt werde. Die angegriffenen Regelungen haben folgenden Wortlaut:
„(2) Der Verleger, der die Erstattung der Herstellungskosten des abgegebenen Druckwerks verlangt, hat der Bibliothek in seinem Antrag insbesondere anzugeben:

5. Höhe des Teils der Verkaufsauflage, der die Herstellungskosten der Druckauflage nach Nr. 4 deckt (Deckungsauflage).
Außerdem hat der Verleger zu erklären,
3. aus welchen Gründen ihn die Herstellungskosten nach Abs. 1 im Falle der unentgeltlichen Abgabe des Druckwerks wirtschaftlich unzumutbar hart belasten.
(3) Eine Erstattung der Herstellungskosten nach Abs. 1 kommt nur dann in Betracht, wenn der Verleger aus dem Verkauf des Druckwerks keinen Rohgewinn erzielt. Über die Erstattung wird in der Regel erst entschieden, nachdem der Verleger den Verkauf der Deckungsauflage angezeigt hat oder nach Ablauf von vier Jahren nach Beginn der Verbreitung des Druckwerks.“

Der Antragsteller trägt vor, § 6 Abs. 3 der Verordnung, wonach der Ersatz der Herstellungskosten nur dann in Betracht komme, wenn der Verleger aus dem Verkauf des Druckwerks keinen Rohgewinn erziele, widerspreche § 9 Abs. 1 Hessisches Pressegesetz. Nach dieser Bestimmung hänge die Erstattung von Herstellungskosten an den abgabepflichtigen Verleger nur davon ab, daß ihm die unentgeltliche Abgabe wegen des großen finanziellen Aufwandes und der kleinen Auflage nicht zugemutet werden könne. Die von ihm, dem Antragsteller, vertretene Auffassung werde auch durch den die Vorgängerfassung des § 9 Hessisches Pressegesetz betreffenden Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1981 – 1 BvL 24/78 – gestützt. Danach stelle § 9 Hessisches Pressegesetz a. F. insofern eine unverhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung dar, als auch der Verleger aufwendig produzierter Werke, die nur in geringer Auflage erschienen, zur kostenlosen Abgabe eines Belegexemplars verpflichtet sei. Bei hohen Produktionskosten und gleichzeitig kleiner Auflage sei daher eine Erstattung zu gewähren. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfe die Aussicht auf einen etwa künftig zu erzielenden Gewinn gerade nicht in die Interessenabwägung einbezogen werden. § 6 Abs. 3 der Verordnung überschreite auch insoweit die Ermächtigungsnorm, als er wesentlich Ungleiches in gleicher Weise behandele. § 9 Abs. 1 Hessisches Pressegesetz n. F. unterscheide den Verlegerkreis nach der Auflagenstärke sowie der Höhe der Produktionskosten und knüpfe an diese Differenzierung unterschiedliche Rechtsfolgen hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit. § 6 Abs. 3 der Verordnung treffe keine derartige Unterscheidung, sondern binde den Kostenerstattungsanspruch eines jeden Verlegers allein an den fehlenden Rohgewinn.

Auch § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 und Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 der Verordnung seien ungültig. Da nach § 9 Abs. 1 Hessisches Pressegesetz für die Zumutbarkeit der unentgeltlichen Abgabe lediglich der finanzielle Aufwand des Verlegers und der Umfang der Auflage maßgebend seien, werde die Forderung von Angaben über die Deckungsauflage sowie die Gründe der wirtschaftlich unzumutbar harten Belastung durch die Ermächtigungsnorm nicht gedeckt.

Der Antragsteller beantragt, § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5, § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 und § 6 Abs. 3 der Hessischen Verordnung über die Abgabe von Druckwerken für ungültig zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er trägt vor, wegen des in Vorbereitung befindlichen Hessischen Pflichtexemplargesetzes sei eine Stellungnahme des für dieses Gesetzgebungsvorhaben federführenden Ressorts zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht sachdienlich.
Die Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners (10 Hefte) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf diese Unterlagen und den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet durch Beschluß, weil er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 47 Abs. 6 Satz 1 VwGO).
Der Antrag ist zulässig.
Er ist statthaft, denn der Antragsteller wendet sich gegen eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 11 Abs. 1 des Hessischen Ausführungsgesetzes zur VwGO.
Der Antragsteller ist antragsbefugt, denn er hat durch die Anwendung der Rechtsvorschrift einen Nachteil erlitten und weitere Nachteile in absehbarer Zeit zu erwarten (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). In mehreren Fällen hatten Anträge des Antragstellers auf Erstattung der Kosten von Pflichtexemplaren keinen Erfolg. Es ist auch damit zu rechnen, daß sich dies wiederholt.
§ 47 Abs. 3 VwGO steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen. Danach prüft das Oberverwaltungsgericht die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht, soweit gesetzlich vorgesehen ist, daß die Rechtsvorschrift ausschließlich durch das Verfassungsgericht eines Landes nachprüfbar ist. Es ist gesetzlich nicht vorgesehen, daß Verordnungen eines hessischen Ministeriums ausschließlich durch das Verfassungsgericht nachprüfbar sind. Nur die Prüfung der Gültigkeit hessischer Gesetze und Rechtsverordnungen am Maßstab der hessischen Verfassung ist durch Art. 132 Hessische Verfassung – HV – dem Staatsgerichtshof vorbehalten. Daß die nachteilig betroffenen Grundrechte des Art. 14 Abs. 1 GG und des Art. 3 GG mit den Grundrechten aus Art. 1 und 45 HV inhaltlich übereinstimmen, steht der Zulässigkeit des Antrags nicht entgegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats sind in Normenkontrollverfahren im Sinne des § 47 VwGO die Grundrechte des Grundgesetzes immer als Prüfungsmaßstab heranzuziehen (Hess. VGH, Beschluß vom 20. Juni 1988 – 6 N 1364/88 – ESVGH 38, 273 = DVBl. 1988, 1128 = NVwZ 1988, 949; Beschluß vom 8. Dezember 1981 – 6 N 5/79 -; so auch der 7. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluß vom 2. Oktober 1987 – 7 N 1273/87 -, in DVBl. 1987, 1212 und NVwZ 1988, 642 Beschlußbegründung insoweit nicht veröffentlicht, in ESVGH 38, 232 und NJW 1988, 2058 nur Leitsätze; a.A. der 1. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Urteil vom 10. September 1980 – 1 N 4/77 – ESVGH 31, 1).

Der Antrag ist begründet.
Zwar ermächtigt § 9 Abs. 2 Hessisches Pressegesetz zum Erlaß einer Rechtsverordnung, in der Einzelheiten im Zusammenhang mit der Abgabe von Pflichtexemplaren festgelegt werden. Die Rechtsverordnung muß sich aber im Rahmen der gesetzlichen Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 Hessisches Pressegesetz halten. Der Verordnungsgeber darf nicht zusätzliche Schranken für eine Erstattungspflicht aufbauen, die über die vom Gesetz selbst normierten Anspruchsvoraussetzungen hinausgehen. Hieran hat sich der Verordnungsgeber nicht gehalten.
Die vom Antragsteller angegriffenen Regelungen verstoßen gegen § 9 Abs. 1 Satz 2 und 3 Hessisches Pressegesetz.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 Hessisches Pressegesetz erstattet die Bibliothek auf Verlangen dem Verleger die Herstellungskosten des abgegebenen Druckwerks, „wenn ihm die unentgeltliche Abgabe wegen des großen finanziellen Aufwands und der kleinen Auflage nicht zugemutet werden kann“. Voraussetzung des Erstattungsanspruchs ist nach dem Wortlaut allein die durch großen finanziellen Aufwand und eine kleine Auflage begründete Unzumutbarkeit. Die Vorschrift läßt sich nicht dahin verstehen, daß außer diesen beiden Tatbestandsmerkmalen zusätzlich geprüft werden müßte, ob die unentgeltliche Abgabe des Druckwerks aus sonstigen Gründen zumutbar ist oder nicht. Das ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte und der am Verfassungsrecht ausgerichteten Interpretation des § 9 Abs. 1 des Hessischen Pressegesetzes. Nach § 9 des Hessischen Pressegesetzes in der Fassung vom 20. November 1958 (GVBl. S. 183) konnte der Minister für Kultus und Unterricht bestimmen, daß von jedem im Geltungsbereich dieses Gesetzes erscheinenden Druckwerk ein Belegstück kostenlos an die von ihm bestimmte zuständige Bibliothek abgeliefert wurde. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluß vom 14. Juli 1981 – 1 BvL 24/78 – BVerfGE 58, 137 ff., 144 ff., 147, entschieden, daß diese Vorschrift insoweit nicht mit Art. 14 Abs. 1 GG in Einklang stehe, als der Kultusminister ermächtigt sei, die Pflicht zur Ablieferung eines Belegstücks ausnahmslos ohne Kostenerstattung anzuordnen. Eigentumsbindungen dürften insbesondere nicht zu einer übermäßigen Belastung führen und den Eigentümer im vermögensrechtlichen Bereich unzumutbar treffen (S. 148). Die unentgeltliche Ablieferung eines Belegstücks sei daher zulässig, soweit die daraus im Einzelfall resultierende Vermögensbelastung des Verlegers nicht wesentlich ins Gewicht falle. Der Mangel der getroffenen Regelung liege darin, daß die allgemeine Ablieferungspflicht bei unterschiedslosem Ausschluß einer Kostenerstattung auch diejenigen Druckwerke erfasse, die mit großem Aufwand und zugleich nur in kleiner Auflage hergestellt würden (S. 149). Der Verleger gehe mit der Herstellung eines solchen Werkes im Vergleich zu den normalen verlegerischen Aktivitäten ein wesentlich erhöhtes wirtschaftliches Risiko ein. Ihm zusätzlich noch die erheblich überdurchschnittlichen Herstellungskosten für ein Pflichtexemplar aufzubürden, widerspreche dem verfassungsrechtlichen Gebot, die Belange des betroffenen Eigentümers mit denen der Allgemeinheit in einen gerechten Ausgleich zu bringen und einseitige Belastungen zu vermeiden. Die Abwägung zwischen der Intensität und dem Gewicht der zu ihrer Rechtfertigung anzuführenden Gründe ergebe daher, daß bei wertvollen Druckwerken mit niedriger Auflage eine kostenlose Pflichtablieferung die Grenzen verhältnismäßiger und noch zumutbarer inhaltlicher Festlegung des Verlegereigentums überschreite (S. 150). Darüberhinaus widerspreche die Regelung dem im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG zu beachtenden Gleichheitssatz. Eine allgemeine Ablieferungspflicht mit generellem Vergütungsausschluß führe in ihrer praktischen Auswirkung innerhalb des Kreises der Verleger zu Belastungen von erheblich unterschiedlicher Intensität. Der Gleichheitssatz gebiete in diesem Fall, die Elemente der inhaltsbestimmenden Regelung so zu ordnen, daß einer unterschiedlichen Inanspruchnahme der Eigentümer und damit dem unterschiedlichen Gewicht ihrer Belange gegenüber den Belangen der Allgemeinheit hinreichend differenziert Rechnung getragen werde und einseitige Belastungen vermieden würden (Seite 150/151).
Da die Neufassung des § 9 Hessisches Pressegesetz die Reaktion des Hessischen Landesgesetzgebers auf die zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts war, ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, daß der hessische Landesgesetzgeber die vom Bundesverfassungsgericht genannten Voraussetzungen für eine Ausnahme von der kostenlosen Pflichtablieferung in die Gesetzesfassung einbringen wollte, um zu vermeiden, daß bei wertvollen Druckwerken mit niedriger Auflage eine kostenlose Pflichtablieferung die Grenzen verhältnismäßiger und noch zumutbarer inhaltlicher Festlegung des Verlegereigentums überschreitet (BVerfG, a.a.O., S. 150). Darüber hinaus sollten im Rahmen der Zumutbarkeit keine weiteren Kriterien entscheidungserheblich sein.
Dies folgt auch mit hinreichender Klarheit aus der Begründung der hessischen Landesregierung vom 8. April 1982 zum Entwurf des Änderungsgesetzes (Drs. 9/6334), der hinsichtlich des Anspruchs auf Kostenerstattung unverändert Gesetz geworden ist. Die Landesregierung schlägt ausdrücklich als Lösung vor, dem Verleger auf Antrag die Herstellungskosten für den Fall zu erstatten, daß die unentgeltliche Abgabe des Druckwerks ihm wegen des großen finanziellen Aufwands und der kleinen Auflage nicht zugemutet werden könne. Gegen die Annahme, im Rahmen der Zumutbarkeit seien weitere Kriterien entscheidungserheblich, spricht auch, daß Vorbilder für die Formulierung nach der Begründung der Landesregierung die §§ 12 Abs. 3 des Pressegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 1966 (GV NW S. 340) und 1 Abs. 5 des Gesetzes über die Ablieferung von Pflichtexemplaren an die Badische Landesbibliothek in und die Württembergische Landesbibliothek in S vom 3. März 1976 (GBl. S. 216, geändert durch Gesetz vom 30. Mai 1978, GBl. S. 286) waren. Beide Vorschriften stellen darauf ab, daß die unentgeltliche Ablieferung dem Verleger „insbesondere“ wegen der niedrigen Auflage oder der hohen Kosten des Druckwerks (Baden-Württemberg) bzw. wegen der Auflage oder des Wertes des Druckwerks (Nordrhein-Westfalen) nicht zugemutet werden kann. Diese Regelungen ermöglichen einen Erstattungsanspruch nicht nur bei hohen Herstellungskosten oder niedriger Auflage, sondern auch in sonstigen, nicht näher beschriebenen Fällen der Unzumutbarkeit. Das Wort „insbesondere“ findet sich in der hessischen Regelung nicht. Daraus ist zu schließen, daß die Erstattungspflicht in Hessen auf den Fall der hohen Herstellungskosten bei niedriger Auflage beschränkt bleiben sollte. Daß aber auch bei Vorliegen dieser Voraussetzungen der Anspruch aus sonstigen Gründen ausgeschlossen sein sollte, ergibt sich daraus nicht. Sonst wäre der Hinweis auf die umfassenderen Anspruchsregelungen von Baden- Württemberg und Nordrhein-Westfalen unverständlich.
Nach allem verstößt es gegen § 9 Abs. 1 Satz 2 Hessisches Pressegesetz, wenn in § 6 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung die Erstattung davon abhängig gemacht wird, daß der Verleger aus dem Verkauf des Druckwerks keinen Rohgewinn erzielt. Da § 9 Abs. 1 Satz 2 Hessisches Pressegesetz allein darauf abstellt, ob die unentgeltliche Abgabe des Druckwerks dem Verleger wegen des großen finanziellen Aufwands und der kleinen Auflage nicht zugemutet werden kann, kommt es nach dem Gesetz nicht darauf an, ob ein Rohgewinn erzielt wird. Dieses in die Verordnung aufgenommene zusätzliche Erfordernis geht wesentlich über die vom Gesetzgeber aufgestellten Voraussetzungen hinaus und macht die Verordnung insoweit rechtswidrig.
Aus dem Gesagten folgt auch, daß § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 und § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 der Verordnung vom 12. Dezember 1984 gegen § 9 Abs. 1 Satz 2 Hessisches Pressegesetz verstoßen. Zwar darf die Verordnung vorsehen, daß der Erstattungsantrag begründet wird (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Hessisches Pressegesetz). Da es aber allein insoweit rechtswidrig. großen finanziellen Aufwands und der kleinen Auflage unzumutbar ist, enthält das Gesetz für die Frage nach der Höhe des Teils der Verkehrsauflage, der die Herstellungskosten der Druckauflage deckt (Deckungsauflage), keine sachliche Grundlage. Entsprechendes gilt für die Frage, aus welchen Gründen die Herstellungskosten im Falle der unentgeltlichen Abgabe des Druckwerks den Verleger wirtschaftlich unzumutbar hart belasten. Diese Fragen zielen auf die Ermittlung von Tatsachen, die nach dem eindeutigen Gesetzesinhalt des § 9 Abs. 1 Satz 2 Hessisches Pressegesetz nicht Voraussetzung für die Entstehung des Erstattungsanspruchs sind.
Die Unvereinbarkeit der umstrittenen Vorschriften mit § 9 Abs. 1 Satz 2 Hessisches Pressegesetz ergibt sich auch daraus, daß das Pressegesetz verfassungskonform unter Berücksichtigung des Art. 14 GG auszulegen ist, die von dem Antragsteller angegriffenen Verordnungsregelungen aber im Widerspruch zu dem durch Art. 14 GG gewährleisteten Eigentumsrecht stehen. Durch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1981 ist geklärt, daß die Ablieferungspflicht verfassungsrechtlich nicht grundsätzlich zu beanstanden ist, sondern dann eine zulässige Regelung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt, wenn die daraus im Einzelfall resultierende Vermögensbelastung des Verlegers nicht wesentlich ins Gewicht fällt (BVerfG, a.a.O., S. 148; vgl. auch Löffler, Presserecht, Komm., 3. Aufl., 1983, Bd. I, Landespressegesetze, Rdnrn. 19 ff. zu § 12 LPG; Löffler/ Ricker, Handbuch des Presserechts, 1978, S. 83 ff.; Groß, Presserecht, 1982, S. 139 f.; Haas-Traeger, DöV 1980, 16 ff., 19 ff.; Pohley, BayVBl. 1987, 453 ff., 455, jeweils mit weiteren Nachweisen). Von der Inhalts- und Schrankenbestimmung des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG wird es jedoch nicht mehr erfaßt, wenn Pflichtstücke auch solcher Druckwerke unentgeltlich abgegeben werden sollen, die mit großem Aufwand und zugleich nur in kleiner Auflage hergestellt werden, so daß der Eigentumsentzug an dem Pflichtexemplar erheblich ins Gewicht fällt. Auch Art. 14 Abs. 2 GG, wonach das Eigentum verpflichtet und sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll, vermag nicht zu rechtfertigen, daß der Verleger eine solche Belastung im Interesse der Allgemeinheit tragen muß (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 149) und eine Herstellungskostenerstattung für das abzugebende Exemplar allenfalls bei Verlustgeschäften verlangen kann.
Dadurch, daß der Verordnungsgeber in § 6 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung entscheidend darauf abstellt, daß kein Rohgewinn erzielt wird, stellt er eine unverhältnismäßig hohe Hürde für den Erstattungsanspruch auf, die diesen in der Regel ausschließt. Dies wird den Anforderungen an einen gerechten Ausgleich für die besonderen Aufwendungen des Verlegers im Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 GG nicht gerecht.
Dasselbe gilt auch für die in § 6 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung getroffene Regelung, wonach über die Erstattung in der Regel erst entschieden wird, nachdem der Verleger den Verkauf der Deckungsauflage angezeigt hat oder nach Ablauf von vier Jahren nach Beginn der Verbreitung des Druckwerks. Die Vorschrift führt dazu, daß der Verleger eines besonders kostenaufwendigen Werkes für längere Zeit hinsichtlich der von ihm für das Pflichtexemplar gemachten Aufwendungen in Vorlage treten muß. Dies ist von Art. 14 Abs. 1 bzw. Abs. 2 GG nicht gedeckt.
Nach allem ist dem Normenkontrollantrag in vollem Umfang stattzugeben; die genannten Vorschriften sind für nichtig zu erklären.

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