Gericht: Bundesarbeitsgericht
Entscheidungsdatum: 13.02.1985
Aktenzeichen: 4 AZN 748/84
Entscheidungsart: Beschluss
eigenes Abstract: In dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichtes geht es um eine unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes.
Die Klägerin, eine Diplombibliothekarin, forderte vor dem Arbeitsgericht rückwirkend für 2 Jahre eine höhere Eingruppierung, welche ihr auch gewährt wurde (VI b BAT). Die Revision des beklagten Landes wurde vor dem Landesarbeitsgericht nicht zugelassen. Auch die Beschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht über die Nichtzulassung der Revision wurde abgewiesen.
Instanzenzug:
– ArbG Wiesbaden vom 06.01.1982, Az. Ca 4812/80
– LAG Frankfurt vom 06.09.1984, Az. 9 Sa 256/82
– BAG vom 13.02.1985, Az. 4 AZN 748/84
Gründe:
Die Klägerin steht seit dem 15. Mai 1974 in der Bereichsbibliothek I., einer der vier Bereichsbibliotheken der Fachhochschule W., als Bibliotheksangestellte in den Diensten des beklagten Landes. Ihr obliegen Aufgaben im Bereiche der Katalogisierung, Bibliotheksbenutzung, Bibliothekstechnik, Fernleihe und Signatur. Die Parteien haben einzelvertraglich die Geltung des BAT vereinbart. Seit dem 1. März 1980 bezieht die Klägerin Vergütung nach VergGr. VI b BAT. Mit der Klage hat die Klägerin die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, an sie ab 1. Oktober 1978 Vergütung nach VergGr. V b, hilfsweise VergGr. V c und weiter hilfsweise nach VergGr. VI b BAT zu zahlen. Das Arbeitsgericht hat die Verpflichtung des beklagten Landes festgestellt, an die Klägerin für den Anspruchszeitraum vom 1. Oktober 1978 bis 29. Februar 1980 Vergütung nach VergGr. VI b BAT zu zahlen. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin unter Beschränkung ihres Klagebegehrens die Feststellung der Verpflichtung des beklagten Landes begehrt, an sie ab 1. Oktober 1980 Vergütung nach VergGr. V b, hilfsweise nach VergGr. V c BAT zu zahlen. Das Landesarbeitsgericht hat nach dem Hauptantrag der Klägerin erkannt und die Revision nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die von dem beklagten Land eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde, die nur mit grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG) begründet wird. Die Klägerin beantragt Verwerfung bzw. Zurückweisung des Rechtsbehelfes. Die Nichtzulassungsbeschwerde des beklagten Landes ist unzulässig. Schon die Erfordernisse des § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG werden von der Beschwerdebegründung des beklagten Landes insoweit nicht erfüllt, als es sich auf fehlerhafte Auslegung des Rechtsbegriffes des Arbeitsvorganges im Sinne von § 22 BAT stützt. „Auslegung eines Tarifvertrages“ im Sinne dieser Gesetzesnorm ist die fallübergreifende, abstrakte Interpretation tariflicher Rechtsbegriffe, so daß der Beschwerdeführer unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt im einzelnen darzulegen hat, welche tariflichen Rechtsbegriffe das Landesarbeitsgericht verkannt oder bei der Subsumtion wieder aufgegeben hat und worin die Gründe für die entsprechenden Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts liegen (vgl. die Beschlüsse des Senats BAG 32, 203, 205 = AP Nr. 1 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz und BAG 32, 228, 229 = AP Nr. 2 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz). Zwar behauptet das beklagte Land, das Landesarbeitsgericht habe den Begriff des Arbeitsvorganges abweichend von der Rechtsprechung des erkennenden Senats und in der Weise ausgelegt, daß „einzelne Arbeitsvorgänge vergütungsrechtlich aufgespalten und unterschiedlichen Vergütungsgruppen zugeordnet worden“ seien. Selbst wenn man in diesem Vortrag des beklagten Landes die Behauptung einer abstrakten und von der Senatsrechtsprechung abweichenden Tarifauslegung erblicken wollte, ergibt der Inhalt des angefochtenen Urteils dafür nicht einmal einen Anhaltspunkt. Ohne sich zu diesem Rechtsbegriff überhaupt abstrakt zu äußern, führt nämlich das Landesarbeitsgericht zu Beginn seiner Entscheidungsgründe lediglich aus, bei der Klägerin fielen mindestens zur Hälfte „Arbeitsvorgänge an, die die Anforderungen an die 2. Alternative der Vergütungsgruppe V b Fallgruppe 16 BAT erfüllen (§ 22 II BAT)“, wobei der entsprechende Anteil an der Gesamtarbeitszeit der Klägerin später mit 58 v.H. angegeben wird. Während sich also das Landesarbeitsgericht zum Rechtsbegriff des Arbeitsvorganges in fallübergreifender, abstrakter Weise überhaupt nicht geäußert hat, legt es ersichtlich nach dem Gesamtzusammenhang seiner Rechtsausführungen diesen die Auslegung dieses Rechtsbegriffes durch den erkennenden Senat zugrunde (vgl. BAG 29, 364, 372 = AP Nr. 2 zu §§ 22, 23 BAT 1975 sowie das Urteil des Senats vom 24. Oktober 1984 – 4 AZR 386/82 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, mit weiteren Nachweisen auf die ständige Rechtsprechung des Senats). Zugleich berücksichtigt dabei das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung, daß bei tatsächlicher Trennbarkeit der Aufgaben bibliothekarische Tätigkeiten, die den Merkmalen der VergGr. V b BAT Fallgruppe 16 entsprechen, tarifrechtlich anders zu beurteilen sind als solche, bei denen die tariflichen Erfordernisse dieser Vergütungs- bzw. Fallgruppe nicht erfüllt werden, was notwendigerweise zu einem dementsprechenden Zuschnitt der Arbeitsvorgänge führt (vgl. das Urteil des Senats BAG 30, 229, 234 = AP Nr. 6 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Wenn schließlich das Landesarbeitsgericht offenbar alle den Erfordernissen der VergGr. V b Fallgruppe 16 entsprechende Aufgaben der Klägerin zu einem großen Arbeitsvorgang zusammenfaßt, so ist auch das im Hinblick auf das festgestellte einheitliche Arbeitsergebnis und die Unmöglichkeit weiterer tatsächlicher Aufteilung rechtlich möglich und der Senatsrechtsprechung entsprechend (vgl. auch dazu das Urteil des Senats vom 24. Oktober 1984 – 4 AZR 386/82 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen, mit weiteren Nachweisen). Damit hat die Rechtssache entgegen der Meinung des beklagten Landes auch keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, was den Rechtsbegriff des Arbeitsvorganges angeht. Zwar führt das Landesarbeitsgericht hierzu auch noch aus, „der Kläger habe den Begriff des Arbeitsvorgangs nicht eingehalten, indem er die in der Tätigkeitsbeschreibung vom 5. April 1979 enthaltenen Arbeitsvorgänge ohne überzeugende Begründung zeitlich in Arbeiten von Diplombibliothekaren und Assistenten unterteilt habe“. (S. 10 d. Urteils) Hierauf kommt es indessen schon deswegen nicht an, weil es sich bei dem Begriff des Arbeitsvorganges um einen Rechtsbegriff handelt, so daß die Bestimmung der jeweiligen Arbeitsvorgänge den Gerichten für Arbeitssachen obliegt und die Kläger einer Eingruppierungsfeststellungsklage nicht gehalten sind, die Tätigkeit bereits nach Arbeitsvorgängen vorgegliedert den Tatsachengerichten zu schildern (vgl. das Urteil des Senats vom 28. Februar 1979 – 4 AZR 427/77 – AP Nr. 16 zu §§ 22, 23 BAT 1975). Aus den gleichen Gründen kann es auch nicht darauf ankommen, welche Auffassung über den Zuschnitt der Arbeitsvorgänge der Klägerin der vom Landesarbeitsgericht zugezogene Sachverständige vertreten hat. Weiter trägt das beklagte Land vor, das Landesarbeitsgericht habe die Tätigkeitsmerkmale der VergGr. V b BAT Fallgruppe 16 fehlerhaft ausgelegt. Das Landesarbeitsgericht habe es unterlassen, die Anforderungen an einen Bibliotheksassistenten mit denen zu vergleichen, die an einen Diplombibliothekar bzw. an einen Angestellten mit gleichwertigen Fähigkeiten und Erfahrungen zu stellen seien. Auch insoweit fehlt es jedoch wiederum bereits an der Darlegung der Erfordernisse des § 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG. Das nimmt letztlich sogar das beklagte Land selbst an, indem es in seiner Beschwerde darauf hinweist, zu dem aufgezeigten Komplex enthalte das angefochtene Urteil „keine eigenen Aussagen“. Das bestätigt auch der Inhalt der Entscheidungsgründe des Landesarbeitsgerichts. Ihr Gesamtzusammenhang ergibt im übrigen, daß das Landesarbeitsgericht bei 58,8 v.H. der Gesamtarbeitszeit der Klägerin ausmachenden Arbeitsvorgängen die zweite Alternative der VergGr. V b BAT Fallgruppe 16 als erfüllt betrachtet. Dabei geht es ersichtlich im Sinne der Senatsrechtsprechung, deren Grundsätze es stellenweise wiederholt, davon aus, daß dafür nicht ein Wissen und Können verlangt wird, wie es durch die Ausbildung als Diplombibliothekarin vermittelt wird, wohl aber eine ähnlich gründliche Beherrschung eines entsprechend umfangreichen Wissensgebietes, wobei, wie das Landesarbeitsgericht besonders hervorhebt, Fähigkeiten und Erfahrungen auf einem engbegrenzten bibliothekarischen Teilgebiet nicht ausreichend sind. Außerdem berücksichtigt das Landesarbeitsgericht in Übereinstimmung mit der Senatsrechtsprechung weiter, daß die Klägerin insoweit eine „entsprechende Tätigkeit“ ausüben muß, d.h. eine Tätigkeit, die die aufgezeigten Fähigkeiten und Erfahrungen ihrerseits fordert (vgl. auch dazu das Urteil des Senats vom 24. Oktober 1984 – 4 AZR 386/82 -, zur Veröffentlichung in der Fachpresse bestimmt, mit weiteren Nachweisen). Im übrigen enthält das angefochtene Urteil lediglich subsumierende Ausführungen und eine Auseinandersetzung mit den fachlichen Erkenntnissen des zugezogenen Sachverständigen. Damit fehlt auch bezüglich des Vortrages des beklagten Landes zu den Merkmalen der VergGr. V b BAT Fallgruppe 16 der vorliegenden Rechtssache die grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG, so daß es auf den diesbezüglichen weiteren Vortrag des beklagten Landes nicht ankommt. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.